Technik Plattform der Fachgruppe Technik

Besucher: 297952
 

Einsatzbereich


Kategorien

Sprühgeräte, 05.11.2014

EIN BILD AUS DER PRAXIS, TEIL I

Aktuelle Pflanzenschutzstrategien im Direktzug
Aktuelle Pflanzenschutzstrategien im Direktzug Während der Erstellung ihrer Doktorarbeit am Institut für Technik, Geisenheim, unter der Leitung von Prof. Hans-Peter Schwarz zur Entwicklung überzeiliger Pflanzenschutzgeräte im Steillagenweinbau, sind bei Dr. Eva Vollmer viele interessante Fragestellungen bezüglich der im deutschen Weinbau vorherrschenden, aktuellen Strategien im Pflan­zenschutz und der hieraus resultierenden Behandlungserfolge auf­getreten. In der Folge wurde eine empirische Untersuchung in Form einer Online-Umfrage konzipiert und deutschlandweit in Weinbau­betrieben verbreitet. Die nach statistischer Auswertung erörterten Schlussfolgerungen können in diesem Bericht eingesehen werden.

Bislang gibt es keine statistischen Erhebun­gen zum Thema Pflanzenschutzstrategien im Weinbau, die sich explizit mit der Erfas­sung unterschiedlicher Betriebsstrukturen in Verbindung mit der existierenden Pflanzen­schutztechnik, der individuellen Anwen­dungstaktik und der Erfolgsquote der durch­geführten Maßnahmen im Dirkektzug- und im Steillagenweinbau beschäftigen. Ein Son­derteil der vorliegenden Umfrage tangiert ausschließlich die Steillagenbetriebe mit vie­len Flächen größer 40 % Steigung. Die dort erfragten Themen zur Flächencharakteristik, Mechanisierungsstufe und Beurteilung der Zukunft der Steillagen werden in einem ge­sonderten Bericht (Teil 2) dargestellt.
Die Struktur der Umfrage für die Direktzug­betriebe umfasste fünf deutlich voneinander getrennte Themenbereiche: 
  • „Allgemeine Angaben" (Anbaugebiet, Be­triebsgröße, Wirtschaftsweise, Anlagen­struktur, Entlaubungsstrategie, Schlepper­typ)
  • „Zum Pflanzenschutzgerät" (Gebläsetyp, und -art, Düsentyp, -anzahl, und -satz, Überzeilen-, Recycling- und Sensortechnik)
  • „Zur Pflanzenschutzstrategie" (Fahrge­schwindigkeit, Drehzahl/Ölmenge, Geblä­sestufe, Spritzabstand, Behandlung - einseitig/beidseitig, Wasseraufwandmenge)
  • „Behandlungserfolg" SubjektiveBelagsqualität, Oidium- und Peronosporabefallsstärke der letzten sechs Jahre (2006 bis 2011), Kaufabsicht eines neuen Sprühgerätes -Welches?
 
Der schriftliche Fragebogen wurde in einen Onlinefragebogen des Anbieters „Easy Feed­back" transferiert. SPSS" Statistics 20 wurde als System zur Datenanalyse verwendet.
Bei der Verbreitung der Umfrage wurden offizielle Weinbauberatungsstellen mit um­fangreichen, selektiven Mailverteilern als Übertragungsorgane genutzt. Durch die ge­zielte Kontaktaufnahme mit ausgewählten Institutionen wie Weinbauverbänden, Gebietswein-werbungen, Ökoverbänden, dem Deutschen Weininstitut, der Landjugend und diversen Winzergruppierungen konnte ein weinwirtschaftsinterner Multiplikatoreffekt aktiv genutzt werden. Weiterhin wurde das zielgerichtete Kontaktieren von Winzerkolle­gen über soziale Netzwerke (Facebook) im Internet vorgenommen. Besonders die Akti­vierung sozialer Netzwerke erwies sich in diesem Zusammenhang als erfolgreich. Die Teilnahmequote der über moderne Kommu­nikationsplattformen avisierten Personen lag bei fast 100 %, de facto 60 Teilnehmer. Diese neuartige Form der virtuellen Rekrutierung ist auch im Agrarsektor nicht zu unterschät­zen. Der Feldzeitbericht mit allen wichtigen Kenndaten der Umfrage ist [Tabelle 1] zu ent­nehmen.
Die besondere Güte der Teilnehmeraktivität kann anhand der sehr guten Beendigungs­quote von 50 % gemessen werden. Die her­kömmliche Beendigungsquote bei Online-Umfragen liegt zwischen 10 und 20 % (Herr­mann & Homburg, 1999). Die hohe durch­schnittliche Teilnahmezeit von über 20 Minuten deutet eine intensive Bearbei­tungsweise der Fragen an. Die große Motiva­tion der Winzer, die Umfrage zu bearbeiten bestätigt den hohen Wichtigkeitsgrad dieses Themenkomplexes und den großen Informa­tionsbedarf bezüglich aktueller Pflanzen­schutzgerätetechnik und Erfolgsstrategien im Pflanzenschutz.
Zur Beurteilung der Repräsentativität der Umfrage wurde die Herkunftsverteilung von deutschen Weinbaubetrieben herangezogen. Die statistisch erhobenen Daten mit Bezug auf die amtlich erfassten landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland, die im Jahr 2010 Rebflächen bewirtschafteten (Statistisches Bundesamt, 2011) wurden im Vergleich zu den spezifischen Herkunftsangaben der Um­frageteilnehmer betrachtet. Die Differenz zwischen amtlich erfassten und eigens erho­benen Daten konnte prozentual erfasst wer­den: Beim deutschlandweiten Datenvergleich der Stichprobe mit der Realität wurden bei zehn Anbaugebieten lediglich prozentuale Abweichungen bis maximal 4,5 % festgestellt. Baden und Württemberg waren generell etwas unterrepräsentiert, was womöglich mit der Erreichbarkeit der Betriebe zusammenhängt. Die hohe Zahl der Einzelbetriebe minimiert die Chancen diese in der Gesamtheit elektro­nisch zu kontaktieren. Dort sind deutschland­weit die meisten Nebenerwerbsbetriebe zu finden, die vermutlich keinem Mailverteiler angeschlossen sind. Demgegenüber lag eine leichte Überbeteiligung im Anbaugebiet Rheinhessen von +13 % im Vergleich zum Bundesdurchschnitt vor, die Pfalz war hinge­gen durch temporäre technische Probleme des Internetanbieters leicht unterrepräsen­tiert. Die getätigte Pflanzenschutzumfrage ist in der Gesamtbetrachtung dennoch nach­weislich repräsentativ.
 

HERKUNFT UND BETRIEBSSTRUKTUR DER UMFRAGETEILNEHMER

Die Charakterisierung der teilnehmenden Betriebe können [siehe Abbildung 2] und [siehe Abbildung 3] entnom­men werden. Dort sind die Herkunftsregionen und die Betriebsgrößen angegeben. Die Umfrage bietet ein gutes Abbild der Praxis, das die vielseitigen Betriebsstrukturen der unter­schiedlichen deutschen Weinregionen mit einschließt und berücksichtigt.
 

BEFALLSANALYSE DER BEWERTETEN VEGETATIONSPERIODEN VON 2006 BIS 2011

Ein Überblick der beurteilten Pilzbefallsinten­sitäten der letzten Jahre aus der Sicht der Um­frageteilnehmer bieten [Tabelle 2] und [3]. Eine dreistufige Ratingskala „kein Befall", „schwa­cher Befall", „sehr starker Befall" charakteri­siert die Befallsstärke.
Demnach wurden die Jahre 2007 und 2008 als Vegetationsperioden mit hoher Gefahr für Peronosporainfektionen und das Jahr 2007 als recht markantes Oidiumjahr eingestuft. Besonders das Jahr 2007 scheint demnach ein geeignetes Jahr für die Bewertung von be­triebsindividuellen Pflanzenschutzstrategien zu sein.
Vor der Beurteilung jedes einzelnen Jahres wurden die Betriebe gefragt, ob sie grundsätz­lich in den letzten Jahren einen nennenswer­ten Befall von Oidium beziehungsweise Peronospora festgestellt haben (Antwort „ja" oder „nein"). Diese allgemeine Auskunft gab Hin­weise darauf, ob die verfolgte Strategie oder die verwendete Pflanzenschutztechnologie einen maßgeblichen Einfluss auf den Gesund­heitszustand der Rebanlagen hat oder nicht. Denn die Frage nach dem generellen Befall schließen die befallskritischen Jahre 2007 und 2008 ohnehin mit ein.
Die generierten Erkenntnisse für die Pflan­zenschutzpraxis und die am meisten vorzu­findenden Technologien werden in den fol­genden Abschnitten verschiedenen Themen­bereichen zugeordnet und anhand des resul­tierenden Krankheitsbefalls diskutiert.
 

GEBLÄSEARTEN UND DÜSEN

Die Pflanzenschutzmittelapplikation in Raumkulturen wie Obst- und Weinbau erfolgt heute fast ausschließlich mit Gebläseunter­stützung im so genannten Sprühverfahren.
Bei der Applikationstechnik im Direktzug finden alle Arten der Lufterzeugung Anwen­dung. Anhand der Umfrage dominiert das Axialgebläse anteilig mit der Hälfte aller ein­gesetzten Geräte, gefolgt vom Radialgebläse mit zirka einem Drittel Marktanteil [siehe Abbildung 6]. Tangentialgeräte nehmen mit zirka 7 % Vor­kommen eine Sonderstellung ein, da der An­schaffungspreis etwas höher ist. Pflanzen­schutzgeräte ohne Luftunterstützung sind überwiegend Tunnelsprühgeräte oder Rü­ckenspritzen in Kleinstbetrieben.
Bei der Analyse einer möglichen Relation zwischen Gebläseart und Krankheitsbefall, wird nur auf Direktzugbetriebe eingegangen, da die ausschließlich im Hang durchgeführten Schlauchspritzungen die Ergebnisse der Di­rektzugverfahren ohne Luft verfälschen wür­den. Gemäß [Tabelle 4] weichen Axial- oder Radialgebläse bei beiden Pilzerregern nicht signifikant (maximal 5 %) voneinander ab. Tangentialgebläse zeigen die geringste Be­fallstendenz aller Verfahren. Nicht luftgestütz­te Verfahren fallen besonders durch ein hö­heres Vorkommen von Oidiuminfektionen auf. Warum die Nutzung mehrerer Gebläsear­ten den höchsten Befall hervorruft, kann nicht nachvollzogen werden.
Neben der geeigneten Gebläsetechnik wird in Raumkulturen besonders durch die stei­genden Abstandsauflagen zu Gewässern und Saumbiotopen eine abdriftarme Zerstäuber­technik gefordert.
 
70 % der Teilnehmer verwendet fünf bis sechs Düsen je Teilbreite, 22 % nur vier Düsen je Teilbreite bei voller Belaubung. Über die Düsenkonfiguration wird im Zusammenhang mit Entblätterungsintensitäten ausführlicher diskutiert.
66 % der Betriebe verwenden abdriftarme, grobtropfige Injektordüsen, 33 % der Betriebe arbeiten mit fein zerstäubenden Hohlkegel­düsen. Die Auswirkungen auf den Pilzbefall im Zusammenhang mit der Düsenwahl sind als gering einzustufen. Bei beiden Düsenarten gaben jeweils ein Drittel der Befragten an, Peronosporabefall festgestellt zu haben. Beim Oidiumbefall neigt die Injektordüse mit 17,3 % der Befallsmeldungen nur zu gering­fügig höheren Infektionstendenzen im Ver­gleich zur Hohlkegeldüse mit 13,6 %. Diese nur minimale Verbesserung zur Pilzbekämp­fung rechtfertigt auf keinen Fall den Einsatz der Abdrift fördernden Hohlkegeldüse.
 

Entblätterungstrategien und Düsenwahl

Der größte anthropogene Einfluss bezüglich der Laubstruktur eines Weinbergs wird durch die Entblätterung der Traubenzone vor­genommen. Aus arbeitswirtschaftlichen Grün­den und durch gut zu steuernde Entlaubungs­systeme wird die maschinelle ein- oder beid­seitige Entblätterung vorgezogen, um Perso­nalkosten einzusparen (Petgen et al, 2007).
[Abbildung 8] verdeutlicht, dass zirka 84 % der befragten Betriebe mit Direktzugbewirt­schaftung in jedem Fall eine teilweise oder komplette Freistellung der Traubenzone vor­nehmen. Diese parzielle Offenheit der Laub­wand ist beim Pflanzenschutz stets zu berück­sichtigen. Wenn die Traubenzone komplett offen gehalten wird, können die Trauben besser vom Wirkstoff benetzt werden. Doch steigt auch gleichzeitig die Gefahr einer hohen Abdrift durch die Rebzeile hindurch. In die­sem Falle sollte womöglich auf ein größeres Kaliber in der Traubenzone verzichtet wer­den. Die Düsenkaliberverteilung über den gesamten Düsenstock (Düsensatz) im Zusam­menhang mit der Entlaubungsstrategie wird in [Tabelle 5] dargestellt. Erstaunlich ist, dass über die Hälfte der Betriebe bei vollständiger Freistellung der Traubenzone trotzdem dort ein größeres Kaliber verwenden. Als Resultat dieser Strategieführung auf die Peronospora-bilanz der letzten sechs Jahre haben 41 % der Betriebe mit einem durchgängigen Düsenka­liber Befall festgestellt, bei größerem Kaliber in der Traubenzone waren es hingegen etwa 6 % weniger. Bezüglich des Oidiumbefalls aber nur 3 % weniger. Diese geringe Differenz beim Behandlungserfolg rechtfertigt wohl nicht das um ein vielfaches gesteigerte Abdriftrisiko.
 

MITTELEINSPARUNG

Technische Zusatzeinrichtungen von Pflan­zenschutzgeräten eröffnen nach Bäcker (1993) neben der richtigen Düsenwahl eine gute Möglichkeit zur Verringerung des Ab­driftpotenzials bei gleichzeitiger Mitteleinspa­rung. Zu nennen sind Sensortechnik zur Er­kennung und Aussparung von Bestandslü­cken und Recyclingtechnik zur Rückführung nicht angelagerter Flüssigkeitsanteile.
Von den befragten Winzern nutzen 7 % (76 Betriebe) die 2-Phasen-Technologie. Dies hat zwar keine direkte Auswirkung auf den Behandlungserfolg, trägt jedoch zum Umwelt­schutz bei (Einsparung von Sonderfahrten). Nur 0,5 % der Teilnehmer geben an Sensor­technik zu verwenden. Diese mitteleinspa­rende und abdriftmindernde Technologie wird scheinbar immer noch nicht als notwen­diger Ausrüstungsgegenstand für Sprühgerä­te akzeptiert und muss durch Aufklärung und ständige Weiterentwicklung der Technologie in Zukunft besser positioniert werden.
5,3 % der Befragten (57 Betriebe) nutzen Recyclinggeräte. Bei näherer Betrachtung sind es meist Lipco-Geräte (zu 85 %), die so aus­gerüstet sind. Davon fahren allerdings nur 15 % mit Luftunterstützung, der Rest verwen­det Tunnelgeräte. Bezüglich des Behand­lungserfolges neigen die Recyclingeräte laut Umfrage im Vergleich zu herkömmlichen Sprühgeräten um zirka 10 % mehr zu Oidiumbefall, vermindern jedoch die Vorkommnisse von Peronospora ebenfalls um 10 % gegen­über der Vergleichstechnologie. Interessant wäre eine weitere Abfrage der selben Daten zu einem späteren Zeitpunkt, sobald mehr luftunterstützte Recyclinggeräte auf dem Markt sind, da es sich noch um eine verhält­nismäßig junge Entwicklung handelt.
 

BEHANDLUNGSSTRATEGIE UND ERHÖHUNG DER SCHLAGKRAFT

Der Einsatz mehrzelliger, luftunterstützter Pflanzenschutzgeräte ist zwar technologisch möglich, aber die Überzeilentechnik ist in der Anschaffung sehr kostenintensiv und nicht bei allen Geländebeschaffenheiten einsetzbar (Bäcker, 2000). Daher sind viele Betriebe dazu übergegangen, den Rebschutz nur alternie­rend in jeder zweiten Zeile durchzuführen oder die empfohlene Fahrgeschwindigkeit über 6 km/h hinaus zu erhöhen. Von den be­fragten Weinbaubetrieben behandelt die Hälf­te nur jede zweite Zeile während der gesamten Vegetationsperiode [siehe Abbildung 10]. Diese Taktik kann aus Pflanzenschutzgründen riskant sein und wird vom Gesetzgeber generell abgelehnt (BMELV, 2005). In Praxisversuchen hat Bäcker (1999) ermittelt, dass bei der Behandlung je­der zweiten Reihe in den Nachblütestadien bei identischen Geräteeinstellungen auf der Blattoberseite ungefähr 11 % mehr, auf der Blattunterseite etwa 33 % weniger und an den Trauben bis zu 77 % weniger Belagsmasse zu finden ist.
In [Tabelle 6] sind die Zusammenhänge der Behandlungsstrategie und des Behandlungs­erfolgs dargestellt. Die befragten Betriebe scheinen, orientiert an deren Befallsangaben, mit nur einseitiger Applikation gleiche oder sogar geringfügig bessere Behandlungserfol­ge zu erzielen wie diejenigen, die beidseitige Applikation praktizieren.
Vielleicht sollte künftig in der Strategiefüh­rung diesbezüglich das Mittelmaß gewählt werden, um gleichzeitig Arbeitszeit einzuspa­ren (jede zweite Zeile), aber in infektionsge­fährlichen Phasen sichere Methoden anzu­wenden (jede Zeile). Idealerweise wären die Pflanzenschutzmaßnahmen situationsbedingt exakter an die Stärke des Infektions­drucks der Erreger anzupassen.
Das Gefahrenpotenzial der einseitigen Be­handlung liegt aber besonders in der Unfle­xibilität gegenüber einem zeitgemäßen Bo­denmanagement. Meist ist nur jede zweite Gasse begrünt und die offene Gasse ist nach Niederschlägen nicht befahrbar (vergleich hohe Niederschlagsmengen April/Mai 2013!). Ein alternierendes einseitiges Befahren bei zwei aufeinander folgenden Pflanzenschutz­behandlungen kann also bei langen Regen­perioden nicht praktiziert werden. In solchen Schlechtwetterperioden steigt das Risiko ei­nes Krankheitsbefalls bei einseitiger Behand­lung somit exorbitant an.
Bäcker (2000) bemerkte, dass alternativ zur Zweizeilenbehandlung eine leichte Erhöhung der Fahrtgeschwindigkeit auf 7 bis 8 km/h unbedenklich sei, hingegen wären 10 km/h nicht vertretbar. Die Verteilung der Fahrge­schwindigkeiten beim Pflanzenschutz ist in [Abbildung 12] dargestellt. In [Tabelle 7] sind die Befallsvorkommnisse in Bezug zur Fahrge­schwindigkeit einzusehen. Bei Oidium scheint die Befallsstärke mit moderat steigender Ge­schwindigkeit leicht zuzunehmen, ab 9 km/h ist sie wieder stark verringert. Bei Peronospora hingegen ist die Tendenz bei steigender Geschwindigkeit jedoch allgemein sinkend. Da immerhin 24 % der Betriebe eine Ge­schwindigkeit von 9 km/h und höher wählen, sind die Zahlen nicht als Zufallsergebnisse anzusehen. Diese Betriebe scheinen Erfolg mit der erhöhten Geschwindigkeit zu haben, jedoch hängt die Fahrtgeschwindigkeit beson­ders von der Gelände- und Anlagenbeschaf­fenheit ab.
 

ÜBERZEILENTECHNOLOGIE

Pflanzenschutzgeräte, die unter Verwendung von Überzeilengestängen über die Fahrgasse applizieren, bieten große arbeitswirtschaftliche Vorteile und widersprechen nicht, im Gegen­satz zur Behandlung jeder zweiten Zeile, den Vorgaben der guten fachlichen Praxis.
Die technische Ausführung der Überzeilen­technik ist in vielfältiger Weise in der Praxis zu finden. Die Grundfrage, ob überzeilig mit oder ohne Luftunterstützung gearbeitet wer­den sollte, konnte nach mehrjährigen Ergeb­nissen positiv für die Luftunterstützung ent­schieden werden. Trotz vielfacher Experten­meinung (Bäcker, 1999; Geyrhofer, 2010; Knewitz et al., 2012), die provisorisch ange­baute Überzeilengestänge in Leichtbauweise ohne Luftunterstützung als eher fraglich und in der Benetzung als suboptimal einstufen, verwenden heute noch laut Umfrage etwa 40 % der Winzer mit Überzeilengeräten diese unprofessionelle Bauform der Technik.
Qualitative Ausnahmen bei der gebläselosen Überzeilentechnik bilden Tunnelspritz­geräte des Herstellers Lipco mit Recycling­kreislauf, die ohne Luftunterstützung arbeiten und deren Belagsmassen von Schwedhelm (2006) als positiv eingestuft wurden. Die Über­prüfung dieser These im Bezug auf die Befalls­auswirkungen wurde im Zusammenhang mit dem Themenkomplex der Recyclingtechnik bereits eruiert.
In 23 % der gesamt erfassten deutschen Weinbaubetriebe wird Überzeüentechnik eingesetzt (231 Teilnehmer). Davon sind 44 % der Geräte luftunterstützt (102 Betriebe). Es stellt sich die Frage, ob die technisch aufwendigere Luftunterstützung einen merklich positiven Effekt auf den Behandlungserfolg ausübt. Dies wird in [Tabelle 8] geprüft. Anders als erwartet sind die Peronosporameldungen bei beiden Verfahren annähernd gleich auf, bei Oidium ist die luftgestützte Überzeilentechnik im Vor­teil. Es wäre zu erwarten gewesen, dass gera­de beim Peronosporapilz, der über die Blatt­unterseite eintritt, das Drehen der Blätter durch die geräteimplizierte Luftbewegung die entscheidende Rolle zum Behandlungserfolg beiträgt.
 

GERÄTEEINSTELLUNG UND RESULTIERENDER LEISTUNGSBEDARF DES SPRÜHGERÄTES

Nach Moitzi (2005) hat der Pflanzenschutz bei allen mechanisierten Tätigkeiten des Wein­baus den zweithöchsten Treibstoff-Verbrauch zu verzeichnen. Moitzi nennt in diesem Zu­sammenhang Einsparungsmöglichkeiten in der Wahl des optimalen Motorbetriebspunktes durch eine angepasste Zapfwellendrehzahl.
Angesichts der stetig steigenden Kraftstoff­preise und des Ausstoßes von Treibhausgasen ist eine Kraftstoffreduktion durch Drehzahl­reduzierung anzustreben (Bäcker et al., 2009).
Durch eine Anpassung der Gebläseluft an die Raumkultur kann die Drehzahl nach Knoll et al. um etwa 30 % reduziert werden. Eine Zapfwellenreduktion von 540 U/min auf 380 U/min vermindert den Energieaufwand um die Hälfte. So werden bei einem 60 kW-Schlepper anstatt 8 l/h bei Nenndrehzahl nur 4 l/h verbraucht (Knoll et al., 2011).
Bis in die jüngste Zeit hinein herrscht je­doch in der Praxis die Überzeugung vor, dass nur ein starker Luftvolumenstrom des Geblä­ses eine ausreichende Durchdringung der Laubwand sowie eine gute Belagsbildung ermöglicht. Dementsprechend werden die Gebläse weitläufig überwiegend in der ener­getisch unvorteilhaften großen Gebläsestufe betrieben, was das projizierte Meinungsbild von 557 Weinbaubetrieben in [Abbildung 15]verdeutlicht. Bei dieser Vorgehensweise wird für den externen Betrachter visuell ein enor­mer vertikaler Austrag in Form einer Sprüh­wolke erkennbar.
Verschiedene Untersuchungen von Bäcker und Struck (2002) bewerten die Verwendung der zweiten Getriebestufe eines Pflanzen­schutzgerätes als nachteilig, da das hohe aus­gebrachte Luftvolumen größer 25 000 m3/h zu mächtig ist, um in der Laubwand zu ver­bleiben und es zu einem vermehrten Stoffaus-trag im peripheren Bereich der Laubwan­drückseite kommt.
Das Verwenden der zweiten Gebläsestufe scheint anhand der in [Tabelle 9] dargestellten
Teilnehmeraussagen wenig sinnvoll. Bei der Peronosporabehandlung bringt mehr Luft nicht mehr Erfolg, bei der Oidiumbekämpfung muss sogar mit leicht erhöhten Befall­saufkommen bei höheren Getriebestufen gerechnet werden.
Erfreulich für die Energiebilanz ist hingegen das Bestreben der Umfrageteilnehmer während des Sprühvorgangs die Zapfwellen­drehzahl im „Standardbereich" von 540 U/ min zu halten. Diese Taktik verfolgen unge­fähr 50 % der Betriebe. Nur 5 % wählen eine höhere Drehzahl, demgegenüber reduziert der Rest der Betriebe auf eine Zapfwellen­drehzahl von 350 bis 500 U/min. Aus [Tabelle 10], die die Auswirkungen der Drehzahl auf den Pilzbefall darstellt, kann abgeleitet wer­den, dass eine Erhöhung der Drehzahl über 540 U/min nicht zu empfehlen ist. Reduzie­rungen auf 400 oder 450 U/min scheinen im Sinne einer Energieeinsparung absolut unbe­denklich. Eine extreme Reduzierung auf 350 U/min könnte jedoch den Behandlungs­erfolg herabsetzen. Das leicht erhöhte Peronosporaaufkommen bei 500 U/min scheint durch andere Behandlungsfaktoren aufgetre­ten zu sein. Solche Diskrepanzen bei der Aus­wertung können nämlich dann auftreten, wenn die Gruppe der Probanden an einem anderen Punkt in der Strategieführung nach­teilig gehandelt haben, indem sie beispiels­weise zu große Spritzabstände gewählt haben.
 

PFLANZENSCHUTZ IM KONVENTIONELLEN KONTRA ÖKOWEINBAU

In Deutschland unterliegen bei der Landwirt­schaftszählung 2010 rund 5,5 % aller Betriebe mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen der ökologisch zertifizierten Wirtschaftsweise (DWI, 2012).
Die in der Umfrage erhobenen Daten wei­sen einen hohen Anteil ökologischer und biologisch-dynamischer Betriebe auf [siehe Abbildung 18], diese sind somit, verglichen mit der allge­meinen Statistik, stark überrepräsentiert. Die hohen Teilnehmerzahlen aus dem Biobereich resultieren wohl aus den gut frequentierten Verteilern der Ökoberatungsstellen.
Bevor aber bei dieser Thematik der Behand­lungserfolg analysiert werden kann, müssen die wichtigsten Pflanzenschutzfaktoren (ein­seitige/zweiseitige Behandlung, Spritzabstän­de), bezogen auf die im Betrieb verfolgte Wirt­schaftsweise dargelegt werden. In [Tabelle 11] ist zu erkennen, dass ähnliche Strategien bezüglich des Befahrens jeder oder jeder zweiten Zeile unabhängig der Wirtschaftsform angewendet werden. Interessant ist gerade die geringe Tendenz im biodynamischen Wein­bau jede Zeile zu befahren. Die Erklärung folgt in [Tabelle 12], dort geben die biodynamischen Betriebe an, die Spritzabstände generell in den kürzesten Intervallen zu halten um dies zu kompensieren. Im herkömmlichen Öko­weinbau ist der Spritzabstand von acht bis zehn Tagen als Standard anzusehen, konven­tionelle und integriert wirtschaftende Betrie­be setzen den Fokus auf elf bis 14 Tage. Starke Nerven beweisen über 10 % der Biodynamiker, die den Rhythmus von 14 Tagen sogar noch überschreiten.
Folglich stellt sich die Frage nach dem Be­handlungserfolg. Die konventionellen und integrierten Betriebe scheinen hierbei klar im Vorteil zu sein ([Tabelle 13]). Tiefenwirksame Mit­tel bieten nachweislich eine dauerhafte und schlagkräftigere Unterdrückung der Schader­reger, im Vergleich zu den Kontaktwirkstoffen. Auch finden sich teils kurative Mittel auf der zur Verfügung stehenden Produktpalette.
Besonders bei dem schwerer zu bekämp­fenden Peronosporapilz müssen weitere Pro­dukte für den Ökoweinbau gefunden werden, um die Befallssituation zu verbessern. Ein langfristiges Verbot von phosphoriger Säure im Ökoweinbau könnte demzufolge schwere wirtschaftliche Folgen haben.
Im Zusammenhang der Boniturgenauigkeit muss aber auch auf die Empfindlichkeit der Betriebsleiter bezüglich der Feststellung eines markanten Pilzbefalls hingewiesen werden. Ökobetriebe zeigen eine hohe Sensibilität, wenn es um Schadschwellen geht, da jegliches Pilzaufkommen im Bestand frühzeitig erkannt und präventiv behandelt werden muss. Öko­betriebe beurteilen eine leichte Befallssitua­tion nach eigenen Erfahrungen durchaus kritischer als konventionelle Betriebe. Bei intensiven phytosanitären Maßnahmen, wie dem Trauben teilen, wird oftmals ein Befall sichtbar, der bei schneller Bonitur leicht über­sehen werden kann.
 

WASSERAUFWANDMENGE

Die Angaben zur Wasseraufwandmenge bei voller Belaubung streuten insgesamt von 100 l/ha bis 2400 l/ha. Die meisten Betriebe gaben an, 400 l/ha auszubringen.
Dies resultiert aus der weit verbreiteten Vorgehensweise die Reben alternierend jede zweite Zeile zu besprühen. Das Gros der Be­triebe verteilte sich jedoch zwischen 400 l/ha und 800 l/ha, wobei dann auch die beidseiti­ge Behandlung inkludiert ist. Angaben darü­ber und darunter stellten eher die Ausnahme dar. Es konnte kein signifikanter Zusammen­hang zwischen Brühemenge und Krankheits­befall festgestellt werden.
 

PFLANZENSCHUTZ IM MINIMALSCHNITT

Eine Rationalisierungsmöglichkeit mit der Erziehungsform des Minimalschnitts setzt den Einsatz maschineller Ernte voraus, wei­terhin wird für den Pflanzenschutz zur Durch­dringung der Laubglocke die Applikation mit einem größeren Gebläse, vorzugsweise in Radialbauart, empfohlen.
Die Angaben zur Erfolgsquote des Pflan­zenschutzes im Minimalschnitt unter Verwen­dung unterschiedlicher Gebläsearten revi­diert jedoch die in der Praxis weit verbreitete Annahme, dass ein leistungsstarkes Gebläse mit hohen Windgeschwindigkeiten zu besse­ren Behandlungsergebnissen führt. Von 80 „Minimalschnittbetrieben" verwenden die Hälfte Axialgebläse und ein Drittel Radialge­bläse. 50 % der Radialgebläse lösen nach de­ren Angaben eine Befallssituation aus, bei Axialgeräten kommt es nur in 33 bis 35 % der Fälle zum Peronosporabefall. Ein größeres Luftvolumen scheint in diesem Zusammen­hang zu besseren Behandlungserfolgen zu führen, als das Sprühen mit hohen Windge­schwindigkeiten.
Zudem geben die betroffenen Betriebe an, keine besondere Strategie in Minimal­schnittanlagen zu verfolgen. Die Spritzabstän­de werden hier analog zu Spalieranlagen ge­wählt.
Um diesen Tendenzen jedoch detailliert nachzugehen, hätten differenziertere Frage­stellungen in einem separaten Themenblock „Minimalschnitt" aufgeführt werden müssen. In einer weiteren spezifizierten Umfrage zum Thema „Pflanzenschutz im Minimalschnitt" könnte es zur Prüfung der ersten Ergebnisse mit erhöhter Probandenzahl kommen. Es wird jedoch schwierig sein, aus der gesamten Winzerschaft diejenigen herauszufiltern, die diese Erziehungsform zielgerichtet und fach­gerecht betreiben.
 

BEWERTUNG DES EIGENEN SPRÜHGERÄTES

Interessant ist die subjektive Einschätzung der Betriebe bezüglich der Qualität des Spritzbil­des. 96 % der Teilnehmer sind zufrieden, res­pektive sehr zufrieden mit der Arbeit ihres Pflanzenschutzgerätes. Nur 4 % geben sich unzufrieden und bilden somit klar die Min­derheit. 151 Betriebe haben vor in der nächs­ten Zeit ein neues Sprühgerät zu kaufen. Die Auswertung der beabsichtigten Gebläseart hat ergeben, dass 32 % dieser Betriebe Axialge­bläse wählen, 43 % Radialgebläse, 24 % Tangentialgebläse und 1 % ohne Luftunterstüt­zung. Diese momentane Verteilung darf je­doch nur als Momentaufnahme gesehen werden und nicht als langfristiger Trend zu einer bestimmten Gebläseart.
 

FAZIT

Im Rahmen der vorliegenden Pflanzenschutz­umfrage konnten viele Zusammenhänge zwi­schen Pflanzenschutzstrategie und Behand­lungserfolg in einem repräsentativen Umfang analysiert werden. Ein krankheitsfreier Rebbestand ist jedoch stets als eine Verket­tung mehrerer Strategiefaktoren zu sehen. Eine multifaktorielle Analyse aller Behand­lungsfaktoren ist leider nicht möglich, da die verwendeten Sprühgeräte und Strate­gien betriebsspezifisch zu unterschiedlich sind. Die vorliegende Veröffentlichung darf daher nicht als Lösung für individuelle Ansprüche des Einzelbetriebes gesehen wer­den.
Die Ergebnisse sollen besonders einen Anstoß geben die eigene  Pflanzenschutzstrategie in bestimmten Punkten zu überdenken und gegebenenfalls an die Anforderungen eines modernen Pflanzenschutzes anzupassen. In einigen Themenbereichen konnte gezeigt werden, dass Maßnahmen zum Umweltschutz nicht unbedingt den Behandlungserfolg herabsetzen und dies ist auch besonders in Punkto Verbraucherakzeptanz zu berücksichtigen.

Die Forschungsanstalt Geisenheim ist eine der ältesten Forschungseinrichtungen des Wein- und Gartenbaus im deutschsprachigen Raum.
Im Rahmen einer engen Verknüpfung mit der Hochschule RheinMain werden in Geisenheim rund 1000 Studierende der Fachrichtungen Weinbau und Oenologie, Getränketechnologie, Gartenbau sowie Landschaftsarchitektur von den Mitarbeitern der Forschungsanstalt in Vorlesungen und Übungen mit betreut.
Ziel unserer Arbeit ist es, innovative Forschungen in anwendbare Handlungsansätze für die Praxis umzusetzen und anzubieten, um deren Konkurrenzfähigkeit zu stärken. Die zukünftigen Diplomingenieure, Bachelors und Masters sollen sowohl national als auch international Leitungsfunktionen in den von uns vertretenen Industrien übernehmen können.

Medium

 
  • Die Forschungsanstalt Geisenheim ist eine der ältesten Forschungseinrichtungen des Wein- und Gartenbaus im deutschsprachigen Raum.
  • Im Rahmen einer engen Verknüpfung mit der Hochschule RheinMain werden in Geisenheim rund 1000 Studierende der Fachrichtungen Weinbau und Oenologie, Getränketechnologie, Gartenbau sowie Landschaftsarchitektur von den Mitarbeitern der Forschungsanstalt in Vorlesungen und Übungen mit betreut.
  • Ziel unserer Arbeit ist es, innovative Forschungen in anwendbare Handlungsansätze für die Praxis umzusetzen und anzubieten, um deren Konkurrenzfähigkeit zu stärken. Die zukünftigen Diplomingenieure, Bachelors und Masters sollen sowohl national als auch international Leitungsfunktionen in den von uns vertretenen Industrien übernehmen können.
Werbung