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Ausdünnmaschinen, 17.04.2012

MECHANISCHE AUSDÜNNUNG IM OBSTBAU

Die Behangsregulierung im Apfelanbau ist eine der wichtigsten Kulturmassnahmen zur Produktion qualitativ hochwertiger Früchte und zur Vermeidung der Alternanz.

1. Einleitung

Die Behangsregulierung im Apfelanbau ist eine der wichtigsten Kulturmassnahmen zur Produktion qualitativ hochwertiger Früchte und zur Vermeidung der Alternanz.
Die Wirkung der Ausdünnmassnahmen beeinflusst den Ertrag, die innere und äussere Fruchtqualität, den Aufwand für die Handausdünnung, die Ernteleistung und den Blütenansatz im Folgejahr. Deshalb hat die Ausdünnung einen entscheidenden Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Produktion. In der Schweiz ist wegen der breiten Palette von bewilligten Wirkstoffen die chemische Ausdünnung dominierend. In vielen europäischen Ländern stehen weniger Ausdünnmittel zur Verfügung oder die künftige Zulassungssituation ist sehr unsicher. Deshalb werden vermehrt Ausdünnmaschinen eingesetzt.
Die positiven Erfahrungen in verschiedenen Anbaugebieten, beispielsweise im deutschen Bodenseeraum, aber auch die witterungsbedingt schwankenden Wirkungen der chemischen Mittel haben dazu geführt, dass die maschinelle Ausdünnung als Alternative auch im Schweizer Obstbau zunehmend auf Interesse stösst. Nachfolgend ist die aktuelle Situation aufgrund von Praxiserfahrungen, Versuchsberichten und Publikationen aus dem In- und Ausland zusammengefasst.
 

 2. Ausdünnmaschine „Tree-Darwin“

 
Das Darwin-Gerät wurde 1990 von Hermann Gessler, Friedrichshafen, entwickelt und in den letzten Jahren von der Firma Fruit-Tec in Markdorf laufend weiter verbessert (Abb. 1). Mit den an einer senkrechten, rotierenden Spindel montierten Plastikschnüren werden einzelne Blüten oder Blütenbüschel abgeschlagen. Seit 2009 ist die Maschine mit neuen Spritzgussfäden ausgerüstet, die eine bessere und schonendere Ausdünnung bis ins Kroneninnere bringen, weniger Holzschäden verursachen und zudem eine längere Haltbarkeit aufweisen (Abb. 2). Mit den 60 cm langen Fäden können Kronen bis 1.20 m Durchmesser bis ins Innere ausgedünnt werden. Grössere Bäume mit stärkeren Seitenästen werden nur im äusseren Kronenbereich ausgedünnt und sind nicht geeignet. Die Maschine ist je nach Arbeitshöhe mit 216 (Darwin 200) bis 324 (Darwin 300) Schnüren ausgerüstet. In der Regel wird aber eine geringere Anzahl Schnüre eingesetzt. Die Drehzahl wird im Vergleich zur Maschine mit den alten Fäden reduziert. Die Vertretung in der Schweiz: Alois Kaufmann, 9308 Lömmenschwil.
 
[siehe Abbildung 1]: Die Ausdünnmaschine „Tree-Darwin“. Einsatzzeitpunkt, Fahrgeschwindigkeit, Drehzahl der Spindel und Anzahl der Fäden bestimmen das Ausdünnergebnis.
 

Einsatzzeitpunkt

Die Ausdünnmaschine kann grundsätzlich zwischen dem Stadium „Rote Knospe“ bis zur Vollblüte eingesetzt werden. Der optimale Zeitpunkt ist vor der Vollblüte, das heisst wenn die Mittelblüte und zwei bis drei weitere Blüten geöffnet sind. Wenn die Blüten im Büschel getrennt sind, werden einzelne Blüten im Büschel abgeschlagen (Abb. 3). In diesem Blütenstadium kann die Wirkung am besten beurteilt werden. Bei einem früheren Einsatz vor dem Ballonstadium werden mehr Blütenbüschel vollständig entfernt, was bei starker Alternanz ein Vorteil ist. Die Beurteilung der Ausdünnwirkung ist schwieriger. Die späte Ausdünnung bei Vollblüte verursacht mehr Blattschäden, was wegen der Ethylenbildung den Junifall verstärken kann und zudem negativ ist für die Calciumversorgung der Früchte. Die späte Anwendung kann auch zu vermehrten Fruchtdeformationen führen.
Die Maschine kann weitgehend unabhängig von der Witterung eingesetzt werden. Bei feuchten Bedingungen ist mit einer verstärkten Wirkung zu rechnen.
 
[siehe Abbildung 2]: Das „Tree-Darwin“-Gerät ist seit 2009 mit neuen Spritzgussfäden ausgerüstet, die eine bessere und scho-nendere Ausdünnung bis ins Kroneninnere ermöglichen und eine längere Haltbarkeit aufweisen. Für eine optimale Wirkung werden häufig Schnurleisten mit halber Fadenzahl eingesetzt.
 

Einstellung


Fahrgeschwindigkeit
km/h
Drehzahl der Spindel
U/Min.
6 200-240
8 220-260
10 220-280
12 240-290
14 260-300
16 280-320
18 300-340
 
Fahrgeschwindigkeit und Spindeldrehzahl beeinflussen die Ausdünnwirkung. Bei der Einstellung ist die Erfahrung wichtig.
Die Drehzahl muss aber auf die Fahrgeschwindigkeit abgestimmt sein. Als Optimum werden 8 bis 10 km/h und 220 bis 280 U/Min. empfohlen. Je höher die Drehzahl, desto stärker die Wirkung. Wichtig ist auch die richtige Drehrichtung der Spindel, beim Frontanbau rechts im Uhrzeigersinn. Fäden sollen nicht schlagen, sondern im Baum „wirbeln“.
Die Neigung der senkrechten Spindel ist hydraulisch verstellbar und kann der Baumform angepasst werden. Zudem kann die Ausdünnwirkung im oberen und unteren Kronenbereich beeinflusst werden. Das Spindelrohr ist möglichst nahe am Baum zu führen, damit die Fäden auch im Kroneninnern ausdünnen. Die Spindel kann jederzeit an der Steuereinheit in der Traktorkabine gestoppt werden, um schwach blühende Bäume auszulassen.
Es ist zu empfehlen, zu Beginn vorerst ein paar Bäume (10 bis 20 m Reihenlänge) auszudünnen, die Wirkung zu beurteilen und allenfalls die Einstellung zu korrigieren. Bei zu starker Wirkung wird die Spindeldrehzahl reduziert, die Fahrge-schwindigkeit erhöht oder die Anzahl Schnüre verringert, entweder durch Herausschneiden der Fäden oder die Verwendung von Schnurleisten mit halber Schnurzahl. Die durch die mechanische Ausdünnung verursachten Blatt- und Blütenverletzungen können die Ethylenproduktion erhöhen und dadurch den Junifruchtfall fördern. Die Einstelldaten werden notiert und aufgrund des späteren Fruchtansatzes optimiert für den nächstjährigen Einsatz. Diese Erfahrungen sind wichtig für einen optimalen Einsatz.
 

Vor- und Nachteile des Darwin-Gerätes

Vorteile
 kostengünstige Behangsregulierung ohne chemische Hilfsstoffe
 für IP- und Bio-Obstbau geeignet
 längeres Ausdünnfenster
 Einsatz unabhängig von Sorte und Baumalter
 rasch sichtbare Wirkung durch die Reduktion des Blüten-ansatzes
 Verringerung der Alternanz
 unabhängig der Witterung (sollte aber nicht bei Regen eingesetzt werden)
 auch für chemisch schwer ausdünnbare Sorten
 bessere Wirkung der chemischen Ausdünnung, wenn vorgängig mechanisch ausgedünnt wird
 
Nachteile
 nur für schmale Baumformen (max. 1.20 m Kronendurchmesser)
 kein Langholzschnitt
 keine Schnüre oder Gewichte für das Formieren der Äste
 Arbeitshöhe durch Hagelnetze (Querseile, je nach Konstruktion) begrenzt
 Ast- und Blattschäden
 höhere Ethylenbildung und dadurch stärkerer Fruchtfall möglich, Beurteilung des Fruchtansatzes ist erst nach dem Junifall möglich
 Anregung des Triebwachstums, späterer Triebabschluss, erhöhter Befall durch Mehltau, Läuse etc. möglich
 früher Einsatztermin, höheres Spätfrostrisiko
 mögliche Gefahr einer Übertragung von Krankheitserregern (z.B. Feuerbrand)
 
[siehe Abbildung 3]: Der optimale Zeitpunkt für die mechanische Ausdünnung ist vor der Vollblüte. Wenn die Blüten im Büschel getrennt sind, werden einzelne Blüten im Büschel abgeschlagen.
 

Einsatz im Steinobst

Die mechanische Ausdünnung mit dem Darwin-Gerät kommt auch im Zwetschgenanbau in Frage. Voraussetzung sind aber schmale Baumformen wie zum Beispiel das Drapeau-Marchand-System. Breite ausladende Baumformen mit starken Ästen in die Fahrgasse sind nicht geeignet. Die Mehrheit der Zwetschgenanlagen in der Schweiz kommt nicht oder nur sehr bedingt in Frage für die Ausdünnung mit der Darwin-Maschine.
 

3. Ausdünnmaschine „Typ Bonn“

Dieses Gerät wurde an der landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn von Lutz Damerow und Michael Blanke entwickelt. Drei oder vier horizontale, unabhängig voneinander einstellbare Spindeln greifen in die Baumkrone (Abb. 4).
Vorteilhaft sind die flexiblen Einstellmöglichkeiten (Winkel, Drehzahl) und die Anpassung an den Kronenaufbau. Dieses Gerät eignet sich besser für grössere Kronen und damit auch für Steinobst. Die Äste in die Fahrgasse sollten aber eine
einigermassen einheitliche Stellung haben, denn die Spindeln können nicht für jeden Baum eingestellt werden. Die Fahrgeschwindigkeit ist mit 4 bis 7 km/h geringer als mit dem Darwin-Gerät. Die Spindeldrehzahl liegt bei 400 bis 600 U/Min.
Die beim „Darwin“ aufgeführten Angaben bezüglich Einsatzzeitpunkt, Vor- und Nachteile treffen auch für den „Typ Bonn“ zu. In der Schweiz ist zur Zeit (noch) keine Ausdünnmaschine „Typ Bonn“ im Einsatz.
Die mechanische Behangsregulierung mit den beiden traktorbetriebenen Maschinen „Tree- Darwin“ und „Typ Bonn“ ist eine geeignete und vielversprechende Ausdünnmethode, nicht nur im Bio-Obstbau. In der IP steht angesichts der bewilligten Wirkstoffe die chemische Behangsregulierung im Vordergrund. Je nach künftiger Zulassungssituation könnte die mechanische Ausdünnung an Bedeutung gewinnen. Bei schwer auszudünnenden Sorten ist eine Kombination chemischer und mechanischer Methoden denkbar.
Für schlanke Baumformen ist die „Darwin“-Maschine von Vorteil. Das Gerät „Typ Bonn“ kommt für grössere, breiter ausladende Kronen in Frage und damit auch für Steinobst.
 
[siehe Abbildung 4]: Die Ausdünnmaschine „Typ Bonn“ mit drei oder vier horizontalen, verstellbaren Spindeln eignet sich für grössere Baumformen und damit auch für Steinobst. (Foto: DLR Rheinpfalz)
 

4. Handgeführte Ausdünngeräte

Electro’flor
Das batteriebetriebene, handgeführte Gerät „Electro’flor“ wurde vom Obstbau-Forschungszentrum CTIFL in Montpellier (Südfrankreich) und der Firma Infaco entwickelt. Auf einer Teleskopstange ist eine Spindel mit 10 Fäden montiert (Abb. 5 und 6). Die Drehzahl ist von 500 bis 2000 Umdrehungen pro Minute regulierbar. Das Gewicht liegt bei nur 2.4 kg. Die Batterien werden in einem Gilet auf dem Rücken getragen und können auch für elektrische Scheren verwendet werden. Dieses Gerät wird bei Vollblüte eingesetzt und ist geeignet für grössere Baumformen und Hohlkronen, die mit traktorbetriebenen Maschinen nicht ausgedünnt werden können. Das „Electro’flor“ wird vor allem im Steinobst (Pfirsich, Aprikosen, Zwetschgen, Kirschen) eingesetzt. Für Kirschen müssen die Fäden auf die Hälfte ihrer Länge gekürzt werden. Mit diesem Gerät können gezielt Stellen mit starkem Blütenansatz ausgedünnt werden. Die für das Formieren in der Aufbauphase verwendeten und nicht mehr benötigten Schnüre sollten möglichst entfernt werden. Durch die Reduktion des Blütenansatzes mit dem „Electro’flor“ kann der Arbeitsaufwand für die Handausdünnung reduziert werden. Dieses Ausdünngerät ist nicht für grossflächige Einsätze, sondern für kleinere Steinobstbetriebe geeignet. Vertretung in der Schweiz: Cercle des agriculteurs de Genève et environs, 1242 Satigny.
 
[siehe Abbildung 5]: Das batteriebetriebene, handgeführte Gerät „Electro’flor“ eignet sich insbesondere für Steinobst mit grösseren Baumformen und Hohlkronen (z.B. Aprikosen).
 
[siehe Abbildung 6]: Auf einer Teleskopstange ist die Spindel mit zehn Fäden montiert. Die Drehzahl ist regulierbar. Mit dem „Electro´flor“ können gezielt Kronenpartien mit starkem Blütenansatz oder stark beschattete Äste ausgedünnt werden.
 
Literatur
Das Literaturverzeichnis ist beim Erstautor erhältlich.
 
Version: 07.02.2012
Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Changings-Wädenswil ACW
Redaktion: A. Widmer
Copyright: Forschungsanstalt Agroscope Changings-Wädenswil ACW
Nachdruck mit Quellenangabe erwünscht.
www.agroscope.ch

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