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Verarbeitung, 25.03.2012

ROSTFREIER EDELSTAHL IM WEINBAU

Bereits im Jahr 1912 wurde das Patent für «Edelstahl Rostfrei» angemeldet. Seitdem kommt diese Werkstoffgruppe weltweit Einsatz.
Bereits im Jahr 1912 wurde das Patent für «Edelstahl Rostfrei» angemeldet. Seitdem kommt diese Werkstoffgruppe weltweit in fast allen Bereichen des menschlichen Lebens zum Einsatz. Aufgrund des stark herabgesetzten Korrosionsverhaltens, seiner Beständigkeit in aggressiver Umgebung und damit hohen Lebenserwartung hat rostfreier Edelstahl heute auch in der Keller- und Weinbautechnik einen festen Platz.
 
Bereits um die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde Wein in Tanks aus rostfreiem Edelstahl gelagert. Untersuchun­gen hatten ergeben, dass dieses Material die Eigenschaf­ten von Most und Wein nicht beeinflusst. Dieser Befund hat bis heute Gültigkeit.
Der Begriff Edelstahl Rostfrei umfasst eine ganze Grup­pe von Stahllegierungen, die aus einem hohen Anteil von Chrom (mindestens 10.5% Cr) und Zusatzelementen wie
 
Tab. 1: Nicht rostende Stähle.  
Werkstoffnamen     Werkstoffnummer      ISO-Bezeichnung      Elemente
X5CrNi18-10            1.4301                           304                              Cr, Ni
X5CrNiMo17-12-2    1.4401                           316                              Cr, Ni, Mo
X2CrNiMo17-12-2    1.4404                           316 L                           Cr, Ni, Mo
X6CrNiTi18-10         1.4541                           304 Ti                          Cr, Ni, Ti
X6CrNiMoTi17-12-2 1.4571                           316 Ti                          Cr, Ni, Mo, Ti
 
Nickel (Ni), Molybdän (Mo), Titan (Ti) und Niob (Nb) be­stehen. Diese Legierungen zeichnen sich durch ein stark herabgesetztes Korrosionsverhalten aus und haben eine hohe Lebenserwartung. Im Weinbau setzten sich insbe­sondere die in Tabelle 1 angeführten fünf sogenannt austenitischen Stähle (s. Kästchen) durch. Die Werkstoffna-men,Werkstoffnummern oder ISO-Bezeichnungen geben Aufschluss über die Zusammensetzung. Markennamen wie «Remanit», «Nirosta», «V2A», «Chromargan» usw. kennzeichnen meist nur den Hersteller.
 

Austenitische Stähle

Stähle werden einer Wärmebehandlung unterzogen, um die gewünschten Eigenschaften zu erhalten. Dabei treten Verän­derungen im inneren Aufbau des Werkstoffs auf. Wird kohlen­stoffhaltiges Eisen (Stahl) auf über 723 °C erwärmt, wandelt sich sein aus abgerundeten Körnern bestehendes Ferrit-Gefü-ge in einen neuen Gefüge-Typ mit eckiger Körnung um, der als Austenit bezeichnet wird. Austenitische Werkstoffe sind zäh, leicht formbar, hitze- sowie korrosionsbeständig und im Gegensatz zu Ferrit nicht magnetisierbar.
 
Tab. 2: Edelstahl Rostfrei in der Kellertechnik.

Werkstoffnummer      Geeignet für                        Blechstärke
1.4301                         Altwein < 75 mg SO2 frei       < 6 mm
1.4401                        Jungwein > 75 mg SO2 frei     < 6 mm
1.4541                        Altwein < 75 mg SO2 frei         > 6 mm
1.4571                        Jungwein > 75 mg SO2 frei      > 6 mm
 
Die Bezeichnung der Stähle ist europäisch genormt. Die Werkstoffnamen richten sich bei nicht rostenden Stählen nach der chemischen Zusammensetzung. X10CrNi18-8 ist ein «hochlegierter» Stahl (X) mit 10/100 = 0.1% Kohlenstoff (C), 18% Chrom (Cr) und 8% Nickel (Ni).
Aus dem Werkstoff 1.4301 werden die meisten Wein­tanks und Hilfseinrichtungen (Rohrleitungen, Armatu­ren, Separatoren etc.) hergestellt. Er lässt sich gut formen und schweissen und ist deshalb auch in anderen Berei­chen der Lebensmitteltechnologie stark verbreitet. Wenn ein direkter Kontakt mit gasförmigem Schwefeldioxid (SO2) nicht ausgeschlossen werden kann, ist der Einsatz molybdänhaltiger Werkstoffe wie 1.4401 oder 1.4404 er­forderlich. Die titanstabilisierten Werkstoffe 1.4541 (Chrom-Nickel-Stahl) und 1.4571 (Chrom-Nickel-Mo­lybdän-Stahl) finden bei Schweisskonstruktionen mit Blechstärken von mehr als 6 mm Verwendung (Tab. 2).
 

Oberflächen

In der Kellertechnik kommt der Ob erflächenb eschaffen-heit des Edelstahls Rostfrei grosse Bedeutung zu. Tabelle 3 gibt eine Übersicht über die Ausführungsvarianten und ermöglicht denVergleich mit den älteren Bezeichnungen nach DIN 17440/41.
Eine versuchsweise Lagerung von rostfreien Edelstahl­Blechen in einem Riesling-Most (Säuregehalt 10%o) zeig­te, dass sich Bleche mit glatten Oberflächen (2B u. 2G) gut reinigen lassen. Weinsteinansatz ist dagegen ohne Verwendung von Säure nur schwer von raueren Ober­flächen 1D zu entfernen. Die heute in der Kellertechnik am häufigsten verwendeten Oberflächen sind deshalb 2B (glatt), 2R und mikroraue Oberflächen.
 

Wandernde Chrom-Ionen

An der Oberfläche von Edelstahl Rostfrei bildet das Chrom mit dem Luftsauerstoff eine geschlossene Chrom­oxidschicht. Diese «Haut» ist sauerstoffundurchlässig und schützt so das Hauptelement Eisen (Fe) vor Oxidati­on. Bei Beschädigungen dieser Schicht wandern Chrom-Ionen aus dem Eisen-Kristallgitter an die Oberfläche und schliessen die Chromoxidschicht. Nach wiederholten Schädigungen der gleichen Stellen (zum Beispiel durch Säuren oder Scheuermittel) kommt es zur Chromverar­mung. Dies kann auch geschehen, wenn Edelstahl Rost­frei mit anderen Metallen in Kontakt kommt, beispiels­weise durch Eisenschleifspäne bei Reparaturarbeiten, durch Verwendung falscher Schweisselektroden, durch Liegenlassen von Werkzeug auf der Oberfläche oder bei der Befestigung von Edelstahl Rostfrei-Drähten auf Ei­senhaken. Eine Chromverarmung führt zu anfangs kaum erkennbaren Poren und Löchern (Lochkorrosion) oder zum Zerbröseln des Werkstoffs.

 

Tab. 3: Oberflächenbeschaffenheit nicht rostender Stähle.

 

DIN EN 10088

1E
                          

Ausführungsart

Warmgeformt, wärmebehandelt, mechanisch entzundert

Oberfläche

zunderfrei

DIN 17440/41

c1(IIa)

1D

Warmgeformt, wärmebehandelt, gebeizt

zunderfrei

c2(IIa)

2D

Kalt weiterverarbeitet, wärme­behandelt, gebeizt

glatt

h(IIIb)

2B

Kaltgewalzt, wärmebehandelt, gebeizt, kalt nachgewalzt

glatter als 2D

n(IIIc)

2R

Kaltgewalzt, blankgeglüht

reflektierend

m(IIId)

1G oder 2G

Geschliffen

 

o(IV)

1J oder 2J

Gebürstet oder mattpoliert

 

q

1K oder 2K

Seidenmattpoliert

 

p(V)

1P oder 2P

Poliert, blankpoliert

 

p(V)

 

Chromkarbide

Chrom hat eine hohe Affinität zu Kohlenstoff und wird in Form von Chromkarbiden gebunden. Diese verringern die Festigkeit und blockieren das für die Ergänzung der Aussenschicht notwendige Chrom. Edelstahl Rostfrei enthält deshalb stets nur geringe Kohlenstoffanteile (meist unter 0.1%). Bei längerer Einwirkung hoher Tem­peraturen, wie sie beim Verschweissen dicker Bleche auf­treten können, kommt es trotzdem zur Chromkarbidbil­dung. Beimischung von Titan (Ti) oder Niob (Nb) zur Le­gierung verhindert dies. Die beiden Elemente haben eine höhere Affinität zu Kohlenstoff als Chrom und bin­den ihn - das Chrom bleibt frei. Ab einer Blechstärke von 6 mm ist deshalb ein Titan- oder Niobzusatz üblich. Unbedingt zu beachten sind folgende Punkte:
 
  • Bei Arbeiten mit der Trennscheibe dürfen nur für Edelstahl Rostfrei geeignete Scheiben verwendet werden.
  • Edelstahl Rostfrei muss vor Funkenregen eisenhalti­ger Scheiben oder normalem Stahl geschützt wer­den.
  • Es dürfen keine Werkzeuge aus Stahl auf den Tanks liegen gelassen werden.
  • Alte Schlauchkupplungen aus Kupferlegierungen sollen nicht länger als unbedingt notwendig am Ge­rät gelassen werden.
  • Wenn ein Sauerstoffzutritt von aussen nicht garan­tiert ist (Erdtank), sind besondere Stahlqualitäten er­forderlich.
 

Reinigung und Desinfektion

Wegen der glatten, leicht zu reinigenden und zu desinfi­zierenden Oberfläche ist Edelstahl Rostfrei in der Keller­technik der wichtigste Werkstoff. Als optimale Reini­gungsverfahren haben sich die Wasserstrahl- und Dampfstrahltechnik erwiesen. Zulässig ist auch die Rei­nigung mit chlorfreien Laugen, nicht reduzierenden Säuren (Essig- und Phosphorsäure), Kunststoffbürsten oder Werkzeug aus Edelstahl Rostfrei. Die Chromoxid-Schicht ist jedoch empfindlich gegenüber reduzierenden Säuren (Schweflige Säure, Schwefelsäure) und gegen Chlor-Ionen (Salzsäure, Kochsalz). Deshalb darf Edel­stahl Rostfrei keinesfalls mit reduzierenden Säuren oder chlorhaltigen Reinigungsmitteln, chlorhaltigen Desin­fektionsmitteln oder auch Scheuermitteln sowie ge­wohnlichen Drahtbürsten und Spachteln gereinigt wer­den. Damit stellt auch die Desinfektion mittels Schwefel­Einbrand ein Problem dar. Mit Molybdän (Mo) als Legie­rungszusatz wird die Beständigkeit gegenüber reduzie­renden Säuren und Chlor-Ionen jedoch erhöht.
 

Edelstahl Rostfrei bei Weintanks und im Rebbau

Weltweit haben sich in der Kellertechnik Lagerbehälter aus Edelstahl Rostfrei durchgesetzt. Dabei wird am häu­figsten die stehende zylindrische Bauform verwendet, da sie stabil und relativ preisgünstig ist. Die statische Druck­verteilung ist dabei über den ganzen Umfang gleichmäs­sig verteilt und zylindrische Tanks lassen sich gut ma­schinell fertigen. Kubische oder Rechteckbehälter sind um zirka 15 bis 20% teurer, nutzen aber dafür den Raum um 20 bis 50% besser.
Edelstahl Rostfrei in der Weinwirtschaft wird nicht erst in der Kelterei eingesetzt, sondern schon als Unter­stützungsmaterialien im Weinberg. Edelstahlpfähle bie­ten gegenüber Holz, Kunststoff oder Beton einige Vortei­le:
  • Sie haben ein geringes Gewicht und lassen sich gut in den Boden rammen.
  • Sie bewähren sich beim Einsatz des Traubenvollern-ters.
  • Eine nach den Regeln der Kunst erstellte Edelstahl­anlage bedarf praktisch keiner Wartung.
Die Lebensdauer der Edelstahlpfähle entspricht jener der Rebanlage oder sie halten sogar länger. Heute sind Metallpfähle aus Edelstahl Rostfrei mit der Werkstoff­nummer 1.4003 im Handel. Hierbei handelt es sich um einen Stahl mit mindestens 10.5% Chrom (Cr), geringen Zusätzen an Mangan (Mn) und Nickel (Ni) sowie nied­rigsten Kohlenstoff- und Stickstoffgehalten (C, N). Für diese Version sprechen die - trotz relativ niedrigem Chromgehalt - hohe Korrosionsbeständigkeit und gute Umweltverträglichkeit. Nachteilig ist allerdings der et­was hohe Preis und die manchmal beschränkte Verfüg­barkeit. Neben Pfählen werden auch Drähte aus Edel­stahl Rostfrei (Werkstoffnummer 1.4301) verwendet. Die Anforderungen sind:
  • Sie müssen bei kleinem Durchmesser (Gewicht!) der Zugspannung standhalten.
  • Elastizität ermöglicht eine gute Verarbeitung (Einzie­hen, Befestigen, Reparieren).
  • Die Dehnung soll möglichst gering sein.
  • Um Reibschäden an den Rebtrieben zu vermeiden, muss die Oberfläche glatt sein.
  • Die Lebensdauer muss der Standdauer der Rebanla­ge entsprechen.
1.4301- Edelstahldrähte sind mit einem Durchmesser von 1 bis 1.2 mm deutlich dünner als Stahldrähte mit Zink-Aluminium-Beschichtung, besitzen jedoch wegen der spezifischen Werkstoffeigenschaften von Edelstahl Rostfrei dieselbe Reissfestigkeit. Der Querschnitt wird zudem nicht durch Korrosion vermindert. Es treten keine grösseren Reibschäden auf, da sie korrosionsbestän­dig sind und glatt bleiben. Das Dehnungsverhalten er­weist sich als günstig. Im Vergleich zu Zink-Aluminium­Drähten lassen sie sich aber nicht so gut verarbeiten und sind relativ teuer.
 

Bestellung und Lieferung

Durch Anpassung der Legierung kann ein Werkstoff für fast jeden Einsatzbereich «massgeschneidert» werden. Für Auskünfte steht unter www.edelstahl-rostfrei.deeine Anlaufstelle zur Verfügung.
Es wird empfohlen, bei der Bestellung den Verwen­dungszweck anzugeben «für die Lagerung von Jung­wein». Es gilt auch darauf zu achten, dass die Werkstoff­nummer in der Auftragsbestätigung und/oder auf der Rechnung angeführt ist. Mit einer solchen Dokumenta­tion kann gegebenenfalls noch nach Jahren Schadener­satz geltend gemacht werden. Voraussetzung ist natür­lich die pflegliche Behandlung der Behälter.
Bei Erhalt ist die Lieferung unverzüglich auf ord-nungsgemässe Ausführung zu überprüfen:
  • Alle Schweissnähte sind porenfrei, fein beschliffen und «passiviert» (keine Anlauffarben, die Oberfläche ist gleichmässig glatt glänzend).
  • Die Bleche sind miteinander nicht überlappend verschweisst (Spaltkorrosion).
  • Edelstahl Rostfrei ist mit keinem anderen Metall in direkter Berührung oder direkt verschweisst (Kon­taktkorrosion).
  • Die Isolationen zwischen dem Edelstahl Rostfrei und anderen Metallen sind sorgfältig und vollständig ausgeführt, auch bei Verschraubungen. (Die Isolatio­nen dürfen auch später nicht entfernt oder verse­hentlich überbrückt werden).
 

Medium

Die Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau (SZOW) verbreitet die Forschungsresultate von Agroscope, der deutschsprachigen Forschungsinstitute und der Fachorganisationen im Reb- und Obstbaubereich. Die wissenschaftlichen Artikel behandeln Themen im Bereich Rebbau, Önologie, Obstbau, Obstverarbeitung sowie Lebensmittelqualität und -sicherheit.
Die in deutscher Sprache erscheinende Zeitschrift enthält französischsprachige Zusammenfassungen der Fachbeiträge. Sie erscheint zweimal pro Monat und richtet sich vor allem an Produzenten, Berater, Lehrpersonen, Bibliotheken, Handelsunternehmen sowie interessierte Laien. Herausgeber der SZOW ist der Verein Publikationen Spezialkulturen (VPS) mit Sitz in Wädenswil, Schweiz.
 

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