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Sprühgeräte, 23.07.2016

DRIFTREDUZIERENDE MASSNAHMEN IM PRAXISVERSUCH

Je nach Eigenschaften und Anwendung eines Pflanzenschutzmittels kann dessen Einsatz in der Landwirtschaft Lebewesen in Gewässern und anderen Biotopen gefährden. Die Produkte gelangen über Drift, Abwaschung oder Drainage in solche Schutzobjekte. Für gefährliche Produkte werden deshalb im Zulassungsverfahren Abstandsauflagen zu Oberflächengewässern oder Naturschutzgebieten verfügt. Eine gute agronomische Praxis ist die Grundlage, um den Eintrag tief zu halten. Mit zusätzlichen Massnahmen kann die Drift weiter vermindert werden, sodass eine Reduktion der verfügten Abstände möglich ist.
Bei der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels (PSM) wird das Umweltrisiko durch Drift abgeschätzt. Die Höhe des Risikos ergibt sich aus dem Verhältnis von Toxizität (Giftigkeit) und Exposition (zu erwartende Menge). Dieses Verhältnis wird als TER-Wert (Toxicity Exposure Ratio) angegeben, ein Indikator für die Risikobewertung. Die Toxizität eines Wirkstoffs wird durch ökotoxikologische Tests mit Modellorganismen ermittelt. Für die Abschätzung der Exposition durch Drift werden standardisierte Depositionsfunktionen herangezogen, die auf zahlreichen Praxismessungen basieren (z.B. Rautmann et al. 2001). Es wird unterschieden zwischen verschiedenen Kulturen und Applikationstechniken. Die wichtigsten Kategorien sind Obst, Reben und Flächenkulturen (z.B. Getreide, Kartoffeln, diverse Gemüse). Bei den Raumkulturen Obst und Wein werden zusätzlich frühe und späte Kulturstadien unterschieden. Zur Abschätzung der Risiken durch Drift wird davon ausgegangen, dass nach guter agronomischer Praxis behandelt wird: Gesprüht wird nur bei geeigneter Witterung und mit gewartetem Gerät und die Applikationsparameter sind an die Kultur und deren Stadium angepasst (BAFU/BLW 2013).
Der absolute Mindestabstand zu Gewässern für alle PSM-Anwendungen beträgt in der Schweiz 3 m gemäss Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) und 6 m für Betriebe, die den ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) erbringen. Je nach Ergebnis der Risikoabschätzung werden grössere Sicherheitsabstände (unbehandelte Pufferzonen) zu Gewässern verfügt, welche die Einhaltung der TER-Grenzwerte gewährleisten. Diese Abstände können 6, 20, 50 oder 100 m betragen. Beim Einsatz driftreduzierender Massnahmen können verfügte Sicherheitsabstände gemäss Weisung des BLW reduziert werden.

Pufferzonen und Produktionsflächen

Abstandsauflagen beeinflussen die Landwirtschaft nicht unwesentlich und sie werden nicht nur zu Oberflächengewässern (zum Schutz von Gewässerorganis-men), sondern auch zu Naturschutzgebieten (Biotope gemäss Bundesgesetz über Natur und Heimatschutz) zum Schutz von Nichtzielarthropoden (Insekten, Spinnen usw.) festgelegt. Sicherheitsabstände von 50 m und mehr betreffen einen wesentlichen Anteil der produktiven Fläche der Schweizer Landwirtschaft. So würde ein Abstand von 100 m zu Oberflächengewässern in den Kantonen TG, ZH, VD und VS mehr als 20% aller Kulturflächen (ohne Grünland) mit Einschränkungen belegen, wie eine Abklärung der räumlichen Situation mittels Geoinformationssystem (GIS) ergab. Bei den Obstkulturen ist der Anteil eher noch höher und kann regional um die 50% erreichen. Deutlich geringer, aber auch nicht ganz unwesentlich, ist der Anteil der Anlagen, die durch Pufferzonen zu Naturschutzgebieten betroffen ist.
Für die Landwirtschaft ist es auf jeden Fall von grossem Interesse, die Abdrift an sich zu vermindern, um die verfügten Abstände zu verkleinern. Driftreduzierende Massnahmen im Test Umfangreiche Drift-Messungen wurden vom 30. Oktober bis 16. November 2012 auf dem Obstbau-Versuchsbetrieb des BBZ Arenenberg in Güttingen durchgeführt, in einer Apfelparzelle mit Golden Delicious, Arlet und Idared, alles Spindelbäume auf M9 vf, Pflanzdistanz 3.5 × 1.1 m, Baumhöhe 2.80 m (Höhe Hagelnetz), mittlerer Baumdurchmesser 1.25 m, Pflanzjahr 1998 (Abb. 1).
Die Hälfte der Parzelle wurde parallel zu den Reihen durch eine Driftschutzhecke begrenzt (Abb. 2, Messfläche a), die andere Hälfte konnte wahlweise frei bleiben oder mit einem vertikalen Netz abgeschlossen werden (Abb. 2, Messfläche b).
Die Abdrift wurde in Zusammenarbeit mit der Gruppe «Global Application Technology» der Firma Syngenta ermittelt, mittels Tracertechnologie. An Stelle eines PSM wurde eine Tracersubstanz (fluoreszierender Farbstoff) gesprüht und ausgewertet. Die Deposition des Tracers wurde in den Abständen 0, 1, 3, 5, 10, 15, 20, 30, 50 und 75 m vom Feldrand gemessen. Pro Abstand und Messung wurden fünf Kollektoren aus Filterpapier mit einer Fläche von je 250 cm2 ausgelegt. Bei jedem Applikationsdurchgang wurden die äussersten fünf Obstreihen beidseitig mit einem praxisüblichen Sprühgerät behandelt: Holder NI800 mit Gebläse OVS50, beidseitig je sieben Düsen Albuz ATR80 gelb, Spritzdruck 9.5 bar, Fahrgeschwindigkeit 6.2 km/h, Gebläseleistung insgesamt 13 000 m3/h, Brühmenge 400 L/ha mit 180 g Tracerfarbstoff Helios SC500 (Syngenta). Die Deposition auf den Kollektoren wurde in den Labors von Syngenta fluorimetrisch quantifiziert (Abb. 3).
Es wurden vier driftreduzierende Massnahmen getestet:
  1. Injektordüsen (Lechler ID 90-015 grün mit 8.5 bar),
  2. Hagelnetz über der Obstanlage (Maschenweite 3.3 × 8 mm, optische Dichte 15%),
  3. Driftschutzhecke (Hagebuche, 4.4 m hoch, 85 cm breit, optische Dichte 82%) und
  4. vertikales Netz am Feldrand (3.8 m hoch, Hagelnetz wie über der Anlage).
Die verschiedenen Massnahmen wurden in allen sinnvollen Varianten kombiniert. Dies ergab schliesslich zwölf verschiedene Kombinationen: Verfahren T1 bis T12 (Abb. 4). Jedes Verfahren wurde mindestens in drei Durchgängen wiederholt.
Während jedem Spritzdurchgang wurden alle 30 Sekunden Windrichtung, Windgeschwindigkeit, Temperatur und Luftfeuchtigkeit aufgezeichnet. Für die Auswertung wurden deren Mittelwerte verwendet (vektorielle Mittel für Windgeschwindigkeit und -richtung). Die Wetterbedingungen waren während der ganzen Messperiode sehr wechselhaft (Temperaturen 3–10.5 °C, rel. Luftfeuchtigkeit 60–100%). Spritzdurchgänge, bei denen die Windrichtung mehr als 40° von der optimalen Versuchsausrichtung abwich und die Windgeschwindigkeit unter 0.5 m/s lag, wurden ausgeschlossen.
 

Verschiedene Massnahmen – unterschiedliche Effekte

Die Plausibilität der Güttinger Messungen wurde im Vergleich mit den Depositionsfunktionen (90. Perzentile und Mediane) nach Rautmann bestätigt. Die Depositionen aus Verfahren T1 entsprechen weitgehend diesen Funktionen (Abb. 5).
Da gemäss ISO 22866 die Messdistanz höchstens halb so weit sein darf wie die Breite der Applikationsfläche (40 m), beschränkte sich die Auswertung der Messdaten auf die Distanzen zwischen 3 und 20 m. Die mittels nichtparametrischer Bootstraps (Schweizer et al. 2013) ermittelten Abdrift-Reduktionswerte für die vier geprüften Massnahmen sind in der Tabelle zusammengestellt.
Die eingesetzte Injektordüse reduzierte die Drift um rund 75%, was der Einschätzung nach Van de Zande et al. (2012) für die gleiche Düse entspricht. Deren Resultate wurden anhand einer Untersuchung des Tropfengrössenspektrums (Volumenanteil von Tropfen < 100 μm) erstellt und per Feldmessung verifiziert. Ein Hagelnetz über der Obstanlage reduziert nach Herbst et al. (2012) die Abdrift um mindestens 50%, je nach Düsentyp auch bis 75%. Auch dies wurde in Güttingen bestätigt, indem das Hagelnetz eine mittlere Reduktion (Injektordüse und Hohlkegeldüse) von 67 bis 84% bewirkte.
Für Hecken werden Reduktionswerte von 10% im Winter (Wenneker und Van de Zande 2008) und bis zu 90% im vollen Laub (Ucar und Hall 2001) angegeben.
Nach Richardson et al. (2004) reduziert eine Hecke die Abdrift am besten in ihrer nächsten Nähe. Je weiter weg, desto kleiner erscheint ihre Reduktionswirkung, was die vorliegenden Ergebnisse tendenziell bestätigen. Kriterien für die Beurteilung einer Hecke bezüglich ihrer driftreduzierenden Eigenschaft sind ihre Höhe (höher als die behandelte Kultur), die Dichte (nicht zu dünn, nicht zu dicht) und die Art: Es ist wichtig, dass die Hecke früh Laub entwickelt. Wenneker und Van de Zande (2008) empfehlen Ahorn, Holunder, Weissdorn oder Hagebuche. Die frisch geschnittene Hagebuchenhecke in Güttingen hatte eine optische Dichte von 82% und zeigte eine vergleichsweise gute Driftreduktion mit Medianwerten zwischen 78 und 95%. Die Verfahren, die das vertikale Netz am Feldrand als Faktor integrierten, wurden unter besonders ungünstigen Windbedingungen appliziert. Nach Anwendung der Ausschlusskriterien (s.o.) konnten nur 35 Messwerte pro Abstand verwendet werden. Wenige Messwerte mit grossen Variabilitäten führten zu enormen Streuungen der Resultate. Dass für das vertikale Netz teilweise negative Reduktionswerte erscheinen, ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Trotzdem muss festgehalten werden, dass mit dem Einsatz des vertikalen Netzes kaum eine Driftreduktion erzielt wurde, obwohl das gleiche Netz verwendet wurde wie über der Obstanlage. Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob mit einem anderen Material – zum Beispiel mit einem feinmaschigen Insektenschutznetz oder einem Windschutzflies – bessere Effekte erzielt werden können.
 

Driftreduktion ermöglicht Abstandsminderung

Die in der Tabelle angegebenen Reduktionsfaktoren liegen im Rahmen der Resultate verschiedener europäischer Institutionen, obwohl in diesem Versuch die Massnahmen in unterschiedlichen Kombinationen evaluiert wurden. Eine Regelung zur Verkleinerung von Sicherheitsabständen, welche die Reduktionsfaktoren kumulativ interpretiert, ist also möglich. Aus Sicht der Praxis ist dies zu wünschen, denn so bleibt den Produzenten grösstmögliche Freiheit in der Wahl der Massnahmen. Die Streuungen der Reduktionswerte sind jedoch relativ gross; die Quartile liegen zum Teil weit vom Median entfernt (Tabelle). Dafür verantwortlich ist zu weiten Teilen der Einbezug dieser verschiedenen Massnahmen-Kombinationen, aber auch die praxisgerechte Berücksichtigung der unterschiedlichen Wetterbedingungen. Dies sollte bei der Ausarbeitung einer Regelung zur Verkleinerung der Sicherheitsabstände berücksichtigt werden. Insbesondere bei der Kombination mehrerer Massnahmen, die zusammen eine sehr grosse Abdriftreduktion ergeben würden, ist Vorsicht angebracht. Herbst et al. (2012) hielten in diesem Zusammenhang fest, dass in Obstanlagen nie eine Driftreduktion von 99% gemessen wurde, mit Ausnahme beim Einsatz von Tunnelsprühgeräten.
Die Reduktionswerte konnten für 3 bis 20 m Abstand vom Feldrand berechnet werden. Aus diesen Resultaten kann nicht ohne weiteres auf die Deposition in grösseren Distanzen geschlossen werden: Rautmann et al. (2001) zeigten, dass in Raumkulturen die Funktion Deposition pro Abstand nicht kontinuierlich extrapoliert werden kann. Es ist insbesondere zu erwarten, dass beim Einsatz von physischen Barrieren am Feldrand die Abdriftreduktion mit zunehmender Distanz abnimmt (vgl. Richardson et al. 2004).
Eine Regelung für die Verkleinerung von Sicherheitsabständen, die driftreduzierende Massnahmen frei kombinierbar einsetzt, ist aufgrund der Resultate möglich. Die grossen Streuungen der Reduktionsfaktoren sind jedoch bei der Verwendung der Werte zu berücksichtigen. Sie zeigen die Variabilität der Driftreduktion unter Praxisbedingungen.

Dank

Unser Dank geht an das Team des Versuchsbetriebs Güttingen, BBZ Arenenberg TG für die Unterstützung bei der Versuchsvorbereitung und -durchführung, an die Applikationsgruppe der Firma Syngenta für die Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung sowie die Tracer-Auswertungen, an Peter Kauf vom IAS an der ZHAW für die Durchführung der statistischen Auswertung und an die vielen Helferinnen und Helfer von Agroscope bei der Versuchsdurchführung.
 

Literatur

BAFU und BLW: Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft. Ein
Modul der Vollzugshilfe Umweltschutz in der Landwirtschaft. Bundesamt
für Umwelt, Bern. Umwelt-Vollzug Nr. 1312: 58 S., 2013
 
Herbst A., Osteroth H.-J. et al.: Test procedure for drift reducing
equipment. Fourth European Workshop on Standardised Procedure
for the Inspection of Sprayers, SPISE 4, Lana (South Tirol),
Julius-Kühn-Archiv 439, 234–238, 2012.
Rautmann D., Streloke M. et al.: New basic drift values in the au -
thorization procedure for plant protection products. Mitteilungen
aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft
Berlin-Dahlem 383, 133–141, 2001.
Richardson G. M., Walklate, P. J. et al.: Spray drift from apple orchards
with deciduous windbreaks. Aspects of Applied Biology
71, 149–156, 2004.
Schweizer S., Kauf P., Höhn H. und Naef A.: Abdrift – reduzierende
Massnahmen im Praxisversuch. Agrarforschung Schweiz 4
(11-12) 484–491, 2013.
Ucar T. und Hall F.R.: Windbreaks as a pesticide drift mitigation
strategy: a review. Pest Management Science 57(8), 663–675,
2001.
Van de Zande J. C., Wenneker M. et al.: Nozzle classification for
drift reduction in orchard spraying. Aspects of Applied Biology
114, 253–261, 2012.
Wenneker M. und Van de Zande J. C.: Spray drift reducing effects
of natural windbreaks in orchard spraying. In: International advances
in pesticide application: Robinson College, Cambridge,
UK, 9-11 January 2008 (Ed. Alexander, L. S.). Association of Applied
Biologists, Wellesbourne, 25–32, 2008.

Medium

Die Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau (SZOW) verbreitet die Forschungsresultate von Agroscope, der deutschsprachigen Forschungsinstitute und der Fachorganisationen im Reb- und Obstbaubereich. Die wissenschaftlichen Artikel behandeln Themen im Bereich Rebbau, Önologie, Obstbau, Obstverarbeitung sowie Lebensmittelqualität und -sicherheit.
Die in deutscher Sprache erscheinende Zeitschrift enthält französischsprachige Zusammenfassungen der Fachbeiträge. Sie erscheint zweimal pro Monat und richtet sich vor allem an Produzenten, Berater, Lehrpersonen, Bibliotheken, Handelsunternehmen sowie interessierte Laien. Herausgeber der SZOW ist der Verein Publikationen Spezialkulturen (VPS) mit Sitz in Wädenswil, Schweiz.
 
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