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Mechanische Schnittgeräte , 13.03.2012

MASCHINELLER BAUMSCHNITT

Die Aussicht, den Arbeitszeitaufwand für den Obstbaumschnitt mit Maschinen zu verringern, ist verlockend!
Die Aussicht, den Arbeitszeitaufwand für den Obstbaumschnitt mit Maschinen zu verringern, ist verlockend! Trotz aller Euphorie darf das Ziel, Qualitätsobst zu erzeugen, nicht aus den Augen verloren werden. Die im Obstbau Lehr- und Versuchsbetrieb Augustenberg erzielten Versuchsergebnisse zur Obstproduktion an Fruchtwänden stimmen positiv.


BAUMSCHNITT MIT MASCHINEN

Die Idee, die Arbeit in den Obstanlagen mit Hilfe von Maschinen zu erleichtern, ist nicht neu. Immer wieder gab und gibt es Bemühungen, den hohen Arbeitszeitbedarf beim Baumschnitt durch Maschinen zu reduzieren. Im Vordergrund stand die Begrenzung des Baumvolumens bei starkwachsenden Apfelanlagen. Durch die schlechte Belichtung der Früchte im Bauminneren waren diese Bestrebungen häufig nicht erfolgreich. Die aktuell getestete Erziehung von Fruchtwänden zur Tafelobstproduktion basiert auf grundsätzlich anderen Voraussetzungen.
 

FRUCHTWÄNDE AUF DEM AUGUSTENBERG

Seit mehreren Jahren bestehen gute Kontakte zur französischen Bildungseinrichtung MFR Anneyron im Rhonetal. Schüler dieser Schule, meist Nachwuchs aus Obstbaubetrieben, erhalten dort einen praxisnahen Unterricht im Obstbau. Im Rahmen von Praktika verbringen seit acht Jahren Schüler der Schule mehrere Wochen auf dem Versuchsbetrieb des LTZ Augustenberg. Der intensive Austausch bringt gegenseitige Impulse. So wunderten sich einige Praktikanten, dass es in unseren Versuchsanlagen keine Fruchtwände gab. Die Aussicht, die Handarbeit beim Baumschnitt zu reduzieren oder durch Technikeinsatz zu ersetzen, gab den Anstoß, sich näher mit dem Thema zu befassen. Ein weiterer Impuls war der Einsatz der Ausdünnmaschine Darwin, mit der man bei voluminösen Bäumen an Grenzen stößt.
 

WAS SIND FRUCHTWÄNDE?

Fruchtwände sind schmale Laubwände mit einer Breite von ca. 40-80 cm, dies entspricht einer Baumtiefe vom Stamm bis zum Triebende von 20 bis 40 cm. Die Begrenzung der Trieblänge wird zweckmäßig maschinell durchgeführt, ohne Rücksicht auf Knospen und den Entwicklungsstand. Durch den maschinellen Schnitt können die entstehenden Fruchtwände sehr dicht sein. Die fehlende Tiefe reduziert jedoch das Ertragspotenzial. Höhere Bäume oder ein geringerer Reihenabstand gleichen dies aus. An Stelle von dreidimensionalen Baumvolumen treten zweidimensionale Produktionsflächen.
Interessante Fragestellungen in Bezug auf die Fruchtwand sind:
  • Kann an Fruchtwänden, unter den klimatischen Bedingungen des Rheintals und der Vorbergzone, Tafelobst von gleicher Qualität und Quantität wie in Spindelanlagen erzeugt werden?
  • Kann die Arbeitszeit für Schnitt, Ausdünnung und Ernte verringert werden?
  • Wie wirkt sich das Erziehungssystem Fruchtwand auf den Schädlings- und Krankheitsdruck aus?
  • Kann das Wachstum mit stark begrenztem Schnittaufwand beherrscht werden?
  • Welche Baumhöhe ist anzustreben?
  • Werden ergänzende Kulturmaßnahmen wie Wurzelschnitt oder der Einsatz von Wachstumsregulatoren notwendig?
  • Wird der Einsatz von weiteren Maschinen rentabler, z. B. Arbeitsbühne oder Darwin?
  • Bei welchen Obstarten sind Fruchtwände praktikabel?

ERZIEHUNG VON FRUCHTWÄNDEN

Mehrere Wege führen zu Fruchtwänden. Grundsätzlich kann zwischen der Umstellung von Altanlagen und einer Neuanlage unterschieden werden.
Umstellung bestehender Anlagen
Prinzipiell möglich, falls einige Punkte beachtet werden:
  • Die Reihen sollten beim Apfel in Nord-Süd-Richtung verlaufen, um eine ausreichende Belichtung zu sichern.
  • Durch die Umstellung verringert sich der Ertrag in den ersten beiden Jahren.
  • Eine Umstellung ist nur möglich, wenn die Bäume exakt in der Reihe stehen. Nur so kann maschinell, mit möglichst gleichbleibendem Abstand, geschnitten werden.
  • Durch höhere Bäume können Ertragseinbußen minimiert werden.
  • Eine geschlossene Laubwand bietet dem Wind mehr Angriffsfläche. Das Stützgerüst muss daher ausreichend stabil sein.
Neuanlage
  • Ausrichtung der Anlage in Nord-SüdRichtung.
  • Verwendung von Standard-Baummaterial möglich, Spindeln auf M9 mit tiefer ansetzenden Verzweigungen sind für die Pflanzung ausreichend.
  • Im Vergleich zu bisherigen Spindelanlagen sollte der Pflanzabstand in der Reihe verringert werden, um die Laubwand schnell zu schließen.
  • Der Reihenabstand ist abhängig von der im Betrieb eingesetzten Technik, wie Schlepper, Mulchgerät etc.
  • Der Reihenabstand bedingt die Baumhöhe und damit die maximale Höhe der Fruchtwand (Schattenwurf, s. Foto 2).
  • Stabiles Drahtgerüst in Abhängigkeit von der angestrebten Baumhöhe

SCHNITTTECHNIK

Maschinen zum Baumschnitt
Das Angebot an Maschinen für den Baumschnitt ist inzwischen umfangreich. Oft angeboten werden Geräte mit rotierenden Messern bzw. Sägeblättern, welche je nach Aststärke, eine relativ hohe Arbeitsgeschwindigkeit (4-6 km/h) ermöglichen. Problematisch sind in den Baum geschleuderte Astteile, die Früchte beschädigen. Die Qualität des Schnitts ist je nach Fahrgeschwindigkeit unterschiedlich. Teilweise sind die Schnittenden gerupft und zerfranst (s. Foto 3). Sie trocknen ein, können dadurch recht spitz werden und bei der Ernte zu Verletzungen bei den Pflückern führen.
Maschineller Schnitt
Die ersten Schnittmaßnahmen zur Erziehung der Fruchtwände wurden auf dem Augustenberg mit einer motorgetriebenen, handgeführten Heckenschere durchgeführt. Dies war bei Jungbäumen (bis zum 2. Standjahr) mit geringen Aststärken problemlos möglich.
Um ältere Spindelbäume umzustellen und in den bestehenden Anlagen möglichst schnell geschlossene Laubwände zu bilden, wurden Äste in Reihenrichtung an- bzw. zusammen gebunden. Die zur Fahrgasse gerichteten Äste wurden mit der Säge, bzw. der Astschere auf eine Länge von ca. 30 cm zurückgeschnitten.
Der Austrieb wurde, wie bei den jüngeren Bäumen, im 10- bis 12-Blattstadium mit der Heckenschere geschnitten. Für größere Anlagen ist der Einsatz einer handgeführten Heckenschere zu arbeitsintensiv und daher nicht geeignet. Zum großflächigen Einsatz sind nur Schnittmaschinen am Schlepper sinnvoll.
Am Augustenberg kamen in den Jahren 2010 und 2011 Geräte mit Messerbalken zum Einsatz. Zunächst wurde ein Schnittgerät aus der kommunalen Heckenpflege eingesetzt. Es war für Äste bis zu einer Stärke von 6 cm geeignet. Bei dünnen Ästen war der Schnitt nicht glatt und es entstanden Quetschwunden. Das nächste Schnittgerät besaß zwei Messerbalken, wie sie bei Mähdreschern eingesetzt werden. Bei bedeutend besserer Schnittqualität können Äste bis zu einer Stärke von 4 cm geschnitten werden. Dies war für unsere Bäume ausreichend. Künftig wird eine Baumschnittmaschine der Firma Fischer eingesetzt.
Bei der Anschaffung eines neuen Schnittgeräts muss entschieden werden:
a. Ob das Gerät nur für Fruchtwände eingesetzt wird und die Höhenbegrenzung
    händisch erfolgt. Dies ist die günstigere Variante.
b. Ob das Gerät vielseitig einsetzbar sein soll. Dafür müssen die Schnittwerkzeuge in
    der Neigung einfach verstellbar sein, um Geländeunterschiede auszugleichen und
    die Technik an verschiedene Baumformen anzupassen. Je leichter der
    Schnittwinkel verstellt werden kann, desto vielseitiger ist die Maschine in schon
    bestehenden Obstanlagen einsetzbar. Das ist die variablere Variante.
 

SCHNITTZEITPUNKT UND SCHNITTDURCHFÜHRUNG

10- bis 12-Blatt-Stadium
Mit der Maschine wird bei Kernobst nur einmal im Jahr geschnitten. Der optimale Zeitpunkt, nach französischen Angaben, ist Ende Mai bis Anfang Juni, wenn der Jahrestrieb eine Länge von zehn bis 12 Blättern erreicht hat. Dies hat sich in unseren Versuchen bestätigt. Der Zeitaufwand beträgt je nach Technik und Fahrgeschwindigkeit zwei bis fünf Stunden pro Hektar. Die Äste werden seitlich, ca. 20 bis 40 cm von der Stammmitte aus, vertikal geschnitten. Dadurch sind die Bäume von unten bis oben gleich breit.
Mit einem horizontalen Schnitt wird die Höhe begrenzt. Um eine gute Fruchtqualität zu produzieren, muss im Winter von Hand ein Ergänzungsschnitt durchgeführt werden.
- Ergänzungsschnitt im Winter
Hierbei sind nur drei Arten von Trieben zu schneiden:
1. Hängendes Holz zurücknehmen.
2. Nach oben wachsende Triebe in der Reihe, welche von der Maschine nicht erfasst
    werden, auf 10-20 cm einkürzen.
3. Konkurrenztriebe entfernen.
 

AUGUSTENBERGER VERSUCHE

Derzeit stehen auf dem Augustenberg sieben Reihen Apfelfruchtwand. Die Sorten 'Elstar', 'Jonagold', 'Boskoop', 'Fuji', 'Delba-restivale' und 'Gala' werden jeweils mit benachbarten Spindelbäumen derselben Sorten hinsichtlich Ertrag und Fruchtqualität verglichen.
 

BISHERIGE ERGEBNISSE FRUCHTWAND BEI 'GALA SCHNIGA'

Im Frühjahr 2008 wurden zweijährige Knipbäume 'Gala Schniga' auf M9 in 60 bzw. 80 cm Abstand gepflanzt. Die Bäume wurden jeweils Ende Mai auf ca. 20 cm Abstand zum Stamm maschinell geschnitten. In der Reihe mit Pflanzabstand 0,60 m war die Laubwand im Sommer 2011 geschlossen, in der Reihe mit Pflanzabstand 0,80 m sind noch Lücken in der Laubwand, welche sich voraussichtlich im Sommer 2012 schließen.
Die Fruchtwand als Produktionsfläche
Die Ertragsermittlung von Fruchtwänden wird künftig sinnvollerweise nicht mehr in kg je Baum, sondern als Ertrag in kg je m2 Produktionsfläche berechnet. Hier ein Rechenbeispiel: Die Baumhöhe der Fruchtwände bei 'Gala Schniga', betrug im Herbst 2011 durchschnittlich ca. 3,10 m, nachdem die Bäume Ende Mai 2011 auf ca. 2,70 m begrenzt wurden.
Die Produktionsfläche der Fruchtwand beträgt folglich im 3. Ertragsjahr: 2,70 m Baumhöhe nach Schnitt minus 0,50 m Stammhöhe = 2,20 m Fruchtwandhöhe. Je laufenden Meter in der Reihe sind dies 2,20 m2.
Da jede Reihe zwei Seiten hat, sprechen wir demnach von 4,40 m2 Produktionsfläche je Reihenmeter.
Bei 3,5 m Reihenabstand und damit durchschnittlich 2.850 Reihenmeter je Hektar ergibt dies 12.540 m2 Produktionsfläche je Hektar.
Ausgehend von den Erntedaten 2011 wurden im dritten Ertragsjahr 'Gala' Schniga bei der nahezu geschlossenen Fruchtwand (0,60 m Pflanzabstand) 4,86 kg je m2 Fruchtwand und bei der leicht lückigen Fruchtwand (0,80 m Pflanzabstand) 3,52 kg je m2 Fruchtwand geerntet. Da bislang noch keine Vergleichswerte je Produktionsfläche Fruchtwand vorliegen, sind in Tabelle 1 die Erträge der Fruchtwände im Vergleich zur Spindelerziehung konventionell als Baum- bzw. Hektarerträge gegenübergestellt.
Ob diese hohen Hektarerträge der Fruchtwände aus dem engen Pflanzabstand resultieren oder langfristig an den Fruchtwänden zu erzielen sind, werden die kommenden Jahre zeigen. Bislang sind keine wesentlichen Unterschiede bei Ertrag und Qualität nachzuweisen.
 

DISKUSSION

Mögliche Vorteile von Fruchtwänden
  • Durch die kurzen Äste sind die Blüten und später die Früchte außen am Baum und dadurch gut auszudünnen und zu ernten.
  • Der Einsatz von Technik wird erleichtert, z. B. Ausdünnmaschine Darwin
  • Eventuell weniger Abdrift durch die geschlossene Laubwand
  • Der Schnitt von Hand wird stark vereinfacht und ist leicht zu erlernen
  • Erleichterte Ernte, verbesserte Ausfärbung?
  • Sollte es je einen Ernteroboter geben, könnte er an Fruchtwänden eingesetzt werden.
Mögliche Nachteile von Fruchtwänden
  • Durch den Schnitt im Mai, Juni kommt es zu einem verstärkten Nachtreiben der Triebe. Dadurch kann sich die Anfälligkeit für Schorf, Mehltau und Läuse erhöhen.
  • Die größeren Schnittwunden durch den maschinellen Schnitt bei der Umstellung können zu einer Erhöhung des Blutlausdrucks führen.
  • Sind Abweichungen von der Nord-Südausrichtung möglich? Die Fruchtreife kann in dichten Laubwänden leicht verzögert sein.
  • Probleme mit Fruchtgröße und Ausfärbung; dies könnte auch am Überbehang liegen.
  • Um den gleichen Ertrag wie bei Spindelanlagen zu erzielen, sind höhere Bäume erforderlich. Hierfür ist eine Arbeitsplattform notwendig.
  • Höhere Anlagenkosten durch enge Pflanzabstände und ein stabileres Pfahlgerüst.
  • Anschaffung einer Schnittmaschine ist für kleine Betriebe nicht rentabel.
  • Relativ einfache Anbauform - Fachfremde könnten in den Tafelobstanbau einsteigen.

AUSBLICK

Fruchtwände stellen eine interessante Anbauform für Obst dar. Die bisherigen Untersuchungen bei Apfelfruchtwänden sind Erfolg versprechend. Bisher wurden keine negativen Auswirkungen auf die Fruchtqualität festgestellt. Der Ertrag und der Ernteaufwand sind vergleichbar, aber der Arbeitszeitaufwand für den Schnitt ist deutlich geringer.
Bei steigenden Lohnkosten und eingeschränkter Verfügbarkeit von Arbeitskräften, werden die Obstbaubetriebe den Anbau weiter mechanisieren müssen. Für einen sicheren Anbau liegen in Deutschland noch zu wenige Versuchsergebnisse vor. Nach den bisherigen Augustenberger Erfahrungen sind Fruchtwände zur Qualitätsobstproduktion machbar. Die Untersuchungen werden bei verschiedenen Obstarten fortgeführt.

Bildtext
Abb1:
An Stelle von dreidimensionalen Baumvolumen treten zweidimensionale Produktionsflächen. Der reduzierte Ertrag durch fehlende Baumtiefe muss durch höhere Baumformen ausgeglichen werden
Abb2:
Die Qualität des Schnitts ist je nach Fahrgeschwindigkeit und Schnittgerät unterschiedlich. Teilweise sind die Schnittenden gerupft und zerfranst
Abb 3:
Erster Winterschnitt bei der Umstellung von bestehenden Anlagen auf mechanischen
Schnitt
Abb 4:
Guter Fruchtbehang bei ‘Gala’ Schniga in der mit Maschinen geschnittenen Reihe im dritten
Ertragsjahr
Abb5:
Blütenknospenbildung bei ‘Boskoop’ nach mechanischem Schnitt im 10- bis 12-Blatt-Stadium
Abb 6:
Ergänzungsschnitt im Winter benötigt wenig Arbeitszeit und ist ungelerntem Personal einfach zu vermitteln
Abb 7:
Erträge von Fruchtwänden im Vergleich zur konventionellen Spindelerziehung als Baum- bzw. Hektarerträge (‘Gala’ Schniga, drittes Ertragsjahr)
Abb 8:
Sommerschnitt im 10- bis 12-Blatt-Stadium mit dem neuen Schnittgerät auf dem Augustenberg

Medium

1975 hat der Vorstand der Fachgruppe Obstbau den Beschluß gefaßt, ab Januar 1976 eine Verbandseigene Fachzeitschrift herauszugeben. OBSTBAU hat sich seitdem zu einer renommierten Fachzeitschrift entwickelt, auf die kein zukunftsgerichteter Betriebsleiter/ Betriebsleiterin verzichten kann. Mit einer Auflage von über 7000 Exemplaren ist OBSTBAU heute die größte überregionale Fachzeitschrift für Obstbau im deutschsprachigen Raum.
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