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Traktoren, 16.06.2016

DER FENDT VARIO FÄHRT ALLEINE – MÖGLICH ODER NUR EIN TRAUM?

Von dieser Möglichkeit oder dem Traum überzeugten sich die circa 30 Betriebsleiter von morgen bei einer Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft junger Obstbauern e.V. (AJON) und des Ehemaligen-Vereins d...
 

Spezialist in Sachen selbstfahrende Geräte

Ralf Kroonen von der Firma Precision Makers aus den Niederlanden war am 21. 3. 2016 im Alten Land zu Gast. Im Gepäck hatte er einen Vortrag zum Thema selbstfahrende Schlepper sowie einen realen Fendt Vario mit der ProBotiQ-Technologie.
 
Seit dem Jahr 2008 gibt es die Firma Precision Makers in den Niederlanden. Begonnen haben ihre Entwicklungen mit den selbstfahrenden Rasenmähern u. a. für Golfplätze. Hier werden die Fahrzeuge über GPS, RTK Signal (aus dem Handynetz) sowie ein Radar präzise gesteuert.
 
Im Jahr 2012 wurde dann der erste Fendt Vario mit der neuen Technik ausgestattet. In der Fahrerkabine ist in einem Aluminiumgussgehäuse das Herzstück der Anlage, der Bordcomputer, verbaut. Über das Multifunktionspanel lassen sich die gewünschten Einstellungen vornehmen.
 
Auf dem Dach des Schleppers sind zwei Antennen angebracht. Die GPS-Antenne empfängt den aktuellen Standort und sendet ihn an den Bordcomputer in der Kabine weiter. Eine weitere Antenne ist für den Empfang des RTK Signals nötig. Die beiden Signale, GPS und RTK, sorgen für eine auf zwei Zentimeter genaue Fahrweise.
 

Hinderniserkennung

An der Front des Traktors sind ein Ultraschall-Sensor und ein „Bullenfänger“ installiert. „Der Ultraschall-Sensor tastet die Fahrgasse nach Hindernissen ab“, erklärt Ralf Kroonen im Hotel „Altes Land“ in Jork den interessierten Obstbauern. „Ein Radar ist im Obstbau nicht möglich, denn das Radar würde die Obstbäume als Hindernis erkennen und so den Schlepper ständig stoppen.“
 
Erkennt der Ultraschall-Sensor ein Hindernis, so verringert sich die Geschwindigkeit und der Schlepper fährt mit 1,5 km/h bis an das Hindernis heran. Mit einem ungefähren Gewicht von fünf Kilogramm fährt er dann mit dem Frontschutzbügel gegen das Hindernis. Entfernt sich das Hindernis nicht, so bleibt der Schlepper stehen. Der Bordcomputer der ProBotiQ-Anlage sendet von der integrierten SIM-Karte eine SMS an den Betriebsleiter mit einer Fehlermeldung, z. B. dass der Schlepper auf ein Hindernis gestoßen ist.
 
Hierzu äußerten die drei auf der Veranstaltung anwesenden Vertreter der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) noch Bedenken. Würde es z. B. zu einem Zusammenstoß von einem Kleinkind mit dem Traktor kommen, so würde die Druckempfindlichkeit von fünf Kilogramm zu hoch angesetzt sein. Es könnte möglicherweise zu einem tragischen Unfall kommen. Hier besteht noch eine Sicherheitslücke, welches laut Ralf Kroonen aber durch eine Umprogrammierung des Systems lösbar sei.
 
Der Betriebsleiter, der sich nach Vorgaben des Herstellers stets in unmittelbarer Nähe des Gerätes aufhalten muss, hat auch jederzeit die Möglichkeit, über die mitgelieferte Fernbedienung (Reichweite: 1,5 km) den Schlepper zu stoppen.
 

Typisch deutsch!

Es gibt in Deutschland unterschiedliche Auffassungen bei der Einteilung des Fahrzeuges. Die Herstellerfirma und auch der TÜV Nord sind der Meinung, dass es sich um einen Schlepper für die Land- und Forstwirtschaft handelt, der so eingesetzt werden dürfte. Die SVLFG ist hingegen der Meinung, dass es sich um eine Maschine handelt und daher eine zusätzliche Baumusterprüfung erforderlich sei. In einer solchen Baumusterprüfung wird die Zuverlässigkeit der eingebauten Komponenten, wie z. B. die des Ultraschallsensors, geprüft.
 

Arbeitsweise

Die Vorgehensweise, bis der Schlepper selbstständig Arbeiten in den Anlagen durchführen kann, ist simpel: Der Betriebsleiter fährt, wie mit einem herkömmlichen Schlepper auch, die Anlagen ab. Im Bordcomputer wird dabei die Route mittels GPS- und RTK-Signal gespeichert.
 
Der Betriebsleiter kann so verschiedene Routen für unterschiedliche Arbeiten festlegen, wie z. B. „Mulchen hinter der Halle bis zum Querweg“ oder „mechanische Unkrautbekämpfung über der Wettern“. Ist die Arbeit erledigt, wird die Route gespeichert. Wird zu einem späteren Zeitpunkt die Arbeit erneut fällig, so wählt man einfach im Bordcomputer die entsprechende Route/Arbeit aus und startet über die Fernbedienung den Schlepper. Der Fendt Vario erledigt die Arbeit dann völlig autonom, bis er am Endpunkt der Route angelangt ist und stoppt.
 
Möchte man z. B. nicht nur Mulchen, sondern auch seinen Pflanzenschutz vom ProBotiQ-System erledigen lassen, so ist es lediglich notwendig, eine zusätzliche Box an seinem Pflanzenschutzgerät (beliebiger Hersteller, lediglich elektronische Öffnung der Düsen ist erforderlich) anzubringen. Der Bordcomputer verknüpft dann die Befehle an die Elektromagnetventile mit den jeweiligen GPS- und RTK-Koordinaten. „Somit ist auch beim nächsten Pflanzenschutzdurchgang klar, wann der autonom fahrende Schlepper die Düsen öffnen soll“, informiert Ralf Kroonen.
 

Einsatz nur in Obstanlagen

Natürlich ist dieser Schlepper trotz der modernen ProBotiQ-Technologie auch noch herkömmlich nutzbar, z. B. um Äpfel zum Vermarkter zu fahren. Denn auf öffentlichen Wegen und Straßen (auch auf Wirtschaftswegen!) darf ein selbstfahrender Schlepper nach deutschem Recht nicht fahren. Das Unfallrisiko ist hier zu hoch. Denn gerade in Gefahrensituationen im Straßenverkehr muss ein Eingreifen durch den Fahrer möglich sein. Die Obstanlagen, in denen der ProBotiQ-Schlepper arbeiten soll, müssen daher möglichst abgegrenzt zum öffentlichen Raum sein.
 
Was passiert, wenn der Schlepper von seiner Route abkommt? Ralf Kroonen stellte klar: „Der Schlepper stoppt sofort, wenn er mehr als zehn Zentimeter von der eingespeicherten Route abkommt. Somit ist ein quer durch die Anlage fahrender Schlepper ausgeschlossen.“
 

Warum Fendt Vario?

Warum sprechen wir nur den Fendt Vario an? Das liegt daran, dass der Fendt Vario aktuell der einzige Obstbauschlepper auf dem Markt ist, bei dem alle Funktionen (bis auf die Handbremse) elektronisch gesteuert werden. Somit gibt es immer ein elektrisches Signal, welches man mit einer GPS- und RTK-Koordinate verknüpfen kann.
 

Innovativer Schritt in die Zukunft

Nun die spannendste Frage, was solch eine Technik kostet: Nach Angaben des Herstellers bzw. der Firmen Brockmann Landtechnik in Jork, RWZ-Agrartechnik Schwalmtal-Waldniel (Niederrhein) und der BayWa AG Abteilung Landmaschinen in Tettnang liegen die Anschaffungskosten bei 38.000 7 (Netto). Ist es also rentabel, diese Investition bei schlechten Apfelpreisen zu tätigen?
 
Aus Sicht der jungen Obstbauern ist der ProBotiQ-Schlepper ein sehr innovativer Schritt in die Zukunft, insbesondere in Zeiten, in denen Fachkräfte immer knapper werden, die Betriebsgrößen steigen und die Auszahlungspreise für unser Produkte immer geringer ausfallen. Eine erfreuliche zukunftsweisende Meldung kommt vom Niederrhein: Dort wurde bereits der erste autonom fahrende Schlepper in Deutschland verkauft.
 
Es bleiben aber noch Fragen offen: Wie stehen Versicherungsgesellschaften (Haftpflicht und ggf. Teilkasko), sowie die Pflanzenschutzämter zu der Technik? Und: Wie würden Pflanzenschutzprüfdienste kontrollieren können, wenn kein Fahrer auf dem Schlepper sitzt, der anhalten kann, um die Prüfdienste arbeiten zu lassen?
 
Schaut man sich in diesen Tagen die Automobilwerbung an, wirbt auch ein deutscher Automobilhersteller mit Stern für autonom unterstützend fahrende PKW’s. Warum soll es dann nicht auch im Obstbau möglich und durchsetzbar sein?
 
Weitere Informationen
Ein Film zum ProBiotQ Fendt Vario finden Sie auf der Facebook-Seite der AJON oder auf der Homepage https://ajon.chayns.net/tapp/index/91958
 
Ansprechpartner bei den Firmen
Precision Makers
Industrieweg 18, 4283 GZ Giessen, The Nederland, Telefon: 0031 183-447276, E-Mail: info@precisionmakers.com
 
RWZ-Agrartechnik Schwalmtal-Waldniel
Industriestraße 4, 41366 Schwalmtal-Waldniel, Telefon: 02163 57698-0, E-Mail: thomas.vongehlen@rwz.de
 
Brockmann Landtechnik
Osterjork 28, 21635 Jork, Telefon: 04162 60000, E-Mail: info@brockmann-landtechnik.de
 
BayWa AG
Standort Tettnang, Kalchenstraße 20, 88069 Tettnang, Tel.: 07542 539656
https://www.baywa.de/standort/tettnang
 

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1975 hat der Vorstand der Fachgruppe Obstbau den Beschluß gefaßt, ab Januar 1976 eine Verbandseigene Fachzeitschrift herauszugeben. OBSTBAU hat sich seitdem zu einer renommierten Fachzeitschrift entwickelt, auf die kein zukunftsgerichteter Betriebsleiter/ Betriebsleiterin verzichten kann. Mit einer Auflage von über 7000 Exemplaren ist OBSTBAU heute die größte überregionale Fachzeitschrift für Obstbau im deutschsprachigen Raum.
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