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Pflanztechnik, 02.09.2012

SPEKTAKULÄRER REBANLAGENBAU IM TESSIN

Im Gebiet Monte Carasso, dem Steilgelände gegenüber dem Tessiner Kantonshauptort Bellinzona, galt es, die eine halbe Hektare grosse Rebparzelle «Laurò» zu erneuern.
Im Gebiet Monte Carasso, dem Steilgelände gegenüber dem Tessiner Kantonshauptort Bellinzona, galt es, die eine halbe Hektare grosse Rebparzelle «Laurò» zu erneuern. Sie gehört seit 50 Jahren der Familie Rindisbacher. Die Trauben werden in der gleichnamigen Weinmanufaktur Bern zum Spitzenwein «Laurò» verarbeitet. Nach seinem Lehrabschluss als Winzer nahm der Autor 2010 die Herausforderung an und führte meist im Alleingang die Erneuerung durch. Hier sein «Arbeitsbericht».
 
Erste Besichtigungen der Anlage am Monte Carasso im Spätherbst 2010 brachten einige Knacknüsse zutage. So liegt die Rebparzelle im Wald und ist vom Parkplatz aus nur über einen felsigen Waldweg in etwa einer Viertelstunde Fussmarsch bergauf erreichbar. Eine vom Besitzer gebaute Transportseilbahn überwindet die rund 90 Höhenmeter von der Kantonsstrasse zur Parzelle; ihre Last-Kapazität beträgt aber lediglich 200 kg.
Somit war klar, die benötigten rund 2.8 Tonnen Material konnten weder über den Waldweg noch mit der Seilbahn transportiert werden. Ein weiteres Problem stellt der hohe Wild- und Vogeldruck. In den letzten Jahren hatte man trotz Einzäunung und Aufhängen von «Kornitol»-getränkten Schwämmen immer wieder Frass an Jungtrieben. Dem Vogeldruck versuchte man mit einer Bächli-Anlage entgegenzuwirken. Weder Hirsche noch Vögel schien dies jedoch merklich zu beeindrucken. Es musste eine andere Lösung gefunden werden.
 

Es geht los!                                                                                  

Im Dezember 2010 nahm ich meine Arbeit am Monte Carasso auf. Zuerst wurde ein Parzellenplan gezeichnet und der Bestand an Reihen, Rebstöcken und Pfählen aufgenommen. Dann erfolgte die Demontage der bestehenden Unterstützungsvorrichtung. Es galt, den Rebbestand soweit möglich zu erhalten; nur alte und kranke Stöcke wurden entfernt. Trotz Regen, Schnee und der Arbeit als «Solist» ging es zügig voran. Überall im steilen Gelände waren auch Forstarbeiten nötig. Um eine bessere Mechanisierung der Rebanlage zu ermöglichen, musste das Gelände mit Ramp en und einer Trockenmauer angepasst werden.
Eine Besonderheit stellt auch die Bodenbeschaffenheit dar. Der Boden setzt sich aus einem hohen Anteil Humus und Sand zusammen. Er besitzt zwar eine gute Wärmespeicherkapazität, ist aber ein schlechter Wasserspeicher. Zudem ist er stark sauer. Wo die Humusschicht mächtig genug ist, geht es mit dem Einrammen von Pfählen und den Geländeanpassungen gut. Bei felsigem Untergrund beisst man buchstäblich auf Granit.
Ungewöhnlich ist auch das Mikroklima auf der ersten Geländestufe über der Talebene. Eigentlich wäre der April einer der niederschlagreichsten Monate hier, doch 2011 gab es bereits im März um die 30 °C Wärme, was zu einem frühen Austrieb Ende März führte.
 

Laut, aber schnell

Täglich werden auch im Kanton Tessin unzählige Transporteinsätze mit Helikoptern geflogen. So lag es nahe, die 300 Rebpfähle in die Parzelle hochzufliegen. Zuerst musste aber ein für Lastwagen erreichbarer Platz erkundet werden, wo Flughelfer das Material am Transportseil befestigen konnten. Auch im Rebgelände musste zum gefahrlosen Absetzen der Pfahlbündel eine ebene Stelle gefunden werden. Dann begann der lärmige Transport. Was mit der Transportseilbahn viele Stunden - wenn nicht Tage - gedauert hätte, schaffte der Heli in drei Flügen mit 1300, 1200 und 300 kg Last in 15 Minuten und erst noch präzise platziert! Mit weiteren Helfern wurden dann die Pfähle rasch auf die vorbereiteten Stellen verteilt und schliesslich eingerammt.
 

Unkonventionelle Verankerungen

Im felsigen Gelände und bei der vorgesehenen Vielzahl von Durchlässen war an Ankerdrähte nicht zu denken. Da musste eine bessere Lösung her. Zwei Pfähle im Abstand von 80 cm bilden jeweils Reihenanfang und -ende. Sie sind im oberen Teil mit einem Eisen verbunden und mit Gripple-Stahldraht diagonal verstrebt. So lässt sich eine gute Festigkeit erreichen. Zum Spannen der Drähte wurde ebenfalls das Gripple-Spann-System verwendet. Der Drahtrahmen besteht von unten nach oben: 1. Bayco®-Draht - die untere Netzbefestigung, 2. Bindedraht, 3. Bayco®-Draht, 4. Crapal - obere Netzbefestigung, 5. Der oberste - auch ein Bayco®-Draht. Mit Bayco®-Draht geht das Einschlaufen viel schneller!
 

Huki mit Eigenkonstruktion

Mit einer selbstgebauten Konstruktion auf dem «Huki» ging auch das Verlegen der Hagelschutznetze problemlos. Die eine halbe Hektare grosse Parzelle war ja nun gut befahrbar. Zur Befestigung der Netze wurden kleine Kabelbinder verwendet. Die hintere Netzseite bleibt starr fixiert. Das Netz lässt sich von vorne für Laubarbeiten und bei der Lese öffnen. Geschlossen und gespannt wird es mit zwei Vierkanthölzern an den Endpfählen.
 

Netze auch gegen Wildverbiss

Im Vorjahr hatten Hirsche zu einem frühen Zeitpunkt alle Triebe abgefressen. Dieses Jahr gab es dank der neuen Netze keinen einzigen Wildverbiss an den Jungtrieben. Auch die reifenden Trauben sind vor Hirsch, Vogel, Wespen und anderen unerwünschten Gästen geschützt. Zum ersten spürbaren Ergebnis der Neuanlage bemerkte Matthias Rindisbacher: «Die Reben merken, dass sie eine neue Anlage bekommen haben; der Austrieb war selten so gut und gleichmässig.»

Medium

Die Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau (SZOW) verbreitet die Forschungsresultate von Agroscope, der deutschsprachigen Forschungsinstitute und der Fachorganisationen im Reb- und Obstbaubereich. Die wissenschaftlichen Artikel behandeln Themen im Bereich Rebbau, Önologie, Obstbau, Obstverarbeitung sowie Lebensmittelqualität und -sicherheit.
Die in deutscher Sprache erscheinende Zeitschrift enthält französischsprachige Zusammenfassungen der Fachbeiträge. Sie erscheint zweimal pro Monat und richtet sich vor allem an Produzenten, Berater, Lehrpersonen, Bibliotheken, Handelsunternehmen sowie interessierte Laien. Herausgeber der SZOW ist der Verein Publikationen Spezialkulturen (VPS) mit Sitz in Wädenswil, Schweiz.
 
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