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Ausdünnmaschinen, 11.03.2012

NEUE MÖGLICHKEITEN DER MECHANISCHEN AUSDÜNNUNG BEI STEINOBST

Auf dem Obstbau Lehr- und Versuchsbetrieb Augustenberg wurden drei mechanische Ausdünngeräte auf ihre Praxistauglichkeit getestet.
Auf dem Obstbau Lehr-  und Versuchsbetrieb beim Landwirtschaftlichen Technologiezentrum (LTZ)   Augustenberg wurden verschiedene mechanische Geräte zur Reduzierung des Knospen-, Blüten- und Fruchansatzes  bei  Aprikosen, Kirschen   und Zwetschgen auf ihre Praxistauglichkeit  getestet.
 
[Bildtext zu Abbildung 1] Die drei mechanischen Ausdünngeräte SODIPA (o.), Electro‘liv (mi.) und Electro‘flor (u.), die auf ihre Praxistauglichkeit getestet wurden.
 
Die Behangsregulierung von Steinobst ist ein wichtiger Baustein zur Sicherung einer guten Fruchtqualität bei effektivem Arbeits- kräfteeinsatz. Vor allem bei Zwetschen werden, nach dem mäßigen Ertragsjahr 2010, in diesem Jahr bei gutem Knospenbesatz hohe Erträge erwartet. Ein Überbehang  liefert unterschiedlich große Früchte und erfordert durch den stärker variierenden Reifegrad mehrere Pflückdurchgänge. Zudem ist die Aussortierung kleiner und unreifer Früchte während der Ernte die teuerste Variante.
Die chemische Ausdünnung ist zulassungs- und witterungsabhängig.  Auf dem Obstbau Lehr- und Versuchsbetrieb beim Landwirtschaftlichen Technologiezentrum (LTZ) Augustenberg wurden daher alternativ mechanische Geräte zur Reduzierung des Knospen-, Blüten- und Fruchtansatzes auf ihre Praxistauglichkeit getestet.  Ein Baustein der betriebsüblichen Ausdünnung bei Kernobst ist bereits seit mehreren Jahren das Fadengerät Tree-Darwin der Firma Fruit Tec. Bei Steinobst  ist das Darwin-Fadengerät zweckmäßig, wenn im Obstbaubetrieb schlanke Baumformen vorherrschen.  Im Kleinbetrieb und bei direktvermarktenden Obsterzeugern mit größerer Sortenvielfalt, mit unterschiedlichen  Wuchsformen und Baumalter hingegen können handgeführte Geräte sinnvoll sein.


 

VORSTELLUNG DER WIRKUNGSWEISE DER MECHANISCHEN GERÄTE

Electro’flor
Mit dem Prinzip um eine Spindel rotierender Fäden, welche Knospen und Blüten ab- schlagen, arbeitet das bei mehreren Jahren im Apfelanbau eingesetzte, und daher nicht näher  beschriebene, Anbaugerät Darwin und die handgeführte Electro’flor der Firma INFACO.
Die Spindel der speziell zur Blütenausdünnung entwickelten  Electro’flor ist mit zehn Plastikfäden von je 13 cm Länge bestückt. Die Fäden können nach Bedarf gekürzt werden (mit der Schere abschneiden). Die Halbierung der Fäden empfiehlt sich vor allem bei zunehmender Belaubung, da sich die Blätter in die drehenden Fäden einwickeln. Bei gekürzten Fäden (5–7 cm) muss gezielter gearbeitet werden. Der Vorteil des Geräts liegt im Durchtrennen von Blütenstielen.  Durch punktgenaues Rotieren  in Blütenbüscheln wird eine deutliche Vereinzelung erreicht. Durch den Auszug der Teleskopstange ist eine Arbeitshöhe von bis zu vier Metern möglich.

Electro’liv
Der von der Firma INFACO zum Oliven schütteln entwickelte Electro’liv ähnelt einem verkürzten Rechen. Er wird mit drei Sätzen à 14 unterschiedlich langer starren Metallzinken (19,  24 und 29 cm)  mit jeweils 3 mm Durchmesser geliefert. Die Zinken werden in einen Steg eingeschraubt und können je nach Bedarf kombiniert, ergänzt oder reduziert werden. Zur Knospenreduktion werden längere Zinken eingesetzt. Der Rechen selbst dreht sich nicht. Die Mitte der Leiste, auf welcher die Zinken auseinanderstrebend angeordnet sind, kreist über einer Nockenwelle. Dadurch bewegen sich die Zinken im Außenbereich kreisförmig. Der Kreisdurchmesser beträgt ca. 6 cm. Ein Zweig zwische den Zinken wird somit geschüttelt. Zur Ausdünnung  kommen die Fruchttriebe zwischen die Zinken und werden von innen nach außen geführt. Knospen und Blüten werden jedoch nicht weggeschüttelt, sondern durch den direkten Kontakt mit den Zinken abgeschlagen. Zum späteren Einsatzzeitpunkt fallen die Fruchtansätze durch direktes Abschlagen und die Schüttelbewegung.  Zur Blüten- und Fruchtausdünnung erhöhen kurze und weniger Zinken die Arbeitsleistung, da die Triebe besser „einzufädeln“ sind.
Electro’liv und Electro’flor werden mit einem 48 Volt Akku der Firma INFACO betrieben.  Dieser ist mit den Electrocoup Elektroscheren der Firma kompatibel. Der Akku ist in eine Weste eingesetzt, mit 2,4 kg relativ leicht und reicht für etwa vier Betriebsstunden.

Olivenschüttler mit Gumminoppen
Dieser Prototyp eines Olivenschüttlers wurde von der französischen Firma SODIPA vertrieben.  Die Ausdünnung  erfolgt durch acht auf einer Kugel (Durchmesser 7 cm) angebrachten, sich nach außen leicht verjüngenden biegsamen fingerähnlichen Hartgumminoppen von knapp 10 cm Länge. Der Kugelkopf dreht sich über einer Nockenwelle, wodurch die Gummifinger vibrieren. Ähnlich wie beim Olivenschüttler der Firma INFACO wirkt weniger das Schütteln, als das Abrubbeln und Abschlagen der Knos- pen und Blüten ausdünnend. Der Betrieb des Geräts ist mit einer handelsüblichen 12 Volt Batterie möglich. Klein und tragbar ist eine Motorradbatterie, beim Anklemmen an ein KFZ oder einen Schlepper ist der Aktionsradius auf etwa zehn Meter begrenzt.
 
[Bildtext zu Abbildung 2] Ein Einkürzen der Fäden von Electro‘flor empfiehlt sich vor allem bei zunehmender Belaubung, da sich die Blätter in die drehenden Fäden einwickeln.
 

VERSUCHE

Verschiedene Tastversuche mit Variationen im Einsatzzeitpunkt und der Vergleich der
Geräte zu anderen Maßnahmen wurden im Jahr 2010  bei Aprikosen, Pfirsichen, Süßkirschen, Zwetschgen, Birnen und Äpfeln durchgeführt.
  • Bei Aprikosen  war die Reduzierung von Knospen und Blüten mit den eingesetzten Handgeräten erfolgreich und zeigte, bis auf wenige abgeknickte Zweige, keine  Baumschäden.  Der frühe  Ausdünnungszeitpunkt reduzierte den Zeitaufwand für die Handausdünnung erheblich und die Früchte reiften einheitlicher.
  • Bei Birnen  und Pfirsichen ist die Knospen- und  Blütenausdünnung   ohne  Baumschäden möglich. Der geringe und uneinheitliche Fruchtansatz ließ keine verlässliche Aussage zu.
  • Bei Äpfeln  ist die mechanische Ausdünnung mit Handgeräten nicht wirtschaftlich.  Der Blütenansatz schwer  auszudünnender Apfelsorten wie ‘Rubinette’ wurde gezielt reduziert, eine physiologische Baumreaktion folgte nicht.
  • Süßkirschen  der Sorte ‘Schneiders Späte Knorpel’ wurden mit Tree-Darwin und Elektro’flor zur Vollblüte und mit Elektro’flor zehnTage nach Vollblüte ausgedünnt. Die frühe Ausdünnung zur Vollblüte erhöhte die Fruchtgröße um bis zu 15 %. Die späte Reduzierung des Fruchtansatzes  verbesserte die  Fruchtgröße nicht nachweisbar. Es wurde weder eine erhöhte Neigung zum Röteln noch ein verstärkter Austrieb der Bäume beobachtet.
 
[Bildtext zu Abbildung 3] Bei Aprikosen war die Reduzierung von Knospen und Blüten mit den eingesetzten Handgeräten erfolgreich. Der frühe Ausdünnungszeitpunkt reduzierte den Zeitaufwand für die Handausdünnung erheblich und die Früchte reiften einheitlicher.
 

TASTVERSUCHE AN ZWETSCHEN 

Am  umfangreichsten waren die Ausdünnungsversuche an Zwetschen.  Bei fünf Sorten wurden die Handgeräte zu verschiedenen Einsatzzeitpunkten getestet und mit Tree-Darwin und  chemischen Varianten verglichen. Die Bäume der Sorten ‘Aprimira’ und Nr. 4801 waren im dritten Standjahr,  ‘Topfive’  und  ‘Haroma’ im  vierten Standjahr. Alle ausgewählten Bäume zeichneten sich durch lockeren Wuchs und reichen Blütenansatz aus.
Bei der Sorte ‘Aprimira’ konnte der Einsatz der Electro’flor zur Vollblüte und zum 20 mm- Stadium die Fruchtgröße um 20 % bzw. 12 % steigern. Im direkten Vergleich konnte durch eine Handausdünnung fünf  Wochen vor der Ernte durch das Entfernen zu kleiner Früchte zwar noch den Arbeitszeitaufwand bei der Ernte reduziert werden, aber die Fruchtgröße wurde nicht verbessert.
Bei der Nummersorte 4801, einer grünen Zwetschenzüchtung, wurde bei Vergleichen zur Wirkung von ATS (solo) zu Tree- Darwin (solo) und jeweils in Kombination mit der Electro´flor zur Vollblüte eine nur geringe Wirkung  von ATS ermittelt.   Die mechanischen Ausdünnvarianten  zeigten Wirkungsgrade von 30 bis 56 % gegenüber der Kontrolle.
Der Behang bei der Sorte ‘Topfive’ wurde mit Electro’flor zur Vollblüte und mit den beiden Olivenschüttlern im 20 mm-Stadium reduziert. Das Ergebnis wurde mit einer Handausdünnung verglichen. Die  Fruchtgröße wurde bei allen mechanischen Ausdünnungsmaßnahmen verbessert. Erfreulicherweise erhöhte die späte Ausdünnung den Moniliabefall nicht, da kaum Fruchtverletzungen entstanden.
Die zu Überbehang  neigende Sorte ‘Haroma’ wurde mit den beiden Olivenschüttlern jeweils zur Vollblüte und im 20 mm Stadium ausgedünnt. Das späte Abschlagen des Fruchtansatzes erzeugte auch bei dieser empfindlichen  Sorte keinen erhöhten Moniliabefall und erzielte noch eine ausreichende Zunahme der Fruchtgröße.




[Bildtext zu Abbildung 4] Ausdünnen von ‘Haroma’ mit dem Gerät Electro‘flor zum Zeitpunkt
Vollblüte.
 

AUSDÜNNVERSUCH ‘PRESENTA’

Der umfangreichste Ausdünnungsversuch konnte bei zehnjährigen Bäumen der Sorte ‘Presenta’ durchgeführt werden. Die Bäume stehen auf der Unterlage GF 655/2,  wurden im Jahr 1999 gepflanzt und sind als optimierte Tellerkrone erzogen. Verglichen wurden verschiedene Anwendungstermine von ATS, eine biologische Öl und Schwefelvariante und die mechanische Blütenausdünnung mit Darwin und Electro’flor (s. Tab. 3). Die Ergebnisse des Ausdünnungsversuchs bei der Sorte ‘Presenta’ lauten: Mechanische Geräte dünnen wetterunabhängig aus. Die höchste Ausdünnwirkung beim Einsatz von Darwin in Kombi- nation mit Electro’flor erzielt.
Die Wirkungsgrade der ATS-Varianten und die Öl-Schwefel-Behandlung variierten zwischen 18 und 27 %, bezogen auf die Erntemenge (s. Abb. 1). Die Versuche zeigten, dass ATS beim späten Einsatzpunkt (Stadium Abhosen) noch eine ausreichende Ausdünnwirkung ohne Fruchtschäden erreicht.
 

SCHLUSSFOLGERUNGEN AUS DEN AUSDÜNNUNGSVERSUCHEN 2010

Bei den vorgestellten Versuchen handelt es sich um Tastversuche. Ziel war, die Verträglichkeit, die Wirkungsweise und die Praktikabilität mechanischer Geräte zu prüfen. Es hat sich gezeigt, dass die frühe Ausdünnung ähnlich wie beim Kernobst auch beim Steinobst die Fruchtgröße verbessert und eine kompaktere Ernte mit einem geringeren Anteil kleiner Früchte ermöglicht.
Süßkirschen
Bei Süßkirschen kommt nur die Ausdün- nung durch Schnitt, Knospenreduktion und die Blütenausdünnung in  Frage. Bereits zehn Tage nach der Blüte sind Fruchtgrö- ßenverbesserungen nicht mehr zu bonitieren.
Aprikosen, Pfirsiche, Zwetschen
Bei Aprikosen, Pfirsichen und vor allem bei Zwetschen zeigten die Untersuchungen ein einheitlicheres Erntegut, ein kleineres Ern- tefenster und, bei Zwetschen, nach allen frühen Ausdünnungsmaßnahmen eine verbesserte Fruchtgröße.
Verletzungen
Nicht zu erkennen waren  Zweig- oder Fruchtverletzungen, es erfolgte kein verstärkter Austrieb, kein intensiveres Röteln oder andere fruchtabstoßende  Auswirkungen durch die  mechanischen Eingriffe.
Monilia
Weder konnte eine Erhöhung des Monilia- Befalls durch Verletzungen noch eine Verringerung des Monilia-Befalls  durch den weniger dichten Behang festgestellt werden.
Auswirkungen auf das Folgejahr
Die Auswirkungen auf den Blütenansatz und der Ertragsverlauf im Folgejahr werden noch ermittelt. Die erfolgversprechenden Varianten  werden in diesem Jahr optimiert.


[Bildtext zu Abbildung 5] Beim Gerät der französischen Firma SODIPA dreht sich der Kugelkopf über einer Nockenwelle, wodurch die Gummifinger vibrieren.
 

FAZIT

Vor allem für Betriebe  mit größere Sortenvielfalt, mit großvolumigen Bäumen und dort, wo kein Darwin-Anbaugerät vorhanden ist und auch nicht beschafft werden soll, können handgeführte Ausdünngeräte die sehr arbeits- und damit kostenintensive Handausdünnung reduzieren.
 

DANK

Mein Dank gilt den Kollegen der Sonderkulturgruppe des Landratsamts Karlsruhe und des Obstbau Lehr- und Versuchsbetriebs beim LTZ  Augustenberg, v.  a.  der fachlichen Unterstützung des Betriebsleiters Hermann Meschenmoser.
 

Medium

1975 hat der Vorstand der Fachgruppe Obstbau den Beschluß gefaßt, ab Januar 1976 eine Verbandseigene Fachzeitschrift herauszugeben. OBSTBAU hat sich seitdem zu einer renommierten Fachzeitschrift entwickelt, auf die kein zukunftsgerichteter Betriebsleiter/ Betriebsleiterin verzichten kann. Mit einer Auflage von über 7000 Exemplaren ist OBSTBAU heute die größte überregionale Fachzeitschrift für Obstbau im deutschsprachigen Raum.

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