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Informationsübertragung, 12.05.2012

SATELLITEN-GESTEUERTE LENKSYSTEME IM FELDGEMÜSEBAU

Satelliten-gesteuerte Lenksysteme im Feldgemüsebau, Stand der Technik, praktische Erfahrungen und Empfehlungen

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung.................................................................................................4
2. Welche Technologien stehen zur Verfügung.................................................5
2.1. Global Navigation Satellite Systems (GNSS)................................................5
2.2. Genaue GPS - Positionierung mit kostenpflichtigem Korrektursignal............5
2.3. Lokale Positionierung (LPS)......................................................................5
3. Steuerung des Traktors mittels Positionsangabe..........................................6
3.1. Anzeige und Archivierung der Fahr- und Arbeitsdaten..............................6
4. Hinweise zur Auswahl eines Lenksystems....................................................7
4.1. Lage der Felder.....................................................................................7
4.2. Qualität des Signalempfanges.................................................................7
4.3. Einarbeitungszeit..................................................................................7
4.4. Welche Einsätze des Lenksystems sind vorgesehen?.................................7
5. Wahl des Systems und des Anbieters.........................................................8
6. Praktische Erfahrungen im Feldgemüsebau................................................9
6.1. Installation des Empfängers...................................................................9
6.2. Abdrift nachgezogener Geräte...............................................................9
6.3. Markierung der Position einer mobilen Station.........................................9
6.4. Basislinie A - B.....................................................................................9
6.5. Endlosfahrten.....................................................................................10
6.6. Korrektursignale.................................................................................10
6.7. Zusammenarbeit Traktoranbieter und Lenksystemanbieter....................10
6.8. Übertragung des Steuersignals auf die Traktorsteuerung.......................10
6.9. Kostenpflichtiges Korrektursignal von swisstopo....................................10
7. Vorteile der GPS-Parallelfahrsysteme......................................................11
8. GPS-gelenkte Traktoren und Arbeitssicherheit.........................................12
8.1. GPS-gesteuerte Lenkassistenz zur Fahrerentlastung..............................12
8.2. GPS-gelenkte Traktoren ohne Fahrer...................................................12
8.2.1. Grundsatz......................................................................................12
8.2.2. Aufgaben des Fahrers auf dem Fahrersitz.........................................12
8.2.3. Anforderungen bei wechselndem Aufenthaltsort des Fahrers..............12
8.2.4. Zusätzliche Anforderungen zur Gewährleistung der Sicherheit.............13
8.2.5. Massnahmen gegen die Überrollgefahr.............................................13
8.3. Vorschriften und Herstellerverantwortung............................................13
Anhang: Anbieter von Parallelfahrsystemen in der Schweiz...........................14
 

Verdankungen

Zur Entstehung dieser Flugschrift haben in zahlreichen Gesprächen und Betriebsbesichtigungen verschiedene Personen in verdankenswerter Weise beigetragen. Besonders bedanken möchten wir uns bei: Hubert Bollhalder - ART Tänikon, Reto Huber - Steinmaur, Marius Frei - Warth, Andreas Wiedmer - Hornussen, Werner Rüttimann und Bruno Sticher - Eschenbach, Felix Schmidt - Felben/Wellhausen, Michele Giurgola - Heerbrugg, Toni Schmid - Schaffhausen, Hansruedi und Björn Hänni - Frauenfeld, Gerhard Ziehli - Lyss, Simon Forster - Stettfurt, Ivo Pfammatter - Othmarsingen, Dominique Buesser - Dinhard, Walter Remund - Rizenbach, Thorsten Bank - Grünberg/Harbach (D), Christian Kirchhoff und Kristian Brubacher - Vaihingen/Enz (D), Stefan Platzdasch (Firma Reichhardt GmbH, Steuerungstechnik) - Hungen (D).
Diese Arbeit entstand im Rahmen von ProfiGemüse CH, einem integrierten Projekt von ProfiCrops. ProfiCrops ist ein fachübergreifendes Forschungsprogramm der eidgenössischen landwirtschaftlichen Forschungsanstalten Agroscope.
 

1. Einleitung

 
Die Positionsbestimmung und Navigation von Flugzeugen, Schiffen und landgebundenen Fahrzeugen mittels Global Navigation Satellite Systemen (GNSS) ist heute zur Selbstverständlichkeit geworden. Mähdrescher und Traktoren im Ackerbau werden mit auf GNSS basierender Lenk- und Führungstechnologie eingesetzt. In Ländern wie beispielsweise Holland, Dänemark, Deutschland und Australien sind GNSS-Lenksysteme auch im Feldgemüsebau nicht mehr wegzudenken. Im schweizerischen Feldgemüsebau haben erst in den letzten Jahren einige wenige Betriebe Lenksysteme angeschafft. Erste Erfahrungen im praktischen Einsatz dieser Technologie liegen vor. Eine Reihe von Firmen ist daran, ihr Angebot an Lenksystemen und Dienstleistungen für den Schweizer Markt auf- und auszubauen und teilweise auch an die besonderen Bedürfnisse der Gemüsebranche anzupassen. Die vorliegende, gemeinsam von ACW Wädenswil, ART Tänikon und BUL Schöftland erarbeitete Flugschrift ist als Einstiegs- und Orientierungshilfe konzipiert. Sie soll Gemüseproduzenten sowie kantonalen Beratern und weiteren Fachleuten, die sich näher mit präzisen Lenksystemen befassen wollen, eine einführende, neutrale Informationsbasis bieten. Sie will und kann ein eingehendes Beratungsgespräch zwischen anbietender Firma und Gemüseproduzent nicht ersetzen, soll aber ein Basisrüstzeug vermitteln, um die fachlich vertiefte Diskussion mit möglichen Anbietern zu erleichtern und zu verbessern.
 

2. Welche Technologien stehen zur Verfügung

 
2.1. Global Navigation Satellite Systems (GNSS)
Globale Satellitennavigationssysteme (GNSS) werden heute von den USA unter dem Namen GPS (Global Positioning System) sowie von der Russischen Föderation unter der Kurzbezeichnung GLONASS (Globalnaja Nawigazionnaja Sputnikowaja Sistema) betrieben. Zwei weitere Systeme sind im Aufbau begriffen, nämlich das europäische GALILEO und das chinesische COMPASS. Heutige Empfänger für Satellitensignale sind meist mit hochmodernen schnellen Chips ausgerüstet, welche GPS und zum Teil GLONASS Signale empfangen und verarbeiten. Basierend auf diesen aus rund 20'000 km Entfernung erhaltenen Signalen errechnet der Empfänger seine Position auf 3 bis 10 Meter genau. In der Regel werden in Ergänzung zu den GPS und GLONASS Signalen noch die Korrektursignale des EGNOS Satelliten empfangen, welcher sich geostationär südwestlich von Europa über dem Äquator befindet. Dank des kombinierten Empfangs all dieser kostenlos erhältlichen Signale werden Positionsgenauigkeiten von circa ± 30 cm erreicht, was für einige landwirtschaftliche Arbeiten (Dünger, Kompost streuen, Herbizid spritzen) ausreichend ist. Zu beachten ist, dass diese Genauigkeit meistens, nicht aber zwingend immer, erreicht wird und nur innerhalb von 15 Minuten wiederholbar ist.

2.2. Genaue GPS - Positionierung mit kostenpflichtigem Korrektursignal
Bei diversen Arbeiten im Feldgemüsebau wie Pflanzbeetvorbereitung, Setzen, Hacken, Bandapplikation von Düngern oder Pflanzenschutzmitteln ist es vorteilhaft, wenn die entsprechenden Arbeitsgeräte mit hoher Genauigkeit eingesetzt werden. Pflanzbeete beispielsweise sollen parallel zueinander mit maximalen Abweichungen vom Sollabstand von 3 - 5 cm angelegt werden. Damit dieser hohe Genauigkeitsanspruch zuverlässig erfüllt werden kann, müssen die Satellitenpositionsdaten durch zusätzliche Information von Bodenstationen korrigiert werden. Man spricht von RTK-(Real Time Kinematik = Echtzeitkinematik) Systemen. Diese Korrektursignale können entweder von einer Basisstation ausgesendet werden, welche permanent auf einem hohen Gebäude des Produzenten oder des Landmaschinenhändlers installiert ist, oder von einer mobilen Basisstation, die am jeweiligen Feldrand aufgestellt wird, Bei Funkübermittlung des Korrektursignales muss zwischen Traktor und Basisstation eine Sichtverbindung bestehen und die Entfernung darf ohne Genauigkeitsverlust, abhängig vom Hersteller, nicht mehr als etwa 5 - 20 km betragen.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass mit einer hofeigenen Basisstation gearbeitet wird, deren Korrektursignal nicht via Funk direkt zum Traktor geschickt wird, sondern über den hofeigenen Computer via Internet und Traktormodem an das Lenksystem geschickt wird. Diese Übertragungsart des Korrektursignals wird zuweilen als zuverlässiger beschrieben, hat aber auch die Distanzbegrenzung von 20 - 25 km zu berücksichtigen. Für Einzelbetriebe oder Lohnunternehmer,
welche weit auseinanderliegende Felder allenfalls noch getrennt durch Waldstücke oder Hügel präzise bearbeiten wollen, ist das Arbeiten mit Basisstation und Funkverbindung meist nicht geeignet. Hier kann das Korrektursignal von swisstopo oder von einem lokalen Anbieter gebührenpflichtig via Natelnetz empfangen werden. Swisstopo betreibt ein landesweites, fest installiertes Netz von Bodenstationen, welche genaue Korrektursignale erzeugen. Mit den swisstopo Bodenstationen und den in der Schweiz dicht aufgestellten Mobilfunkantennen steht landesweit ein zuverlässiges Korrektursignal überall dort zur Verfügung, wo Natelempfang gegeben ist. Die in den Lenksystemen auf dem Traktor verbaute hochwertige Natel-empfangstechnik ist oft auch dann noch auf Empfang, wenn mit dem einfachen, handgehaltenen Mobiltelefon kein Netz mehr verfügbar ist.
Bei den satellitengebundenen Korrektursignalen von Omnistar und Starfire wird ein Genauigkeitsbereich von 10 - 20 cm erreicht. Auf diese wird hier nicht näher eingetreten, da diese Genauigkeit im Gemüsebau meistens unzureichend ist.
Welche technische Variante für den Empfang des Korrektursignals gewählt wird, hängt von den betrieblichen Gegebenheiten ab, muss also von Fall zu Fall abgeklärt werden. Unabhängig davon welche Variante gewählt wird ist zu beachten, dass kein System jederzeit eine absolut 100-prozentige Sicherheit der Signalübertragung garantieren kann. Kurzfristige Unterbrüche im Satelliten- und Korrektursignalempfang können vorkommen bedingt durch das Geländerelief, den Geländebewuchs (Bäume, Hecken Richtung Süden) und technische Gründe.

2.3. Lokale Positionierung (LPS)
Die präzise Führung eines Arbeitsgerätes (z.B. Pflanzen von Setzlingen, Hacken, Reihendüngung, Bandspritzung) in bestehenden Kulturen, oder das präzise Führen einer Karottenerntemaschine entlang einer vorhandenen Pflanzreihe kann durch Sensoren erfolgen, welche Dämme, Furchen oder bestehende Pflanzreihen direkt abtasten. Als Sensoren kommen auch zwei- bis dreidimensional arbeitende Digitalkameras oder Ultraschall-Sensoren in Frage, welche berührungslos Leitlinien wie Schwaden, Dämme oder Furchen erfassen. Lokale Positionierungssysteme können eine Arbeitskraft z.B. auf dem Hackgerät einsparen und speziell bei langsamen Fahrten sehr gute Resultate erzielen. Voraussetzung ist allerdings, dass dem Sensor eine eindeutige, klar erkennbare Leitlinie zur Verfügung steht und er jeweils entsprechend der auszuführenden Arbeit auf diese kalibriert und justiert wird. LPS-Systeme können je nach Arbeit und Ansprüchen des Produzenten allein oder in Kombination mit GNSS- Systemen eingesetzt werden. Werden LPS-Systeme allein eingesetzt, ermöglichen sie das präzise Führen eines Arbeitsgerätes sofern eine eindeutige Leitlinie vorhanden ist. Ein GPS-Parallelfahrsystem wird zum Anlegen exakt gerader Reihen benötigt. Mit LPS können keine georeferenzierten schlagspezifischen Daten für die computergestützte Schlagkartei erhoben werden.
 
3. Steuerung des Traktors mittels Positionsangabe
Das Positionierungssystem kann dem Fahrer optisch oder/und akustisch die Abweichung des Traktors von der gewünschten Fahrspur melden. Der Fahrer korrigiert dann via Steuerrad die Fahrtrichtung des Traktors. Bei dieser nicht automatischen Fahrtrichtungskorrektur muss sich der Fahrer sehr stark auf die optische und/oder akustischen Signale konzentrieren; er wird nicht entlastet, möglicherweise sogar mehr belastet als bei reiner Handsteuerung ohne Korrektursignal.
Bei den sich vermehrt durchsetzenden, automatischen Steuerkorrekturen wird das Steuersignal entweder via Elektromotor und Gummireibrad auf das Steuerrad des Traktors übertragen, oder es wird direkt in die Lenkhydraulik des Traktors eingegriffen. Bei älteren Traktoren oder beim Einsatz desselben GPS-Lenksystems auf verschiedenen Traktoren des Betriebes bietet die Variante mit Elektromotor und Gummireibrad einen gangbaren Weg. Zu beachten ist allerdings, dass die Übertragung des Steuersignales mit dieser Technik etwas langsamer und weniger präzise ist als bei direktem Eingriff in die Lenkhydraulik. Es vergeht mehr Zeit bis der Traktor auf der gewünschten Linie die Spur aufnimmt.
Bei modernen Traktoren empfiehlt sich in erster Linie ein direkter Eingriff in die Lenkhydraulik, da die neueren Traktormodelle bereits ab Werk entsprechend vorbereitet sind. Die automatische Steuerkorrektur hat den grossen Vorteil, dass der Fahrer stark entlastet wird. Er kann ermüdungsfreier nötigenfalls auch lange Arbeitstage bewältigen und dies auch bei schlechten Sichtbedingungen (Nebel, Dämmerung, Nacht). Statt auf die Lenkung des Traktors kann er sich vor allem auf die Arbeit der Front- und/oder Heck aufgebauten Arbeitsgeräte konzentrieren.
Zuweilen beobachtet man in der Praxis auch, dass der Fahrer vom GPS-gesteuerten, fahrenden Traktor absteigt, um die Arbeit des nachgezogenen Gerätes genauer zu überprüfen oder um dem Personal auf der nachgezogenen Setzmaschine behilflich zu sein. Aus der Sicht des Praktikers ist dieses Verhalten zwar verständlich, doch aus der Sicht der Verkehrssicherheit und der Unfallprävention wird dieses Vorgehen als gefährlich und unzulässig eingestuft, auch wenn sich beispielsweise auf der Setzmaschine ein Notstoppknopf befindet.
Jeder Betreiber eines GNSS-gesteuerten Traktors sollte sich unbedingt mit den jeweils geltenden Verkehrsvorschriften vertraut machen. Ebenso ist die eigene Versicherungssituation für mögliche Unfallereignisse mit der jeweiligen Versicherungsgesellschaft zu klären. Der sichere und fachgerechte Einsatz des GNSS-gesteuerten Traktors liegt voll in der Verantwortung jener Person, auf deren Namen das Fahrzeug registriert ist.
Für weitere neutrale technische Auskünfte wenden Sie sich bitte an Agroscope Reckenholz-Tänikon (Ansprechpersonen: Martin Holpp, Thomas Anken).
 
3.1. Anzeige und Archivierung der Fahr-und Arbeitsdaten
Auf dem Markt wird heute eine grosse Auswahl von Bildschirmen angeboten, welche von kleinen, einfachen Anzeigen bis hin zu grossen, dreidimensionalen Felddarstellungen reichen, auf welchen die aktuell befahrene Spur sowie die bereits abgearbeiteten Fahrspuren angezeigt werden. Je nach Softwareausstattung werden viele weitere Daten angezeigt und, sofern gewünscht, gespeichert (aktuelle Fahrgeschwindigkeit, Arbeitsleistungen der mitgeführten Arbeitsgeräte, ausgebrachte Mengen oder Volumen von Düngern oder Pflanzenschutzmitteln, etc.). Neben den persönlichen Präferenzen des Fahrers in Bezug auf eine mehr oder minder graphische Darstellung der Arbeitsabläufe ist bei der Wahl der Hard- und Software auch zu überlegen, ob schlagspezifische Daten auf dem hofeigenen Computer archiviert und allenfalls im Folgejahr wieder verwendet werden sollen. Je nach Betrieb, Kulturen und Vermarktung kann die schlagspezifische Rückverfolgbarkeit der geleisteten Arbeiten als nützlich oder gar als zwingend nötig eingestuft werden.
 
4. Hinweise zur Auswahl eines Lenksystems
Basierend auf zahlreiche Gesprächen und Arbeitsbeobachtungen der eingesetzten GPS-Systeme bei professionellen Gemüsebaubetrieben wird hier versucht, die wichtigsten bisherigen Praxiserfahrungen mit Parallelfahrsystemen zusammenzufassen.
Gemüseproduzenten, die sich mit dem Gedanken tragen, eine moderne Lenkhilfe anzuschaffen, wird empfohlen vor einem ersten Gespräch mit einem potentiellen Anbieter eines Lenksystems die folgenden Punkte abzuklären.

4.1. Lage der Felder
  • Wie liegen die Felder, auf welchen das GPS-Lenksystem eingesetzt werden soll in Bezug zueinander und in Bezug zum Betriebsgebäude?
  • Sind die Felder gut arrondiert und liegen sie nicht weiter als 20 bis 25 km vom Betriebsgebäude weg?
  • Besteht freie Sichtverbindung auf die Felder oder sind diese durch Waldstücke, Hügelzüge oder höhere Gebäudekomplexe getrennt?
Eventuell auf einer topographischen Karte einzeichnen, wo die zu bewirtschaftenden Felder liegen.

4.2. Qualität des Signalempfanges
  • Ist auf allen mit GPS-Lenksystem zu bearbeitenden Feldern ein guter GPS- und Mobiltelefon(GMS)-Empfang gewährleistet?
    Der GPS-Empfang kann fürs Erste mit einem handelsüblichen GPS-Handgerät in den einzelnen Feldern überprüft werden; besonders kritisch können Feldpartien in der Nähe von Waldrändern oder Talsohlen zwischen hohen Hügelzügen sein. Der GPS-Empfang ist allgemein umso besser, je grösser die Anzahl empfangener Satelliten und die frei sichtbaren Himmelsabschnitte über den Horizonten in allen Himmelsrichtungen, insbesondere aber gegen Süden und Westen sind.
    Der GMS-Empfang ist dann wichtig, wenn das Korrektursignal via die Mobilfunkantennen empfangen werden soll. Der GMS-Empfang kann mit einem handelsüblichen Mobiltelefon in den einzelnen Feldern getestet werden.
  • Zeigt das Gerät überall gute Empfangsqualität an oder gibt es Felder oder Feldpartien, die in einem „Funkloch" liegen?
    Empfehlenswert, da genauer als diese grobe Prüfung mit einem handelsüblichen Mobiltelefon, ist jedoch eine Abklärung durch den gewählten Vertriebspartner.
4.3. Einarbeitungszeit
  • Bin ich als Betriebsleiter (oder einer meiner Mitarbeiter) bereit, mich mit dieser relativ neuen Technologie auseinanderzusetzen, mich damit anfangs eingehend und später bei Bedarf zu befassen?
    Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass je nach gewähltem System und Vorkenntnissen der bedienenden Person mindestens zwei bis drei Tage Einarbeitungszeit zur Verfügung stehen müssen. Ein gewisses Verständnis für die Technologie sowie der praktische Umgang mit dem System müssen durch praktische Übung erworben werden. Einzelne Anwender haben angegeben, dass die Traktorführer eine einwöchige Schulung und Einarbeitungszeit benötigten.
4.4. Welche Einsätze des Lenksystems sind vorgesehen?
  • Welche Arbeiten sollen mit dem Lenksystem heute und möglicherweise in Zukunft bewältigt werden?
  • Soll nur ein Erntegerät präzise entlang einer Pflanzreihe geführt werden, oder sind geradlinige Anlagen von Pflanzbeeten mit präzisen Anschlussfahrten für die Nachbarbeete erwünscht?
  • Wird das System auch eingesetzt um den Traktor mit der Setzmaschine bei Langsamfahrten von weniger als 1 km/h präzise und führerlos zu steuern?
  • Möchte ich auf meinem Betrieb heute schon oder später die Parzellen und die darauf geleisteten Arbeiten durch das eingesetzte System erheben und im hofeigenen Computer verarbeiten und speichern (elektronische Schlagkartei)?
  • Steht die Anschaffung eines neuen Traktors ohnehin an, sodass ein Produkt gewählt werden kann, bei welchem die nötigen Vorinstallationen für ein GPS-Lenksystem schon vorhanden sind, oder ist das System möglichst günstig an alte Traktoren anzupassen? 

5. Wahl des Systems und des Anbieters

Die in dieser Weise getroffenen Vorabklärungen liefern die Grundlagen und Überlegungen für die Wahl des Systems und des Anbieters. In der Tabelle im Anhang sind einige wichtige Anbieter, deren Lieferanten und Handelspartner aufgeführt. Ebenso wichtig wie die technische Eignung des zu wählenden Systems bezüglich der eigenen Bedürfnisse ist der Service und die Beratung, die der Anbieter vor allem während der Hauptsaison zuverlässig und rasch zu leisten vermag. Die geographische Nähe eines Anbieters zum eigenen Betrieb kann ein weiterer Vorteil sein. Günstig ist, wenn der Anbieter sich nicht nur mit GPS-Systemen im Ackerbau befasst hat sondern auch die spezifischen Bedürfnisse des Gemüsebaus kennt und auf diese professionell eingeht. So hat sich beispielsweise gezeigt, dass nicht alle angebotenen GPS-Lenksysteme auch bei Fahrgeschwindigkeiten unter 1 km/h einwandfrei arbeiten; zugleich werden bei einigen Firmen die Produkte aber laufend verbessert. In einem Beratungsgespräch zwischen Anbieter und potentiellem Käufer müssen die Bedürfnisse des Betriebes eingehend besprochen werden, damit klar wird ob der Anbieter den Wünschen des Kunden wirklich entsprechen kann. Bei den Preisverhandlungen ist für ein Lenksystem mit einer Empfangsgenauigkeit von ±2.5 cm von anfänglichen Investitionskosten von circa 30'000 bis 40'000 Franken auszugehen, wobei hier sorgfältig schriftlich aufzulisten ist, welche Hardware, Software und Serviceleistungen im Anfangspaket enthalten sind und welche allfälligen Service- und Beratungskosten später noch dazu kommen. Wird für ein RTK-System das Korrektursignal von swisstopo oder einem anderen, lokalen Anbieter bezogen, sind die entsprechenden aktuellen Gebühren für das Korrektursignal und die Mobiltelefonie pro Traktor und Zeiteinheit vorgängig abzuklären.
Bei ernsthaft interessierten Kunden sind Anbieter unter Umständen bereit, dem Kunden einen bereits ausgerüsteten Traktor für einige Tage zu Probezwecken zu überlassen. Entsprechende Angebote sollten genutzt werden, da damit eine bessere Entscheidungsgrundlage für oder gegen einen Kauf gelegt wird. Zudem können die eigenen Ansprüche ans System klarer erkannt und auftretende Fragen geklärt werden.
 

6. Praktische Erfahrungen im Feldgemüsebau

 
6.1. Installation des Empfängers
Die Installation und korrekte Inbetriebnahme des GPS-Empfängers sowie der Positions-Sensoren in Bezug auf die horizontale und vertikale Achse des Traktors, des Bordrechners und der allfällig nötigen Mobiltelefonantenne müssen fachgerecht vorgenommen werden. Laienhafte Bastelarbeiten führen zu unliebsamen Störungen und entsprechenden Arbeitsunterbrüchen. Die Antenne des GPS-Empfängers muss über sich eine 180°-Halbkugel freien Himmels haben, was bedeutet, dass die Antenne auf dem Traktordach oder allenfalls auf einer erhöhten Plattform über dem Traktordach zu montieren ist, damit ein hoher nachgezogener Wagen nicht zur Signalbehinderung wird!

6.2. Abdrift nachgezogener Geräte
Bei Betrieben, welche Felder in Hanglagen mit dem GPS-Lenksystem bewirtschaften wollen, hat sich gezeigt, dass der Traktor, auf dessen Dach die Antenne(n) für den GPS-Empfang installiert sind, zwar spurgetreu durch das System gelenkt wird, dass hingegen ein nicht an der Dreipunktaufhängung montiertes sondern nachgezogenes, grösseres Arbeitsgerät (z.B. 6 m breite Sämaschine) unter Umständen seitlich in Hangneigung leicht abdriftet. Es ist abzuklären, ob diese Drift durch eine entsprechende Korrektureingabe beim Lenksystem genügend kompensiert werden kann. Möglicherweise muss eine mit zusätzlichen Kosten verbundene Lösung (Zusatzantenne) gesucht werden, um das Anbaugerät spurgetreu zu betreiben. Allenfalls kann auch ein Verstellrahmen das Anbaugerät mit der nötigen Präzision führen.

6.3. Markierung der Position einer mobilen Station
Beim Arbeiten mit einer mobilen Basisstation, welche am jeweiligen Feldrand postiert ist, wird empfohlen, die Position der Station im Feld genau zu markieren, damit bei allfälligen Arbeiten im selben Feld am Folgetag die Basisstation wiederum genau gleich positioniert werden kann. Weiter ist darauf zu achten, dass die Basisstation mit ausreichend geladenem Akkumulator etwa 10 bis 15 Minuten vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn platziert und eingeschaltet wird, damit bei Arbeitsbeginn bereits ein guter Satellitenempfang hergestellt ist.

6.4. Basislinie A - B
Bei Arbeitsbeginn auf einem Feld wird üblicherweise von Hand gesteuert eine mindestens 50 Meter lange Basislinie von A (Anfang Feld) nach B (Ende Feld) gefahren. Diese wird vom System abspeichert. Anschliessend wird durch die Eingabe des Befehls „Identische Linie" beim System veranlasst, dass der Traktor parallel zur anfänglich gezogenen A - B Linie fährt. Nach mehrstündigem Arbeitsunterbruch empfehlen einzelne Anwender erneut eine manuell gesteuerte A - B Linie zu fahren und im System abzuspeichern. Danach können wiederum Parallelfahrten durchgeführt werden. Diese Massnahme ist jedoch nicht in jedem Falle zwingend.
 
6.5. Endlosfahrten
Besonders bei Systemen, welche mit einem übersichtlichen Monitor ausgerüstet sind, der die zu bearbeitenden und die bereits abgearbeiteten Arbeitsbreiten graphisch anzeigt, können zeitaufwendige Wendemanöver an den jeweiligen Enden des Feldes vermieden werden. Bedingung ist, dass das Vorgewende ausreichend Platz bietet. In diesem Falle können vorerst die Arbeitsbreiten 1 - 3 - 5 - 7 - 9 bearbeitet werden und anschliessend die noch fehlenden Arbeitsbreiten 8 - 6 - 4 - 2.

6.6. Korrektursignale
Je nach betriebsspezifischen Bedingungen sind unterschiedliche Erfahrungen mit den verschiedenen Korrektursignalen und Signalübertragungen gemacht worden. Während die einen für Arbeitsgenauigkeiten von 20-30 cm mit dem Egnos-Signal gut arbeiten können, haben andere dieses Signal als eher sprunghaft und unzuverlässig bezeichnet. Auch bei der Funkübertragung der Korrektursignale an den Traktor sind die einen mit ihrer Basisstation am Feldrand oder auf dem Betriebsgebäude zufrieden, während andere die Funkverbindung als unzuverlässig einstufen. Sie haben deshalb zum Korrektursignalbezug von swisstopo oder zum Korrektursignal ab Basisstation via Internet auf das internetfähige Mobiltelefon gewechselt. Jeder Betrieb muss für seine Bedingungen und Anforderungen das geeignete System finden und erproben; mit einer gewissen Erprobungs- und Einarbeitungszeit muss wohl realistischerweise stets gerechnet werden.

6.7. Zusammenarbeit Traktoranbieter und Lenksystemanbieter
In Zukunft dürften wahrscheinlich die Anbieter von GPS-Lenksystemen noch enger mit ausgewählten Traktorherstellern zusammenarbeiten und dem Kunden erprobte Systeme und Systemeinstellungen anbieten können. Zur Zeit ist noch nicht bei allen Traktorherstellern klar zu erkennen, mit wem sie definitiv zusammenarbeiten werden und welche Anbieter sich im Markt durchsetzen. Für den Gemüseproduzenten ist bei der Wahl des Anbieters vor allem entscheidend, dass dieser ein GPS-Lenksystem mit einem massgeschneiderten, zuverlässigen Service anbietet, der bei unerwarteten Systemausfällen rasch und wirkungsvoll beraten kann, und dies nicht nur von Montag bis Freitag, sondern jederzeit wenn Wetter und Arbeitsbedingungen es erfordern. Leica Geosystems bietet bisher als einziger Anbieter eine Online-Ferndiagnose (Virtual Wrench) und eine entsprechende Beratung via Mobiltelefon an. Mit einem direkten Zugriff auf die Konsole des Bordcomputers können beim Kunden Fehlmanipulationen oder Fehleinstellungen rasch behoben werden.

6.8. Übertragung des Steuersignals auf die Traktorsteuerung
Bei der Übertragung des Steuersignals auf die Lenkung des Traktors hat sich gezeigt, dass die Variante mit Elektromotor und Gummi-Reibrad nur für Fahrgeschwindigkeiten im Bereich von etwa 1-5 km/h taugt; bei höheren Fahrgeschwindigkeiten ist dieses System überfordert. Für Arbeiten, die mit deutlich mehr als 5 km/h erledigt werden, sollte das Steuersignal direkt auf die Lenkhydraulik des Traktors zugreifen, was bei modernen Traktoren meistens der Fall ist. Etliche GPS-Systeme, die sich im Ackerbau bewährt haben, können möglicherweise präzises Steuern bei Fahrgeschwindigkeiten unter 1 km/h nicht gewährleisten. Hier ist beim Anbieter genau abzuklären, ob das zur Diskussion stehende System in diesem Punkt auch zu genügen vermag. In einzelnen Fällen wurden „Hybridlösungen" realisiert, bei denen Produkte zweier Firmen kombiniert wurden (z.B. Leica Geosystems und Reichardt Steuerungstechnik GmbH).

6.9. Kostenpflichtiges Korrektursignal von swisstopo
Für Grossbetriebe oder Lohnunternehmer kann es sinnvoll sein, das Korrektursignal probehalber für ein Jahr von swisstopo zu beziehen und damit Erfahrungen zu sammeln. Danach lässt sich entscheiden, ob mit diesem kostenpflichtigen Angebot weiter gearbeitet wird, oder ob die Variante mit einer eigenen Basisstation und einer Funk- oder InternetMobiltelefonverbindung getestet werden soll. Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit müssen hier in Einklang gebracht werden, was, nicht immer aber doch oft, erst auf Grund eigener Erfahrungen erreicht wird.
Der Einsatz der GPS-Technologie dürfte sich vor allem bei grösseren Betrieben (über 20 Hektaren) lohnen, und da speziell auf solchen mit möglichst langen Feldern (vorzugsweise mindestens 100 Meter lang).
 

7. Vorteile der GPS-Parallelfahrsysteme 

Nach ein- bis zweijähriger Arbeitserfahrung mit einem GPS-Parallelfahrsystem nannten die Betriebsleiter folgende Vorteile:
  • Der Traktorfahrer kann ermüdungsfreier, länger, besser und oft mit höherer Motivation arbeiten. Die erhöhte Qualität seiner Arbeit, z.B. das Vorbereiten von Pflanzbeeten, wird von den nachfolgenden Arbeitsteams sehr geschätzt.
  • Der Einsatz von Spezialgeräten zum Pflanzen von Setzlingen und zum Hacken zwischen und in den Reihen wird möglich bzw. vereinfacht sich. Bandapplikationen von Düngern und/oder Pflanzenschutzmitteln werden möglich.
  • In Spezialkulturen, zum Beispiel beim Pflanzen von Nüssli-salat, kann selbst der beste Fahrer nicht in einer Stunde 100 Meter wirklich geradlinig abfahren; in solchen Fällen kann ein geeignetes GPS-System wertvolle Dienst leisten.
  • Beim Pflanzen von Gemüsesetzlingen kann der Traktorfahrer das Team auf der Setzmaschine ergänzen, oder er kann die Bereitstellung der Kisten mit Setzlingen bzw. das Entfernen der leeren Kisten übernehmen. Dadurch kann das Team auf der Setzmaschine stressfreier und zügiger arbeiten, was insgesamt zu Zeiteinsparungen bei der Setzarbeit führt. Achtung: Sicherheitsaspekte unbedingt beachten (vgl. Kapitel 8)!
  • Durch geradlinige Beete bzw. Pflanzreihen wird die Einteilung der Felder und die Fahrspureinhaltung einfacher und präziser.
  • Auch bei schwierigen Sichtbedingungen (Nebel, Dämmerung, Nacht) ist ein ermüdungsfreieres, präzises Arbeiten möglich.
  • Es können schlagspezifische Arbeitsdaten vom System erhoben und im hofeigenen Computer verarbeitet, gespeichert und in Folgejahren allenfalls wieder verwendet werden. Die Datenerfassung kann unter Umständen auch bezüglich der Dokumentation von Betriebsabläufen nützlich sein.
  • Die Felder präsentieren sich professionell. Der Betrieb signalisiert, dass er für die Zukunft gerüstet ist. Das Image bei Kunden wird verbessert.
  • Pflanzenschutz- und Düngungsmassnahmen werden präziser, wodurch Überlappungen von Arbeitsbreiten vermieden werden, was bei grösseren Betrieben zu spürbaren Kosteneinsparungen führt. Bei Herbizidanwendungen werden Kulturschäden durch Überlappungsspritzungen verhindert. Rückstandslimiten können zuverlässiger eingehalten und die ausgeführten Spritzarbeiten sauber dokumentiert werden
 
Weiterführende Informationen  

8. GPS-gelenkte Traktoren und Arbeitssicherheit

 
Diese Information wurde von der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) verfasst. Die aufgeführten Sicherheitsaspekte sind unbedingt zu beachten.
 
Bei der Beurteilung der Arbeitssicherheit im Zusammenhang mit dem Einsatz von GPS-gelenkten Traktoren müssen zwei Einsatzvarianten betrachtet werden: Einerseits die Fahrerentlastung durch GPS-gesteuerte Lenkassistenz und andererseits führerlose, GPS-gelenkte Traktoren. Um die Arbeitssicherheit zu gewährleisten, sind unterschiedliche Minimalanforderungen einzuhalten.

8.1. GPS-gesteuerte Lenkassistenz zur Fahrerentlastung
Die automatische Steuerkorrektur hat den Vorteil, dass der Fahrer entlastet wird. Statt auf die Lenkung des Traktors kann er sich vor allem auf die an Front und/oder Heck aufgebauten Arbeitsgeräte konzentrieren.
Unabhängig, ob die Lenkassistenz direkt in die Lenkhydraulik eingreift oder ob dazu Lenkmotoren beim Lenkrad ansetzen, muss ein Eingreifen des Fahrers in die Lenkung immer möglich und der Lenkassistenz übergeordnet sein. Die ISO-Norm 10975:2009 stellt Sicherheitsanforderungen für lenkunterstützende Systeme auf, unabhängig ob die Lenkimpulse durch ein GPS- oder einen Spuradapter erfolgen. Auszugsweise sind nachfolgend einige Anforderungen zitiert:
  • Mit Lenkunterstützung ausgestattete Traktoren und selbstfahrende Maschinen benötigen einen Fahrer am Fahrerplatz. Deshalb ist eine Fahrerpräsenzüberwachung (OPC: operator presence control, z. B. ein Sitzkontaktschalter) erforderlich. Verlässt der Fahrer seinen Platz, muss sich die Lenkassistenz nach spätestens 10 Sekunden ausschalten.
  • Der Fahrer muss durch eine optische Anzeige informiert sein, ob die Lenkunterstützung ,aktiv', ,bereit' oder ausgeschaltet' ist. Ohne bewusstes Einschalten des Fahrassistenten muss das System immer ausgeschaltet bleiben. Beim Umschalten in oder aus dem Aktivmodus muss der Fahrer durch ein akustisches Signal informiert werden.
  • Interveniert der Fahrer im aktiven Lenkmodus durch eine rasche Lenkbewegung von mehr als 50°/s oder eine Lenkbewegung am Steuerrad von mehr als 30°, beides bei einer Lenkkraft von max. 250 N, muss das System den Aktivmodus verlassen.
  • Bei ungenügend starkem oder fehlendem Lenkimpuls, zum Beispiel beim Ausfall des GPS-Signals, muss der Aktivmodus umgehend verlassen werden.
 
8.2. GPS-gelenkte Traktoren ohne Fahrer

8.2.1. Grundsatz

Der sichere Einsatz von Traktoren und deren angebauten oder gezogenen Maschinen basiert grundsätzlich darauf, dass sie von Fahrern gelenkt und bedient werden. Neuere Traktoren sind mit einer Fahrerpräsenzüberwachung (OPC: operator presence control) ausgerüstet, welche diesen Grundsatz unterstützt. Es existieren noch keine Traktoren auf dem Markt, die in der Originalausrüstung vom Traktorhersteller für den führerlosen Einsatz vorgesehen und dafür freigegeben sind.
Wenn ein Traktor mit GPS-Lenkung dennoch umgebaut wird, damit der Fahrer seinen Platz verlassen kann, sind umfangreiche Sicherheitsanforderungen einzuhalten. (vergleiche Kapitel 8.2.3)

8.2.2. Aufgaben des Fahrers auf dem Fahrersitz
Neben dem Lenken hat der Fahrer eines Traktors die Verantwortung, in unvorhersehbaren Situationen sofort, richtig und sicher einzugreifen. Mit dem Eintreffen solcher (Not)-situationen ist immer zu rechnen!
Die geringe Geschwindigkeit von unter 1 km/h bei vielen Arbeiten im Gemüsebau ist kein Argument, um die Aufgaben des Fahrers einem GPS-gesteuerten Lenksystem zu übertragen. Alle wichtigen und insbesondere sicherheitsrelevanten Funktionen müssen beim führerlosen Traktor verlässlich und sicher von einer zuvor bestimmten Person oder von zuverlässig funktionierenden technischen Hilfsmitteln übernommen werden. Erst dann und unter Einhaltung der nachfolgend beschriebenen Voraussetzungen, kann das Verlassen des Fahrersitzes in Betracht gezogen werden.

8.2.3. Anforderungen bei wechselndem Aufenthaltsort des Fahrers
A) Fahrer auf dem Traktorsitz oder auf dem Arbeitsgerät
Der Fahrer behält, auch wenn er den Traktorsitz verlässt, die Verantwortung für das Fahren, Regeln und Agieren in Notsituationen. Er soll also nicht zusätzlich auf dem Arbeitsgerät Überwachungsverantwortung übernehmen.
B) Bedienungspersonen auf dem Arbeitsgerät
Eine andere Bedienungsperson als der Fahrer trägt die Verantwortung für den vorgesehenen Ablauf auf dem Arbeitsgerät. Je nach Bedarf kann sie von weiteren Personen unterstützt werden.
C) Bedienung des Traktors vom Arbeitsgerät aus
Der Fahrer muss nach Verlassen des Fahrersitzes auch von seinem Platz auf dem Arbeitsgerät aus alle notwendigen Steuerbefehle zur Verfügung haben, wie zum Beispiel Heben und Senken der Hydraulik, Ein- und Ausschalten des Zapfwellenantriebs, Anhalten des Traktors usw..
 
8.2.4. Zusätzliche Anforderungen zur Gewährleistung der Sicherheit
Die nachfolgende Auflistung der Mindestanforderungen an die Sicherheit ist nicht komplett. Sie wird aufgrund neuer Erkenntnisse und technischer Möglichkeiten sowie angesichts neuer Vorschriften und Normen laufend angepasst.
  • Ein Not-Halt, bei dem sowohl die Fahrbewegung des Traktors wie auch alle Antriebe am Arbeitsgerät stillgesetzt werden, muss nicht nur vom Fahrer selbst ausgelöst werden können sondern von jedem Arbeitsplatz aus möglich sein, z. B. durch mehrere Not-Halt-Taster oder eine für jede Person zugängliche Reissleine.
  • Beim Unterbruch des GPS-Signals muss der Traktor anhalten. Weiter gelten die Anforderungen von ISO 10975 (siehe Kapitel 8.1.). Die maximale Fahrgeschwindigkeit muss auf 5 km/h begrenzt sein.
  • Alle Sicherheitsfunktionen des Traktors, wie die Betätigung der Kupplung, das zuverlässige Bremsen beim Anhalten und das Lösen der Bremsen beim Anfahren müssen vom Fahrer auf dem Arbeitsgerät ausgelöst werden können.
  • Lenkbewegungen müssen möglich sein und das GPS-Lenksystem mit höherer Priorität übersteuern.
  • Alle manuell oder automatisch ausgeschalteten Steuerfunktionen dürfen nur durch eine beabsichtigte Betätigung wieder in Gang gesetzt werden.
  • Alle elektrischen und elektronischen Komponenten müssen den anwendbaren Normen über sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen entsprechen, z. B. EN ISO 13849-1. Beim Einschalten solcher Komponenten muss ein automatischer Funktionstest ablaufen. Sicherheitsrelevante Steuersysteme müssen denjenigen des Arbeitssystems übergeordnet sein.
8.2.5. Massnahmen gegen die Überrollgefahr
  • Um zu verhindern, dass der abgestiegene Fahrer oder Drittpersonen überrollt werden können, müssen vorne am Traktor und an den seitlich überstehenden Maschinenteilen Tastbügel angebracht werden, die das Fahrzeug bei Auslösung sofort anhalten. Die Bügel sollen möglichst weit unten befestigt sein. Die horizontale Distanz zwischen Bügel und Räder muss grösser sein als der längste Anhalteweg.
  • Der Fahrer muss Fahr- und Antriebsbewegungen stoppen, wenn er seinen Platz zwischen Traktor und Arbeitsgerät wechselt. Erst von seinem neuen Platz aus setzt er das Arbeitsgerät wieder in Bewegung.
  • Es ist empfehlenswert, dass der Fahrer durch Kamera und Display informiert wird über Gefahren vor dem Traktor.
  • Vor Arbeitsbeginn mit GPS-gelenkten Traktoren müssen alle Sicherheitsfunktionen geprüft werden.
  • Im Umgang mit GPS-gelenkten Traktoren darf nur speziell geschultes Fahrpersonal eingesetzt werden.
 
8.3. Vorschriften und Herstellerverantwortung
Es gibt noch keine konkret formulierten Normen und Vorschriften für die Arbeitstechnik, bei welcher GPS-gelenkte Traktoren eingesetzt werden und sich der Fahrer sowohl auf dem Traktor als auch auf dem Arbeitsgerät aufhalten kann.
Es gelten aber die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der EU-Richtlinie 2006/42/EG (Maschinenrichtlinie). Diese bauen auf einer Risikobeurteilung auf und müssen von den Anbietern solcher Arbeitstechniken eingehalten und mit einer Konformitätserklärung bestätigt werden.
Der Inverkehrbringer bzw. der Erbauer eines GesamtSystems muss die grundlegenden Sicherheitsmassnahmen kennen und einhalten. Der Anbieter (Verkauf und Montage) bestätigt mit seiner Unterschrift in der Konformitätserklärung die Kenntnis und Einhaltung aller geltenden Vorschriften.
Der Betriebsleiter darf nur Systeme anwenden, bei denen die Anforderungen eingehalten und mittels Konformitätserklärung vom Anbieter bestätigt wurden.
In der Schweiz steht die Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL, www.bul.ch und info@bul.ch ) für weitere Auskünfte gerne zur Verfügung.
 
Anhang: Anbieter von Parallelfahrsystemen in der Schweiz
(Stand Februar 2011)
 
Impressum
 
Herausgeberin: Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW
    Extension Gemüsebau
    Schloss, Postfach 1, 8820 Wädenswil, Schweiz
    Telefon 044 783 61 11, Fax 044 780 63 41
    www.gemuesebau.agroscope.ch
Text: Jacob Rüegg, René Total,
    Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW
    Martin Holpp, Thomas Anken,
    Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART
    Thomas Bachmann, Beratungsstelle für Unfallverhütung in der
    Landwirtschaft (BUL), 5040 Schöftland, Schweiz
Layout: Brigitte Baur
Fotos: Jacob Rüegg
Titelbild: Maschinelles Pflanzen von Salatsetzlingen. Der Traktor erhält via
    Funkverbindung die für präzises Parallelfahren nötigen Korrektur-
    signale von der Basisstation, welche auf dem Dach des Betriebs-
    gebäudes installiert ist; Felddistanz zum Gebäude in diesem Falle
    1 km.
Copyright: Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Weiterpublikation auch auszugsweise nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet

Medium

Firmen verfügen über ein umfassendes Wissen zur Technik im Obst- und Weinbau, welches sie auch auf dieser Plattform zur Verfügung stellen.
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