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Grubber & Kreisleggen, 09.03.2013

WEINBAULICHE (BODEN)-PFLEGE UND TRAUBENGESUNDHEIT

Klimawandel: Bezüglich der weinbaulichen Pflegemassnahmen stellt sich die Frage nach einer Bestandesführung, die ermöglicht, gegen Ende der Vegetationsperiode optimales Lesegut zu ernten.
Im Zusammenhang mit dem Klimawandel war in den letzten beiden Jahrzehnten festzustellen, dassdie extremen Wechsel zwischen trockenen und nassen sowie heissen und kühlen Perioden, aber auch die Niederschlagsintensitäten stark zunahmen. Immer häufiger treten auch sehr trockene Zeitabschnitte im Frühjahr oder -sommer auf. Bezüglich der weinbaulichen Pflegemassnahmen stellt sich damit die Frage nach einer Bestandesführung, die ermöglicht, gegen Ende der Vegetationsperiode optimales Lesegut zu ernten.

Während die Jahresniederschläge für den Bereich des Oberrheingrabens und das angrenzende Bodenseegebiet über die zurückliegenden Jahre sehr ähnliche Werte erreichten und nach den Prognosen der Klimaforscher in den kommenden Jahrzehnten sogar zunehmen sollen, haben dieWinzer in den vergangenen Jahren häufig ausgeprägt trockene und teilweise sehr warme Frühjahrsperioden erlebt. Hieraus resultierten sehr geringe Bodenwasserkapazitäten zu Beginn der Rebvegetation. Damit stellte sich für die Winzer die Frage, ob eine Bodenbearbeitung zu Saisonbeginn, gegebenenfalls verbunden mit einer Stickstoffdüngung, wirklich eine geeignete Bewirtschaftungsform für Weinberge zur Qualitätserzeugung darstellen. Da die Niederschläge nach trockenen Frühjahren während derVegetationsperiode und im ungünstigsten Fall auch bei der Lese oft intensiver ausfallen, birgt eine Frühjahrsbodenbearbeitung eine erhöhte Gefahr für Bodenzustand und Traubengesundheit, wie die Jahre 1994, 1995, 2000 und 2006 deutlich gezeigt haben.
 

STICKSTOFFMINERALISIERUNG

In Abbildung 1 sind für eine Grauburgunderanlage am Blankenhornsberg die unterschiedlichen Verläufe der Stickstoffmineralisierung in vier verschiedenen Versuchsvarianten wiedergegeben. Auf der ursprünglich einheitlich bewirtschafteten Fläche wurde im Frühjahr 2009 eine Hälfte schonend mit der Kreiselegge bearbeitet (siehe oberste Teilgrafik Abb. 3). Zur Variation der Stickstoffdüngermenge wurden vorgängig neben einer Gabe von 40 kg/ha auf der anderen Flächenhälfte 120 kg/ha ausgebracht.
Die gemessenen Mengen an mineralisierbarem Stickstoff zeigten über den ganzen Jahresverlauf hinweg deutliche Unterschiede. Dabei ergab sich auch, dass die Bodenbearbeitung einen grösseren Einfluss auf den gemessenen Stickstoffgehalt in der Bodenlösung hatte als die doch klar unterschiedliche Düngermenge. Die Veränderung ist naturgemäss in den Oberböden stärker als in den Unterböden. In allen vier Varianten blieben auch bei Vegetationsende noch deutliche Mengen mineralisierbaren Stickstoffs im Boden zurück. Die Bodenbearbeitung hat am Untersuchungsstandort im Jahr 2009, wie übrigens auch imVorjahr, zu einer Überversorgung der Rebe mit Stickstoff geführt und unnötige Kosten verursacht. Gleichzeitig trat in der Bodenbearbeitungsvariante die Traubenfäulnis sehr intensiv in Erscheinung.


 

FÄULNIS

Um einer stärkeren Beeinflussung des Traubengesundheitszustands durch die Bodenbearbeitung entgegenzuwirken, wurden in den Jahren 2007 und 2008 Bewirtschaftungsmassnahmen zur Fäulnisvermeidung mit Ansätzen verglichen, die die Traubenfäulnis fördern (Abb. 2). In der Variante «Fäulnisförderung» war 2008 gesundes Lesegut nur mit extrem hohem zusätzlichem Arbeitsaufwand bei der Lese zu erreichen, was den Erlös für diese Produktionart sehr niedrig ausfallen liess.
Im Jahr 2009 wurde die Auswirkung unterschiedlicher Bewirtschaftungsverfahren auf die Gesunderhaltung der Trauben in differenzierterer Form und grundsätzlich in zweifacher Wiederholung geprüft. Durch Unterteilung in einen Versuchsteil mit Bodenbearbeitung (Rebzeilen 1 bis 10) und einen ohne (Rebzeilen 11 bis 20) wurde die Wirkung der Bewirtschaftungsmassnahmen bei unterschiedlicher Stickstoffversorgung geprüft.
 

BODENBEARBEITUNG ODER NICHT?

Abbildung 3 (Mitte) zeigt den Unterschied in der Befallshäufigkeit durch Traubenfäule und dem daraus resultierenden Ertragsverlust zwischen den Versuchsvarianten bei der Bonitur von 8242 Grauburgundertrauben Ende August 2009. Während die zu diesem eher frühen Reifezeitpunkt überwiegende Essigfäule in den Varianten mit geringerer Stickstoffüberversorgung sowohl die Befallshäufigkeit als auch den Ertragsverlust verringerte, lagen dieWerte nach Bodenbearbeitung deutlich höher. Eindeutig ist, dass bereits zu diesem Boniturtermin die Summe aller weinbaulichen Massnahmen zur Befallsreduktion (Regalis- plus Botrytizidanwendung; reduzierte Stickstoffdüngung; konsequente Entfernung von Doppel- und Kümmertrieben; moderate Entblätterung der Traubenzone) sowohl mit als auch ohne Bodenbearbeitung am besten geeignet ist, die Traubenfäulnis auf niedrigem Niveau zu halten. Einzelmassnahmen aus dem genannten Massnahmenbündel in den Rebzeilen 2 bis 9 hatten einen geringeren Wirkungsgrad und führten unter Einfluss der Bodenbearbeitung schon früh zu höheren Ertragsverlusten. In den Zeilen ohne Bodenbearbeitung zeitigten bereits ein moderates Entblättern und das Entfernen von Doppel- und Kümmertrieben (Zeile 14 und 17) deutlich gesünderes Lesegut.

 

SPÄTFOLGEN

Die Ergebnisse der Bonitur von 5636 Trauben im gleichen Versuch an einem für Grauburgunder in diesem Jahr sehr späten Termin (Abb. 3 unten) zeigten, dass Befallshäufigkeit und Ertragsverlust über alle Varianten stark angestiegen waren. Weiterhin hatte aber die Summe aller positiv wirkenden weinbaulichen Massnahmen eine klar begrenzende Wirkung auf beide Messgrössen. Im Versuchsteil ohne Bodenbearbeitung (Rebzeilen 11 bis 20) lagen die Werte der Befallshäufigkeit insgesamt etwas niedriger als nach Bodenbearbeitung. Von den einzelnen weinbaulichen Massnahmen wirkten bei Bodenbearbeitung Regalisanwendung, Doppel- und Kümmertriebentfernung sowie eine moderate Entblätterung am besten, insbesondere auf die Senkung des Ertragsverlusts. In der Variante ohne Bodenbearbeitung waren dies wiederum die Doppel- und Kümmertriebentfernung, die moderate Entblätterung, aber auch schon die Reduktion der Stickstoffdüngung.
Die zum zweiten Boniturtermin vorgenommene Unterscheidung zwischen Essigfäule und Botrytis (Ergebnisse nicht dargestellt) liess erkennen, dass die Essigentwicklung 2009 unter dem Einfluss der zusätzlichen Bodenbearbeitung (Rebzeilen 1 bis 10) einen wesentlich grösseren Ertragsverlust auslöste. Bezüglich Essigfäuleentwicklung, die wie erwähnt bereits früh zu erkennen war, haben in beiden Varianten ebenfalls die Doppel und Kümmertriebentfernung sowie eine moderate Entblätterung und die Regalisanwendung die beste Wirkung erzielt.
Problematische Inhaltsstoffe wie flüchtige Säure, Gluconsäure und durch Botrytisbefall induzierter Glyceringehalt im Most konnten ebenfalls durch dieselben rebbaulichen Massnahmen erfolgreich kontrolliertwerden.


Pinot noir mit Pilzbefall 
 

KOSTEN- UND ERTRAGSBERECHNUNGEN

Nach Abwägung des Aufwands bei den unterschiedlichen Bearbeitungsmassnahmen ergibt sich, dass von den Zeilen 5 und 6 zu den Zeilen 1 und 10 beziehungsweise von den Zeilen 15 und 16 zu den Zeilen 11 und 20 die Kosten zwangsläufig zunehmen müssen. Die höchsten Mehraufwände belaufen sich auf zirka 650 Euro/ha. Auf Seiten der Ertragssituation ist zu berücksichtigen, dass lediglich das gesunde Traubengut zum Erlös beiträgt, wobei die Ausfälle zum Teil gegen 90% steigen. Beim «bereinigten Erlös» müssen weiter der zusätzliche Bewirtschaftungsaufwand und gegebenenfalls die Kosten für den Sortieraufwand bei der Handlese in Abzug gebracht werden. Die detaillierte Berechnung (nicht dargestellt) lässt erkennen, dass die schrittweise Intensivierung der weinbaulichen Massnahmen sich auf den effektiven Erlös und somit auf das Einkommen zunehmend positiv auswirkt. Allerdings führt der enorme Mehraufwand für die Lesegutsortierung in den Zeilen 5 und 6 beziehungsweise 15 und 16 (vorausgesetzt, dass überhaupt noch gelesen werden kann) zu einem wesentlich geringeren Ertrag. In derVariantemit Bodenbearbeitung wäre in den Zeilen 1 und 10 sowie in der Variante ohne Bodenbearbeitung in den Zeilen 11 und 20, 12 und 19 oder 13 und 18 eine maschinelle Lese nach vorherigem Durcharbeiten wohl noch möglich gewesen. Dies erhöht den wirtschaftlichen Vorteil dieser Varianten etwas. In den übrigen (zwölf!) Rebzeilen wäre eine maschinelle Lese kaum in Frage gekommen, was eine Verwertung bei Personalmangel oder schwierigem Lesewetter wie 2006 ganz ausgeschlossen hätte.

 

BODENBEARBEITUNG JA – ABER WIE?

Ein Eingriff in die Bodenstruktur zu Vegetationsbeginn, insbesondere nach einem relativ trockenen Frühjahr, auch wenn er nur sehr flachgründig mit einer Kreiselegge durchgeführt wird, muss im Licht dieser Ergebnisse kritischbetrachtet werden. In Verbindung mit den erwarteten Klimaänderungen oder in Geländeformen mit zunehmender Hangneigung verbietet sich ein solcher Eingriff von Vornherein. Die Frühjahrsbodenbearbeitung mit Kreiselegge, Grubber oder Fräse stellt weiter einen starken Eingriff in die Biodiversität des Standorts dar, reduziert die Vielfalt der vorhandenen Flora und Fauna und schwächt die Eigenregulation des komplexen Systems Weinberg. Alternativen zur öffnenden Frühjahrsbodenbearbeitung bestehen durchaus. Meist wird eine vorwinterliche Tieflockerung in Kombination mit Spursaat, Übersaat oder flacher Einsaat von Leguminosenmischungen (besonders in Anbetracht der zunehmenden Mechanisierung der Traubenlese) in den Vordergrund rücken. Das Verfahren kann auch Schutz gegen eine Gefährdungen durch Chlorose, Stiellähme und Traubenwelke leisten. In unbewässerten oder nicht bewässerbaren Weinbergregionen und der daraus resultierenden Stresssituation für die Rebe sowie in Bereichen mit zunehmender Hangneigung wird ein Bodenhumusmanagement mit regelmässiger Zufuhr organischer Düngermaterialien in die praktische Weinbergsbewirtschaftung Aufnahme finden müssen, um den negativen Folgen einer klimatischen Veränderung wirksam entgegenwirken zu können. 

Medium

Die Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau (SZOW) verbreitet die Forschungsresultate von Agroscope, der deutschsprachigen Forschungsinstitute und der Fachorganisationen im Reb- und Obstbaubereich. Die wissenschaftlichen Artikel behandeln Themen im Bereich Rebbau, Önologie, Obstbau, Obstverarbeitung sowie Lebensmittelqualität und -sicherheit.
Die in deutscher Sprache erscheinende Zeitschrift enthält französischsprachige Zusammenfassungen der Fachbeiträge. Sie erscheint zweimal pro Monat und richtet sich vor allem an Produzenten, Berater, Lehrpersonen, Bibliotheken, Handelsunternehmen sowie interessierte Laien. Herausgeber der SZOW ist der Verein Publikationen Spezialkulturen (VPS) mit Sitz in Wädenswil, Schweiz.
 
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