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Ausdünnmaschinen, 10.03.2012

BEHANGSREGULIERUNG DURCH BESCHATTUNG BEI APFELBÄUMEN (I)

Nach mehrjähriger Versuchsarbeit an der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW zeigte sich, dass eine zeitlich begrenzte, richtig dosierte Beschattung der Apfelbäume nach der Blüte zu einem optimalen Fruchtbehang führt. 
In diesem ersten Teil stellen wir die Ausdünnwirkung der Beschattung von drei Versuchsjahren vor. Mit der Beschattung kann eine Ausdünnwirkung erzielt werden, die mit derjenigen des Standardverfahrens in der integrierten Produktion vergleichbar ist. Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit zeigen, dass diese Methode zwar keine Alternative zur Fruchtausdünnung im IP-Anbau darstellt, wohl aber im Bio-Anbau interessant sein könnte. Diese Ergebnisse und die Angaben zur Durchführung der Beschattung werden in einer späteren Ausgabe der SZOW präsentiert.
Seit 1997 hat ACW wissenschaftliche Feldversuche zur Fruchtausdünnung durch Beschattung der Apfelbäume durchgeführt. Stadler et al. beschrieben bereits 2005 das vermutete Wirkungsprinzip und zeigten in Versuchen, dass mit einer Beschattung der Bäume mit Matten, die 74% der fotosynthetisch aktiven Strahlung reduzieren und einer Beschattungsdauer von drei Tagen 23 Tage nach Vollblüte bei Golden Delicious eine optimale Fruchtausdünnung erreicht werden konnte. Fragen stellten sich hinsichtlich eines wissenschaftlichen Nachweises des Wirkungsprinzips, einer intensiveren Untersuchung des Einflusses der Witterung, dem Zeitfenster für die Beschattung und der Wirtschaftlichkeit dieser Methode. Das EU-Projekt ISAFRUIT (Increasing fruit consumption through a trans-disciplinary approach delivering high quality produce from environmentally friendly, sustainable production methods) ermöglichte es, in den Jahren 2006 bis 2008 an diese Versuchen anzuknüpfen und die offenen Fragen teilweise zu beantworten.


Abb. 1: Beschattung von Apfelbäumen der Sorte Golden Delicious mit Matten, die gemäss Hersteller die fotosynthetisch aktive Strahlung um 74% reduzieren. (Foto:ACW)
 

VERSUCHE IN WÄDENSWIL UND GÜTTINGEN

Im Mittelpunkt aller drei Versuchsjahremit 2.50m hohen Bäumen und verschiedenen Apfelsorten standen die Auswirkungen der Beschattungsdauer und -zeitpunkte auf den Ertrag, die äussere und innere Qualität und den Blütenansatz im Folgejahr. 2006 wurden neunjährige Elstar und Golden Delicious auf der Unterlage P22 mit 3m breiten Matten beschattet, welche die fotosynthetisch aktive Strahlungum 74% reduzieren. Die Bäume wurden von den Matten komplett bedeckt (Abb. 1). Befestigt wurden die Matten mit Plaketten (Kammern) an einem über die Baumreihe gezogenen Firstdraht jeweils um 10 Uhr morgens. Die Bäume wurden 25 Tage nach Vollblüte (TnVB, 9. Juni) drei Tage lang beschattet oder bis zum stärksten Fruchtfall, der nach sieben Tagen stattfand. Verglichen wurden diese zwei Verfahren mit einer Kontrolle (keine Ausdünnung) und einer praxisüblichen chemischen Ausdünnung (Golden Delicious: NAAm100 ppm beim Abblühen (15.Mai) plus Handausdünnung
(3. Juli); Elstar: NAAm100 ppm plus Ethephon 120 ppm beim Abblühen (15. Mai), Ethephon 120 ppm 14 Tage nach Abblühen (24.Mai) plus Handausdünnung (3. Juli).
2007 wurden in Güttingen zur Beschattung 2 m und 3 m breite Matten bei fünfjährigen Topaz und Golden Delicious auf der Unterlage Fleuren56 verwendet.
Die Verwendung von 2 m breiten Matten reduziert die Materialkosten. Die Bäume waren somit vollständig beziehungsweise
bis zirka 50 cm über dem Boden bedeckt. Es wurden die gleichen Matten wie im Jahr 2006 verwendet, jedoch mit anderen Klammern (VOEN Plaketten). Die Bäume wurden am 11., 18. und 25. Mai jeweils drei Tage lang beschattet, das heisst 19, 26 und 33 Tage nach Vollblüte. Wiederum erfolgte eine Kontrolle (keine Ausdünnung) und ein Vergleich mit  chemischer Ausdünnung (NAAm 100 ppm (26. April) mit und ohne Handausdünnung (6. Juli). Bei der Beschattung 19 TnVB betrug der Fruchtdurchmesser von Golden Delicious 12 bis 13 mm, bei 26 TnVB 16 bis 18 mm und bei 33 TnVB 22 bis 24 mm. Messungen der Lichtintensität und der Assimilationsleistung erfolgten am 20. Mai 2007 in der Baumreihe mit und ohne Abdeckung mit einem Fotosynthese-Messgerät (LI-6200).
Im Jahr 2008 wurden die Beschattungsversuche nur mit den schmalen Matten bei sechsjährigen Braeburn auf M9 (Güttingen) und elfjährigen Golden Delicious auf P22 (Wädenswil) durchgeführt. Es wurden die gleichen Matten und Befestigungen verwendet wie im Vorjahr. Die Bäume wurden 19 TnVB (23.Mai), 26 TnVB (30.Mai) und 29TnVB (2. Juni) drei Tage lang beschattet. Wie in den Vorjahren erfolgte eine Kontrolle ohne Ausdünnung sowie der Vergleich mit chemischer Ausdünnung
(GoldenDelicious:NAAm157 ppm(13.Mai); Braeburn: NAA 30 ppm (22. Mai) mit und ohne Handausdünnung (23./24. Juni). Der Fruchtdurchmesser von Golden Delicious lag 19 TnVB bei 12 mm, 26 TnVB bei 18 bis 20mmund 29 TnVB bei 20 bis 22mm.
In allen drei Jahren wurden pro Verfahren insgesamt zwölf Versuchsbäume (je vier Bäume in drei Blöcken) ausgewertet. Folgende Erhebungen wurden durchgeführt: Ertrag (kg/Baum), Kalibrierung nach Fruchtgrösse und -farbe, Fleischfestigkeit und Zuckergehalt (zehn Früchte/Baum). Im jeweils darauffolgenden Jahr wurde die Blühstärke bei den Versuchsbäumen bonitiert.
 

BESCHATTUNG GLEICH GUT WIE CHEMISCHE AUSDÜNNUNG

2006 führte eine dreitägige Beschattung bei Golden Delicious zu 60 Früchten pro 100 Blütenbüschel (Abb. 2), einer Behangsdichte, die bei Anwendung einer praxisüblichen Methode, das heisst chemischer Ausdünnung gefolgt von einer Handausdünnung als optimal betrachtet wird. Der Blütenansatz im Folgejahr 2007 war mit  6.1 gut. Bei der Ernte zeigte sich, dass das Fruchtgewicht der Äpfel nach dreitägiger Beschattung mit 122 g im Vergleich zur chemischen Variante mit 146 g etwas höher sein könnte. Dieses könnte mit zusätzlicher Handausdünnung nach der Beschattung sicherlich erhöht werden. Bei Elstar führten siebenTage Beschattung zu einem Behang, der ungefähr der Praxisvariante entspricht (66 Früchte pro 100 Blütenbüschel; Abb. 2). 


Abb. 2: Beschattungsversuch 2006: Anzahl Früchte pro 100 Blütenbüschel bei verschiedener Ausdünnung der Apfelsorten Golden Delicious und Elstar, Wädenswil. (Gabriel-Test, Alpha = 0.05.Verfahren mit gleichen Buchstaben unterscheiden sich nicht signifikant. TnVB = Tage nach Vollblüte).

Die Ausdünnwirkung unterschied sich signifikant von der Kontrolle. Der Blütenansatz imFolgejahr 2007 zeigte bei Elstar mit 5.7 einen noch akzeptablen Wert. Durch die gute Ausdünnung wiesen die innere Qualität bezüglich Zucker und Festigkeit sowie der Ertrag bei beiden Sorten Werte auf, die mit der Praxisvariante vergleichbar waren.


Abb. 3: Wirkung siebentägiger Beschattung bei Elstar, 2006. (Foto:ACW)
Die dreitägige Beschattung bei Golden Delicious führte im Jahr 2007 nach 19, 26 Tagen (2 m und 3 m Matte) und 33 Tagen (3 m Matte) nach der Vollblüte zu einer guten Ausdünnwirkung (Abb. 4). Die Anzahl Früchte pro 100 Blütenbüschel unterschied sich signifikant von der Kontrolle und war – wie Ertrag, Fruchtgewicht und innere Qualität  (Tab.) – mit der praxisüblichen Variante (chemische Ausdünnung plus Handausdünnung) vergleichbar. Die Beschattungsvarianten 19 und 26 TnVB haben den Blütenansatz gegenüber der Kontrolle verbessert (Abb. 5), 33 TnVB erscheinen zu spät zum Ausdünnen zu sein. Bei Topaz  zeigte nur die dreitägige Beschattung 19 TnVB eine signifikante Ausdünnwirkung (Abb. 4) mit dem höchsten Blütenansatz im Folgejahr (Abb. 5). Das Fruchtgewicht wies dementsprechend gute Werte auf, wobei die innere Qualität nicht ganz zufriedenstellend war (Tab.).Die Beschattung reduzierte die Fotosynthese in unseren Versuchen um 50%. Belichtungsmessungen ergaben, dass die absolute Sonneneinstrahlung unter einer Beschattungsmatte um über 80% reduziert wird, obwohl die Matten laut Hersteller die Strahlung nur um 74% reduzieren sollten. Dieser Unterschied ist vermutlich zum einen auf die ebenfalls vorhandenen Hagelnetze zurückzuführen, zum anderen auf Bewölkung oder den Sonnenstand. Diese Vermutung wird durch Messungen von Widmer (1997) unterstützt, die einen durchschnittliche Beschattungswert von rund 21% unter schwarzen Hagelnetzen ergaben.


Abb. 4: Beschattungsversuch 2007: Anzahl Früchte pro 100 Blütenbüschel bei verschiedenen Ausdünnungsbehandlungen der Apfelsorten Golden Delicious und Topaz,Güttingen.


Abb. 5: Beschattungsversuch 2007:  Blühstärke von Golden Delicious und Topaz 2008 nach verschiedenen Ausdünnungsbehandlungen 2007. Der Blütenansatz 2007 lag bei beiden Sorten zwischen 8 und 9.

Der Fruchtbehang war 2008 bei allen Ausdünnvarianten zu tief (Daten 2008 nicht dargestellt). Grund dafür war der gemäss Kontrolle hohe natürliche Fruchtfall in diesem Jahr. Ein Vergleich der Ausdünnwirkung zeigt jedoch, dass bei Golden Delicious eine dreitägige Beschattung mit 2 m langen Matten 26 TnVB zu einer Ausdünnung führte, die der praxisüblichen entspricht.
Hierbei wurde im Folgejahr der höchste Blütenansatz erreicht. Auch 29 TnVB resultierten in einer guten Ausdünnwirkung.
Betrachtet man Zuckergehalt, Ertrag, Fruchtgewicht und Fruchtgrösse, wurden mit 26 TnVB vergleichbare Resultate wie mit der praxisüblichen Ausdünnung erzielt. Bei Braeburn führte der starke natürliche Fruchtfall zusammen mit den Beschattungsverfahren zu einer zu hohen Ausdünnung, was dementsprechend zu einem sehr guten Blütenansatz von neun im darauffolgenden Jahr führte. Das Fruchtgewicht war entsprechend der Ausdünnwirkungmit 220 bis 240 g bei den verschiedenen Beschattungsterminen sehr hoch. Es lässt sich festhalten, dass die Beschattung auch bei Braeburn funktioniert. Sollte dies in der Praxis angewendet werden, müssten jedoch weitere Versuche zur Wirkung durchgeführt werden, um den optimalen Beschattungszeitpunkt herauszufinden.

 

SCHLUSSFOLGERUNG

Nur wenn die Beschattung zu einer guten Ausdünnwirkung und äusseren sowie inneren Qualität führt und den Blütenansatz im Vergleich zur Kontrolle verbessert, kann diese Strategie empfohlen werden. Diese Ziele konnten bei Golden Delicious mit einer dreitägigen Beschattung 19 oder 26 TnVB mit Matten erreicht werden, die den Baum komplett bedeckten. Bei 2.50 m hohen Topaz erzielte eine dreitägige Beschattung 19 TnVB mit 2 und 3 m breiten Matten die gewünschten Effekte. Für Elstar hingegen sollte mit einer Matte, die den Baum bis unten bedeckt, 25 TnVB sieben Tage lang beschattet werden. Für Braeburn lassen sich keine Aussagen machen, da der Fruchtansatz 2008 generell zu niedrig war. In weiteren Versuchen müsste gezeigt werden, ob für jede Sorte spezielle Empfehlungen notwendig sind oder ob bei den meisten Sorten eine generelle Aussage genügen könnte.Über mehrere Jahre gesehen ist die Wirkung dieser Beschattungsvarianten vergleichbar mit der praxisüblichen chemischen Ausdünnung. Bei den Aussagen betreffend der 2 m beziehungsweise 3 m breiten Matten muss die Baumhöhe berücksichtigt werden: Wichtig ist, ob die Bäume komplett bis unten bedeckt waren oder bis rund 50 cm über dem Boden. Je nach Höhe der Bäume kann die Mattenbreite in anderen Obstanlagen variieren.
Einen Einfluss der Witterung (Temperatur und Sonneneinstrahlungsintensität) während der Versuche lässt sich laut Aufzeichnungen, wie bereits von Stadler et al. (2005) vermutet, nicht feststellen. Somit kann festgehalten werden, dass Zeitpunkt und Dauer der Beschattung einen grösseren Einfluss auf die Ausdünnwirkung haben als die Witterung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Beschattung mit zusätzlich empfohlener Handausdünnung nach dem Junifruchtfall eine Methode ist, die für die Ausdünnung funktioniert. Besonders für die Bio-Produktion scheint dies eine Möglichkeit zu sein, da dort keine Ausdünnmittel zugelassen sind. Ein Problem sind die hohen Kosten, die bei dieser Methode entstehen. Deshalb wird in einer der nächsten Ausgaben der SZOW die Wirtschaftlichkeit der Beschattung mit anderen Ausdünnvarianten verglichen.

Dank
Wir danken den Betriebsleitern der Versuchsbetriebe Güttingen und Wädenswil für die gute Zusammenarbeit sowie Bruno Eschmann und Christian Vogt für die Demonstration der Kirschenabdeckung beziehungsweise Beschattungsmethode. 

Autoren und Autorinnen
Katharina Kockerols, Albert Widmer, Michael Gölles, Esther Bravin
Agroscope Changins-Wädenswil ACW
albert.widmer@acw.admin.ch

Literatur
StadlerW.,Widmer A., Dolega E., Schaffner M. und Bertschinger L.: Fruchtausdünnung durch Beschattung der Apfelbäume – eine Methode mit Zukunft? Schweiz. Z. Obst-Weinbau 10, 10–13, 2005.
Widmer A.: Lichtverhältnisse, Assimilation und Fruchtqualität unter Hagelnetzen. Schweiz. Z. Obst-Weinbau 8, 197–199, 1997.

ISAFRUIT
ISAFRUIT ist ein Projekt, finanziert durch die Europäische Kommission unter der thematischen Priorität 5 Lebensmittelqualität
und -sicherheit im 6. Forschungsrahmenprogramm (Vertrag No. FP6-FOOD–CT-2006-016279).
Der Artikel entspricht nicht einer offiziellen Sicht der Europäischen Kommission, sondern allein jener der Autorinnen und Autoren. 

Medium

Die Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau (SZOW) verbreitet die Forschungsresultate von Agroscope, der deutschsprachigen Forschungsinstitute und der Fachorganisationen im Reb- und Obstbaubereich. Die wissenschaftlichen Artikel behandeln Themen im Bereich Rebbau, Önologie, Obstbau, Obstverarbeitung sowie Lebensmittelqualität und -sicherheit.
Die in deutscher Sprache erscheinende Zeitschrift enthält französischsprachige Zusammenfassungen der Fachbeiträge. Sie erscheint zweimal pro Monat und richtet sich vor allem an Produzenten, Berater, Lehrpersonen, Bibliotheken, Handelsunternehmen sowie interessierte Laien. Herausgeber der SZOW ist der Verein Publikationen Spezialkulturen (VPS) mit Sitz in Wädenswil, Schweiz.
 

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