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Sprühgeräte, 17.03.2012

DAS MABO-DOSIERUNGSMODELL

Mitte der 90er Jahre waren im Kernobstbau am Bodensee mit der nordholländischen Beetpflanzung (3er-Beet) und der Superspindel sowohl extrem breite Pflanzsysteme als auch extrem schlanke Baumformen weit verbreitet und standen in den Betrieben oft nebeneinander. 
Trotz starker Unterschiede in der Kronentiefe war die Höhe der Bäume weitgehend identisch, da Pflege und Ernte vom Boden aus durchgeführt wurden. Trotz der enormen Unterschiede wurden anfangs alle Anlagen mit den konstanten Wasser- und Produkt-Aufwandmengen/ha sowie mit niedrigen Fahrgeschwindigkeiten um 5 – 6 km/h und hohen Luftvolumenströmen der Gebläsesprühgeräte behandelt. Applikationstechnische Probleme ergaben sich damit im Inneren tiefer Baumformen (Beet), was auf eine unzureichende Belagsbildung hinwies; nicht dagegen in schlanken Baumformen. Durch die in den Anlagen mit extrem schlanken Baumformen engen Reihenabstände bis etwa 2,7 m war die Fahrstrecke mit bis 3,7 km/ha sehr lang, was mit den traditionell niedrigen Fahrgeschwindigkeiten von 5 – 6 km/h zu Behandlungszeiten bis zu 44 min/ha führte und die Schlagkraft erheblich reduzierte. Zudem wurde die starre pro-Hektar-Dosierung bei den schlanken Kronen von Teilen der Praxis als zu hoch empfunden. Die Idee zu einem neuen Dosierverfahren, das diese enormen Unterschiede berücksichtigte, wurde in Zusammenarbeit mit Praxisbetrieben entwickelt, die schlanke Baumformen mit wesentlich höheren Fahrgeschwindigkeiten von 10 – 11 km/h - allerdings ohne Regeln - behandelten und damit keine negativen Erfahrungen hinsichtlich der biologischen Wirkung machten. Eine damals nebensächliche Beobachtung war, dass bei den hohen Fahrgeschwindigkeiten der Sprühnebel viel näher am Sprühgerät umgelenkt und wesentlich weniger weit über den Bestand hinaus getragen wurde.
 

DOSIERUNG ABHÄNGIG VON DER BAUMFORM

Das Ziel des neuen Dosier-Modelles war es, die Dosierung an die Baumform anzupassen, dabei im Besonderen die Kronentiefe als bisher wesentliche Ursache applikationstechnischer Pflanzenschutzprobleme unabhängig von der Kronenhöhe zu berücksichtigen und gleichzeitig in schlanken Baumformen hohe Fahrgeschwindigkeiten zu ermöglichen.


Abb. 1: Das Prinzip der Filterfläche bei verschiedenen Baum- und Pflanzsystemen
 
Als zentrale Parameter, um diese Anforderungen zu erfüllen, ergaben sich schließlich aus Kronentiefe x Reihenlänge/ha die Filterfläche/ha (Abb. 1) einer Anlage sowie die Netto-Zeit/ha für deren Behandlung. Um Anlagen unterschiedlicher Kronentiefe und Reihenabstände in einem korrekten Verhältnis zueinander zu behandeln, wurde aus vielen vermessenen Parzellen am Bodensee eine Referenz-Filterfläche der dichtesten Kern- und Steinobstobstparzellen von 6667 m2/ha (95%-Percentil) ermittelt, der eine in etwa praxisnahe Behandlungszeit von 33 min/ha zugeordnet wurde, die für normale schlanke Spindeln auf M9 die üblichen Fahrgeschwindigkeiten von etwa 6 km/h ergaben. Wird die Filterfläche/ha einer Parzelle in das Verhältnis zur Filterfläche/ha der Referenz gesetzt und mit der Referenzzeit/ha multipliziert, ergibt sich die Netto-Behandlungszeit für diese Parzelle, die mit sinkender Filterfläche, d.h. schlanker werdender Baumform, abnimmt.
 

DOSIERUNG IN ZWEI SCHRITTEN

Aus diesem zentralen Wert wird über den Reihenabstand die Fahrgeschwindigkeit und anhand der Durchflussmenge für eine einzelne, bei konstantem Druck betriebenen Düse die für die Filterfläche/ha erforderliche Wassermenge/ha errechnet. Entsprechend wird bei der Produkt-Aufwandmenge verfahren: das Verhältnis der Filterfläche/ha der Parzelle zur Referenz-Filterfläche/ha ergibt je nach Verhältnis einen Faktor zwischen >0 und 1, den die Parzelle erhalten muss, um pro Düse eine dem Verhältnis zur Referenzparzelle entsprechend geringere Produktaufwandmenge/ha zu erhalten. Damit ergeben sich die für Dosierung und Applikation erforderlichen Parameter Fahrgeschwindigkeit, Wasser-Aufwandmenge/ha und relative Produkt-Aufwandmenge/ha pro Düse für die horizontal zweidimensionale Ausdehnung der Baumform. Um die Kronenhöhe als dritte Dimension einzubeziehen, ist es lediglich noch erforderlich, die für eine Düse errechnete Wasser-Aufwandmenge/ha mit der Anzahl der in der Parzelle benötigten offenen Düsen zu multiplizieren und für die relative Produkt-Aufwandmenge/ha den Mittelfaktor mit dem Verhältnis der in einer Parzelle geöffneten zu den auf dem Sprühgerät verfügbaren Düsen zu multiplizieren (Abb. 2).



Abb. 2: Schema der zweistufigen Dosierung nach dem MABO-Dosiermodell
 
Dieser jetzt relative Produkt-Aufwand/ha wird mit einer Referenzmenge/ha eines beliebigen Pflanzenschutzmittels und der tatsächlichen Fläche der Parzelle multipliziert und ergibt damit die gesamte Produkt-Aufwandmenge. Als letzter erforderlicher Parameter muss noch die Luftleistung des Gebläses an die Baumform angepasst werden. Dies geschieht über die visuelle Ermittlung der Gebläsedrehzahl, die erforderlich ist, um die Baumform einer Parzelle bei der durch das Modell errechneten Fahrgeschwindigkeit an deren dicksten Stelle gerade noch zu durchdringen (Abb. 3) und den Gipfelbereich sicher zu bedecken.
Das Ergebnis dieser zweistufigen Dosierung durch das MABO-Dosiermodell ist eine Anpassung von Wasser- und Mittelaufwandmenge/ha getrennt nach Tiefe und Höhe einer Baumform sowie der Reihenlänge/ha, bei der im Gegensatz zu der bisher üblichen Methode Wasser- und Produkt-Aufwandmenge/ha, Fahrgeschwindigkeit und Luftvolumenstrom Ergebnisse aus Baumform und Pflanzsystem sind. Der konstante Brühedruck dagegen ist eine Vorgabe, um die Düsen in allen Parzellen im optimalen Bereich hinsichtlich Tropfenspektrum und Verschleiß zu betreiben.
 

ANPASSUNG DES LUFTSTROMES

Die Anpassung des Luftvolumenstromes an die Baumform führt zu einer enormen Kraftstoffeinsparung und verbessert die CO2-Bilanz der Produktion. Die vor allem in schlanken Baumformen erhöhten Fahrgeschwindigkeiten können im weiteren die Schlagkraft steigern und führen auf den Gesamtbetrieb bezogen über die Reduktion der Wasser- und Produkt-Aufwandmengen/ha und damit der Nebenzeiten zu einer weiteren Steigerung der Schlagkraft und wirken sich außerdem positiv auf die Produktionskosten (Pflanzenschutzmittel, Maschinen und Arbeit) aus. Die Reduktion des Pflanzenschutzmittelverbrauchs bewegt sich in Abhängigkeit der Anteile der verschiedenen Baum- und Erziehungsformen im Betrieb und der bisherigen Verfahren bei Dosierung und Applikation auf den Gesamtbetrieb bezogen zwischen etwa 10 und 40%.


Abb. 3: Reichweite des Sprühnebels bei vollem (a) und an die Baumform angepasstem (b) Luftvolumenstrom
 
Die durch das MABO-Dosiermodell erzielte Anpassung von Fahrgeschwindigkeit und Luftvolumenstrom an die Baumform führt bei feintropfigen Düsen zu einer generellen und mit sinkender Kronentiefe deutlichen Steigerung der Anlagerungseffizienz. Pro Liter ausgebrachter Brühe konnten im Vergleich zu niedriger Fahrgeschwindigkeit, hoher Luftleistung und konstanter Wasser-Aufwandmenge/ha bis zu 35% mehr Wirkstoff angelagert sowie auf der Blattoberseite der Bedeckungsgrad um bis zu 67% und die Tropfendichte um bis 55% gesteigert werden. Damit können im Vergleich zu der bisherigen pro-Hektar-Dosierung die mit abnehmender Kronentiefe sinkenden Wasser- und Produkt-Aufwandmengen bis zu Fahrgeschwindigkeiten von 9 km/h vollständig ausgeglichen werden, ohne im Vergleich zur flächenbezogenen Dosierung und Applikation zu einer geringeren Belagsqualität zu führen. Selbst bei einer Fahrgeschwindigkeit von 12 km/h bleibt die Belagsqualität im Vergleich zu der üblichen flächenbezogenen Dosiermethode noch weitestgehend erhalten. Weiterhin wird die Belagsqualität in einigen Aspekten wie Belegung des Kroneninnenraums besonders in tiefen Baumformen, Verhältnis von Blattober- zu Blattunterseite sowie Einheitlichkeit über die Kronenhöhe deutlich verbessert und die Variabilität der verschiedenen Belagsparameter weitestgehend konstant gehalten bzw. teilweise auch vermindert.
 

REDUZIERUNG DER ABDRIFT

Ein äußerst wertvoller Zusatzeffekt der über Fahrgeschwindigkeit und Luftleistung an die Baumform angepassten Reichweite des Luftstromes in Verbindung mit Querstromgebläsen ist ein enormes Potenzial zur Reduktion der Abdrift bei Verwendung feintropfiger Hohlkegeldüsen. So wird mit diesen Düsen (Albuz ATR lila) die Abdrift einer Kombination Axialgebläse + volle Luftleistung mit einem Wechsel auf Querstromgebläse + angepasste Luftleistung bei gleicher Fahrgeschwindigkeit und Luftstrom von ca. 450% auf ca. 20% über den deutschen Abdrifteckwerten reduziert. Wird anstatt einer rein feintropfigen Düsenbestückung eine gemischte Bestückung aus weniger grobtropfigen Injektordüsen (Albuz AVI 8001) an den beiden obersten Düsenpositionen und feintropfigen Hohlkegeldüsen (Albuz ATR lila) an den restlichen Positionen verwendet, wird unabhängig von der Fahrgeschwindigkeit die Abdrift nochmals um ca. 85% und unter Hagelnetz um ca. 95%, jetzt aber unter die Abdrifteckwerte, reduziert. Die Bodenbelastung konnte gegenüber Injektordüsen ebenfalls geringfügig reduziert werden. Mit einer weiter optimierten Luftführung der Sprühgeräte können selbst bei rein feintropfiger Düsenbestückung sowie ohne Hagelnetz ca. 96% Abdriftminderung erreicht werden. Diese Ergebnisse zeigen deutlich die positiven Effekte einer optimierten Luftführung und Applikation auf Belagsbildung und Abdrift im Obstbau.
Mit einer Kombination von Querstromgebläse und MABO-Dosiermodell ist es erstmals gelungen, die Anforderungen der Praxis nach einer schlagkräftigen, effizienten und qualitativ hochwertigen Applikation mit den Forderungen einer Reduktion des Verbrauchs von Pflanzenschutzmitteln und der bei der Anwendung entstehenden Verluste - hier speziell die Abdrift - zu verbinden. Zusammen mit der Überprüfung von Gebläseluftstrom und Brühe-Vertikalverteilung der individuellen Sprühgeräte und den MABO-Dosierungsempfehlungen führen die im Bereich der Belagsbildung erzielten Verbesserungen zu einer weiteren Optimierung der Applikationstechnik im Obstbau und einer Reduktion des Verbrauchs an Pflanzenschutzmitteln.
 

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