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Software, 23.11.2012

GPS HILFT DEN WINZERN AUF DIE SPRÜNGE

Wenn es nach den Ideen der Forschungsanstalt Geisenheim \ (Fachgebiet Technik) geht, ist Precision Farming auch im Weinbau keine Zukunftsmusik mehr.
Wenn es nach den Ideen der Forschungsanstalt Geisenheim \ (Fachgebiet Technik) geht, ist Precision Farming auch im Weinbau keine Zukunftsmusik mehr. Dazu müssen „nur" die Signale vom Himmel geholt und in entsprechend handhabbares Gerät umgesetzt werden.  Der Vorteil: Das Winzerleben wird leichter.   
 
Satelliten führen Regie in unserem Leben. Nicht nur Kapitäne, Piloten und Fernfahrer nutzen das Globale Positionierungs-System zur Navigation, inzwischen findet man den praktischen „Nävi" fast schon in jedem Auto. Signalgeleitet werden Ortsbestimmung und Fahrzeugführung mit unglaublicher Präzision gesteuert und Zeit und Daten genau erfasst.
Pate für diese unglaublichen Leistungen hat das amerikanische Militär gestanden, das einst 24 winzige Kunstmonde in den Orbit sandte, um rund um die Uhr über alles Geschehen in jedem Winkel der Erde informiert zu sein. Seit Mai 2000 können die Signale des amerikanischen Global Positioning System GPS von jedermann empfangen und genutzt werden. Mit dem Auffinden von Schlägen, dem Flottenmanagement, mit dem Führen von Bearbeitungsgeräten mit größter Spurgenauigkeit und dem teil-flächenspezifischen Pflanzenbau hat die Landwirtschaft den Anfang gemacht. Jetzt ist der Weinbau am Zug.
 

Der Weinberg wird zum Präzisionswerk

„Damit wird die vollautomatische Schlagdatei Realität", sieht Prof. Dr. Hans-Peter Schwarz, Forschungsanstalt Geisenheim, die nahe Zukunft voraus. Sämtliche Aktivitäten rund um die Rebe assen sich per GPS zu einem Paket zusammenschnüren. Arbeiten im Weinberg und Maschineneinsätze steuert das Navigationsgerät. Sorten, Bonitur- und Analysenwerte merkt sich das elektronische Superhirn. Mehr noch, und darum kommt der Winzer nicht herum: mit GPS können Zertifizierung und Rückverfolgbarkeit sichergestellt werden. Gesetzliche und privatwirtschaftliche Dokumentationspflichten, speziell die steigenden Anforderungen des Lebensmittelrechts und Lebensmittelhandels, werden ohne Schreibarbeiten locker erfüllt. „Eine „immense Entlastung des Betriebsleiters" zeichnet  sich  für den  Institutsleiter Schwarz ab, denn welcher Winzer arbeite schon den ganzen lichten Tag im Wingert und setze sich abends noch gern an den Computer und erledige dann seine Einträge händisch. Da werde bei einigen Kollegen noch zuviel geschätzt und mit unsicheren Einträgen hantiert.
 

Der Winzer spart viel Geld

GPS geht ganz anders mit dem Datenwust um. Dessen scharfen Detektoren entgeht nichts, und seine Daten stellen Planung, Arbeiten im Weinberg - und sogar im Keller - sowie deren Kontrolle auf eine völlig neue Basis. Die EU macht Druck und hat nach der Verordnung 178 von 2002 schon für 2006 eine komplette Dokumentationshierarchie verlangt. Die Praxis zögert noch. Und dabei ist das große Thema die „Rückverfolg-barkeit". Lebensmitteleinzelhandel und Verbraucher wollen genau wissen, woher der Wein kommt. „Mit GPS ist solches Dokumentieren auf sehr elegante Weise machbar", erklärt Professor Schwarz. „Man kann auf ± 2 cm festlegen, wie die ^ßben gepflanzt werden oder hinterlegt , System die Daten der Bodenproben." Nach den mathematisch stringenten Regeln der Ratio Real Time Kinematics werden detaillierte Koordinaten festgelegt. Lageplan, Sorten und Unterlage sind damit für alle Zeiten abgreifbar.
Sogar die scharfe Qualitätssicherung nach GlobalGAR der Global Retailer Good Agricultural Practice, lässt sich mit einem eigens kreierten mobilen Datenerfassungsgerät dokumentieren. Jede Parzelle wird dabei einer kritischen Risikoanalyse unterzogen. Reinhold Müller, im Institut verantwortlich für die Messtechnik, verspricht: „Der Winzer kann Geld sparen." Das gilt offenbar an allen Ecken und Kanten. Überzeugend ist auch die Exaktheit der Entnahme von Bodenproben an immer denselben Stellen, die Grundlage für das Raster der Teilflächenbehandlung ist. Daraus lässt sich eine „GIS-Kartierung" vornehmen. Dieses Geo-Informationssystem ist eine grafische Darstellung der Koordinaten auf der Erdoberfläche, mittels der der Winzer im Umkreis einer Stickellänge den Nährstoffgehalt und das Wasserhaltevermögen bestimmt und anschließend regeln und steuern kann.
 

Himmlische Hilfe für den Winzer

Der Nutzen liegt auf der Hand, denn mittels dieser Karte erweitert und rationalisiert der Winzer seinen Aktionsradius. Beim Pflanzen werden die Reben akkurat in Reih und Glied gesetzt. Alle Geräte werden zentimetergenau geführt. Der Rebschnitt wird transparent, das am GPS aufgehängte mobile Gerät bestimmt die Laufwege und rekonstruiert, wer wo wie lange gearbeitet hat. Die Dokumentation vom Rebschnitt bis zur Traubenlese ist absolut lückenlos. Reine Arbeitszeit, Rüstzeit, Wegezeit, Maschinenzeiten, Schlepperfahrten - all das ist auf dem Display ablesbar und wird automatisch gespeichert. Nicht zu vergessen die Erfassung der geernteten Traubenmenge und -güte, als Ergebnis aller Arbeiten und Mühen des Winzers. Messtechniker Reinhold Müller kommt ins Schwärmen. Das im Institut getestete mobile Gerät habe „ein noch nie da gewesenes Novum generiert". Während die Literatur von 200 Arbeitsstunden je Hektar spricht, hat man sämtliche Arbeiten, inklusive Lese, in einem spezialisierten Betrieb in 85 Stunden bewältigt. Damit wird die Vollkostenanalyse auf sichere Füße gestellt, ohne die kein Mensch Auskunft geben kann, ob sein Traubenpreis, sein Fassweinpreis oder sein Preis pro Flasche überhaupt kostendeckend ist. „Machen wir uns nichts vor", geht der Wissenschaftler ans Eingemachte, „die meisten Berufskollegen sind auf Schätzwerte angewiesen". Das ist nicht nur unbefriedigend, sondern für eine erfolgreiche Unternehmensführung völlig ungeeignet.
 

GPS räumt mit dem Datenwust auf

Die GPS-Himmelsspäher sind unbestechlich und ihre irdischen Ableger haben ein sehr langes Gedächtnis. Die Recherchen zielen nicht zuletzt auf Schwachstellenanalysen. Schwarz: „Warum wendet einer 120 Stunden beim Rebschnitt auf und der Nachbar nur 80?" Bei der Bilanzierung kommt es nicht nur auf die kleinen und feinen Unterschiede an, sondern auf aus dem Ruder laufende Kostenblöcke. Und im Gegenzug auf die Arbeiten im Weinberg, die besonders gut gelaufen  sind. So kann das Dokumentieren von Zeit und Art des Entblätterns ein Beleg dafür sein, dass ein bestimmter Wein in einem bestimmten Jahr besonders gut geworden ist.
Fehler müssen von nun an nicht zweimal gemacht werden, wenn man nach den betriebsbezogenen Führungsgrößen verfährt. Die Hilfsmittel liegen bereit, ob das nun der termingerechte Pflanzenschutz oder die schlagbezogene Nährstoffbilanz ist. Mit derlei Agieren geht man sogar noch über die gesetzliche Auskunftspflicht hinaus. Noch futuristischer ist die „Trustbank". Dabei werden sämtliche Daten eines Wirtschaftsjahrs auf eine CD gebrannt und auf einer Datenbank hinterlegt. Wann immer nötig, ob Schadensfall oder Wetter-Abnormalität, kann ratsuchend darauf zurückgegriffen werden -an die Stelle des Schätzens tritt damit das Wissen. Das Handeln auf „Gut Glück" wird abgelöst von treffsicheren Handlungsanweisungen. Denn 24 Satelliten können sich nicht irren. Sie sehen alles, und sie vergessen nichts.
 
Himmlische Trigonometrie
Alles ist mög1lch: 24 aktive Satelliten kreisen kontinuierlich um den Globus. Für die Positionsbestimmung per Dreiecksberechnung sind vier Satelliten erforderlich. Der Nutzer empfingt die SatelliteneJaten und speist sie in seine spezielle Software ein.
 
GPS-Bewährungsprobe Lese - Irrtum ausgeschlossen
In der Kampagne haben Lohnunternehmer und ihre Traubenvollernter eine Menge zu tun. Die Fahrzeuge der Zukunft sind GPS-gesteuert, der Winzer weiß alles über die Vorlese und kann eine Ertragskartierung abrufen. Irrtümliche Lese in Nachbarschlägen ist ausgeschlossen. Die Arbeitswege sind optimiert, und jeder gefahrene Meter wird dokumentiert. Kurz: Mit solcher Anleitung wird der Fahrer nicht abgelenkt und kann sich voll auf seine Arbeit konzentrieren.

Medium

 
  • Die Forschungsanstalt Geisenheim ist eine der ältesten Forschungseinrichtungen des Wein- und Gartenbaus im deutschsprachigen Raum.
  • Im Rahmen einer engen Verknüpfung mit der Hochschule RheinMain werden in Geisenheim rund 1000 Studierende der Fachrichtungen Weinbau und Oenologie, Getränketechnologie, Gartenbau sowie Landschaftsarchitektur von den Mitarbeitern der Forschungsanstalt in Vorlesungen und Übungen mit betreut.
  • Ziel unserer Arbeit ist es, innovative Forschungen in anwendbare Handlungsansätze für die Praxis umzusetzen und anzubieten, um deren Konkurrenzfähigkeit zu stärken. Die zukünftigen Diplomingenieure, Bachelors und Masters sollen sowohl national als auch international Leitungsfunktionen in den von uns vertretenen Industrien übernehmen können.
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