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Frostschutz, 12.03.2018

Spätfrostbekämpfung mit Unterkronenberegnung im Steinobst

Erfahrungen aus Rheinland-Pfalz
Nach den extremen Frostereignissen im April 2017 wird viel darüber diskutiert, wie Obstanlagen besser vor Spätfrösten geschützt werden können.
Im Kernobst ist die klassische Überkronen-Frostschutzberegnung bei ausreichender Wasserverfügbarkeit die effektivste Methode und hat sich seit vielen Jahren bewährt. Aber wie sieht es im Steinobst aus? Hier ist die Überkronenberegnung aus verschiedenen Gründen (Gefahr von Astbruch, Befruchtungsprobleme, erhöhte Krankheitsanfälligkeit) kritisch zu sehen.
 
Eine mögliche Alternative ist die flächige Beregnung unterhalb der Baumkronen. Hierzu werden Schlagregner oder Sprinkler mit flachem Strahlanstieg verwendet, die das Wasser gleichmäßig auf Gras- und Baumstreifen verteilen. Während des Gefrierens wird Erstarrungswärme freigesetzt (334 kJ/kg). Diese Wärme steigt nach oben, wodurch sich die Temperatur in der Anlage erhöht. Aufgrund von Energieverlusten und, da die Erstarrungswärme nicht wie bei der Überkronenberegnung direkt am Blütenorgan bzw. der jungen Frucht wirken kann, ist die Effizienz bei gleicher gefrierender Wassermenge geringer.
 
Aus der Praxis liegen zur Frostabwehr mit Unterkronenberegnung überwiegend positive Erfahrungen vor. Aufgrund der aktuellen Relevanz sollen im Folgenden zwei Praxisversuche, vorgestellt werden, die in den Jahren 2007 und 2009 in Rheinhessen und der Pfalz durchgeführt worden sind.
 
Praxisversuch Süßkirschen
Im Jahr 2007 wurde ein 1-ha-Block in einer Rheinischen Süßkirschenanlage mit den Sorten ‘Souvenir de Charmes’ und ‘Burlat’ mit Unterkronenberegnung (Regner PowerNet, Fa. Netafim, 9° Strahlanstieg, 22,5 m2/h/ha) ausgestattet. Dabei wurde eine 18 x 36 m große unberegnete Kontrollparzelle belassen. In beiden Varianten wurden Temperaturfühler in vier verschiedenen Höhen (1 m, 1,6 m, 2,2 m und 2,8 m) angebracht. Neben der Lufttemperatur wurde auch die Temperatur im Pflanzengewebe (Knospe, Blütenboden bzw. junge Frucht) gemessen.
 
Beregnet wurde in den beiden aufeinander folgenden Nächten vom 20. bis 22. April, eine Woche nach Vollblüte. Die Tiefsttemperaturen in 0,2 m Höhe lagen in der ersten Frostnacht bei –3 °C, in der darauffolgenden Nacht bei –1,4 °C.
 
Es wurde eine durchgehende Erhöhung der Luft- und Gewebetemperatur durch die Unterkronenberegnung bewirkt. Die Temperaturwerte in der jungen Frucht lagen während des Frostes aufgrund der Gewebefeuchtigkeit tiefer als die entsprechenden Lufttemperaturen (in der Kontrolle in 1 m Höhe durchschnittlich um 0,6 °C geringer).
Es wurde eine maximale Temperaturerhöhung von 1,7 °C im Gewebe (1,5 °C in der Luft) festgestellt. Dabei lag der Temperaturunterschied in 1 m Höhe während der Beregnungsphase bei durchschnittlich 0,9 °C (Gewebe) bzw. 0,5 °C (Luft). Die Temperaturunterschiede zwischen den Versuchsblöcken beregnet und unberegnet nahmen mit zunehmender Messhöhe ab, wobei die Frostintensität (wie typisch bei Strahlungsfrösten) ebenfalls nach oben hin abnahm.
 
Entscheidend für die Schädigung der Blütenorgane bzw. der jungen Frucht ist nicht nur die Temperatur, sondern auch die Einwirkdauer der unterhalb der kritischen Temperaturschwelle (abhängig vom Entwicklungsstadium) liegenden Werte. Dieser Schwellenwert lag im vorliegenden Fall (Süßkirschen, junge Frucht) bei –1 °C (nach YOUNG und KOBEL) und wurde in der Kontrollvariante in 1 m Höhe vier Stunden, in der beregneten Variante 40 Minuten unterschritten (über alle Höhen zwei Stunden 21 Min zu 38 Min, vergl. Abb. 2).
 
Eine Bonitur auf Frostschäden am 26. 4. 2007 bei der Sorte ‘Souvenir de Charmes’ in 1 m bis 1,6 m Höhe ergab 1,5 % Schäden in der beregneten Variante im Vergleich zu 10,7 % in der Kontrollparzelle. Dies spiegelte sich auch in der Ertragsbonitur am 4. 6. 2007 mit 5,1 zu 4,6 (Boniturskala 1 = kein Ertrag, 9 = Vollertrag) wider (s. Abb. 3).
 
Praxisversuch Aprikosen
Im Jahr 2009 wurde in einer Aprikosenanlage in der Pfalz ein ähnlicher Versuch durchgeführt. Neben PowerNet kam dort auch der Regner Nelson R2000 (Strahlanstieg 6 °) zum Einsatz. Die ausgebrachte Wassermenge lag bei 27 m2/h/ha. Hier wurde die Lufttemperatur ebenfalls in den Höhen 1 m, 1,6 m, 2,2 m und 2,8 m gemessen. Während des Versuches konnte nur ein Frostereignis vor der Blüte untersucht werden. Im kritischen Zeitraum von der Blüte bis zur jungen Frucht kamen keine schädigenden Fröste vor, weshalb auch keine Datenerhebung zu Frostschäden und Ertragsunterschieden möglich war.
 
Die Temperaturunterschiede zwischen den Versuchsblöcken beregnet und unberegnet waren im Verlauf ähnlich wie bei dem leichten Frost in den Süßkirschen 2007. Sie waren jedoch insgesamt um 0,2 bis 0,4 °C höher, d. h. der Effekt war etwas größer. Während die Temperatur in der unberegneten Kontrolle bis auf –5,8 °C absank, lag der niedrigste Wert in dem beregneten Teilstück bei –4,7 °C. Die maximale Temperaturdifferenz betrug hier 1,8 °C Lufttemperatur, gemessen in 1 m Höhe. Die durchschnittliche Lufttemperatur lag bei 0,7 °C. Das Temperaturverhalten mit zunehmender Messhöhe bestätigte die Ergebnisse aus den Messungen in Süßkirschen.
 
Um die nötige Mindestgröße der einzelnen Versuchparzellen und den Flächeneffekt bei der Beregnung besser einschätzen zu können waren zusätzlich zwei Messstandorte jeweils nur 8 m (statt 24 m) von der Grenze „beregnet – nicht beregnet“ entfernt installiert worden. Es wurden durchweg leicht höhere (Kontrollparzelle) bzw. niedrigere (beregnete Parzelle) Werte gemessen. Der Temperaturunterschied zwischen der Messtelle im Randbereich der beregneten Parzelle und der unberegneten Kontrolle (mittig plaziert) war im Durchschnitt um 0,2 °C (max. 0,7 °C) geringer als zwischen den jeweils mittig plazierten Messstellen. Das heißt ein Randeffekwar deutlich nachweisbar, jedoch nicht sehr stark ausgeprägt.
 
Diskussion der Ergebnisse
Die Unterschiede zwischen der Luft- und der Gewebetemperatur begründen sich auf der im Vergleich zur rel. Luftfeuchte höheren Feuchtigkeit im Pflanzengewebe. Im Versuch bei Aprikosen konnte eine Temperaturerhöhung von bis zu 1,8 °C Lufttemperatur nachgewiesen werden. Abgeleitet aus dem Versuch in Süßkirschen, wo die Temperaturdifferenz im Gewebe um 0,2 °C höher lag als in der Luft, ist anzunehmen, dass im Versuch bei Aprikosen ebenfalls die Temperaturunterschiede im Gewebe etwas über 1,8 °C gelegen haben. Der etwas größere Effekt bei den Aprikosen könnte auf die höhere Wassermenge (27 statt 22,5 m2/h/ha) zurückzuführen sein.
 
Die Temperaturerhöhung, die mit der Unterkronenberegnung bei den genannten Ausbringungsmengen an Wasser erzielt werden kann, ist nicht besonders groß. Neben der Tiefsttemperatur ist insbesondere die Einwirkdauer schädigender Temperaturen von Bedeutung. Diese konnte in Süßkirschen deutlich reduziert werden. Weil wir im Hinblick auf die Frostempfindlichkeit von Obstarten je nach Entwicklungsstadium ein enges Temperaturspektrum betrachten müssen, ist nachvollziehbar, dass bei mäßigen Frösten durchaus eine Vermeidung bzw. Minderung der Schäden zu erreichen ist – zumal für einen Normalertrag nur 10–30 % der Blüten benötigt werden.
 
Was muss beachtet werden?
Aus den bisherigen Erfahrungen und Versuchsergebnissen lassen sich folgende Empfehlungen und Hinweise für eine effektive Frostschutzbekämpfung mit Unterkronenberegnung ableiten:
• Mindestgröße der Fläche (> 0,5 ha)
• Anwendung nur bei durchlässigen Böden, die nicht zur Staunässe neigen
• Ausreichende bzw. angepasste Wassermenge (mind. 25 bis 28 m2/h/ha, in kalten Nächten und bei gut
  durchlässigen Böden bis zu 35 m2/h/ha)
• Frostsichere Regner oder Sprinkler mit flachem Strahlanstieg (4–7°) verwenden, auf genaue aufrechte Ausrichtung
  der Regner achten
• Unterkronenberegnung rechtzeitig, spätestens bei + 1 °C Feuchtetemperatur anschalten
• Positiver Zusatzeffekt bei Kombination mit Überdachung
• Nur bei Strahlungsfrost anwendbar
• Die Gefahr von Anwendungsfehlern durch Verdunstungskälte, wie man sie von der Überkronenberegnung her
  kennt, ist deutlich geringer
In Kombination mit Hagelnetzen kann der Frostschutzeffekt einer Unterkronenberegnung etwas erhöht werden (W. Ollig, 2003). Dieser Zusatzeffekt ist bei Foliendächern noch größer einzuschätzen. Neben dem Steinobst hat die Unterkronenberegnung auch in Birnen aufgrund deren Pseudomonas-Anfälligkeit ihre Berechtigung.
 
Welche Wassermenge ist notwendig?
Für die Bemessung der Wassermenge gilt: Je mehr Wasser ausgebracht wird und gefrieren kann, desto mehr Energie wird frei. Das heißt, je tiefer die Temperaturen, desto mehr Wasser sollte gefrieren. Allerdings braucht es auch ausreichend Oberfläche, an der das Wasser gefrieren kann. Um dies zu gewährleisten, könnte Schnittgut in der Anlage belassen und vorab nicht gemulcht werden.
 
Weiterhin müssen die Bodenverhältnisse berücksichtigt werden. Steinobst, insbesondere Kirschen, vertragen bekanntlich keine nassen Füße. In Süßkirschen unter Dach ist durch den Zusatzeffekt ein Einsatz mit geringerer Wassermenge als die hier empfohlenen 25 m2/h/ha denkbar, es gibt dazu jedoch bislang keine Untersuchungsergebnisse.
 
Ein nicht zu unterschätzender Effekt einer ganzflächigen Benässung des Bodens vor einem Frostereignis ist, dass das Wärmereservoir im Erdboden damit mobilisiert wird.
 
Kosten
Je nach System und Zuschnitt der Anlage liegen die Kosten für Leitungen und Regner plus Zubehör auf dem Feld bei 2.300 bis 3.400 7 pro Hektar (zzgl. MwSt). Hinzu kommen Kosten für Pumpe, Filter und Druckminderer. Je nach Gegebenheiten vor Ort kann die Wasserbereitstellung teuer werden. Die Investition ist als „Absicherung mit Zusatznutzen“ zu sehen, eine genaue Kostenkalkulation sollte vorab erfolgen.

Zusammenfassung
Fazit

In Kulturen, die keine Überkronenberegnung vertragen (Steinobst, Birnen) bietet die Unterkronenberegnung bei ausreichender Wasserverfügbarkeit und geeigneten Bodenverhältnissen eine gute Möglichkeit zur Spätfrostbekämpfung. Hinsichtlich ihrer Wirksamkeit ist sie jedoch nicht mit einer Überkronenberegnung gleichzusetzen.
 
Die benötigte Wassermenge ist mit mindestens 25 m2/h/ha immer noch beachtlich (d. h. eine Wasserbevorratung für drei Frostnächte je sechs Stunden würde sich auf 450 m2/ha belaufen).
 
Der Bekämpfungserfolg ist abhängig von vielen Faktoren (Frostverlauf, Entwicklungsstadium der Bäume, Blütenansatz und -qualität, Luftfeuchte, Wind, ausgebrachte Wassermenge).
 
Es können leichte bis mittlere Spätfröste im Temperaturbereich bis max. –4/–5 °C abgewehrt werden. Sogar während der extremen Frostsituation im Frühjahr 2017 wurde aus einigen Obstbaubetrieben von einer Schadensvermeidung bzw. -minderung durch eine Unterkronenberegnung berichtet.
 
Als zusätzlicher Nutzen einer Unterkronenberegnung kann während der Vegetationszeit, insbesondere an heißen Tagen, ein klimatisierender Effekt erzielt werden, der Hitzeschäden reduziert.

Über den Autor
Elke Immik,
DLR Rheinpfalz,
Wormser Str. 111, 55276 Oppenheim,
Tel.: 06133 930139,
E-Mail: elke.immik@dlr.rlp.de

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1975 hat der Vorstand der Fachgruppe Obstbau den Beschluß gefaßt, ab Januar 1976 eine Verbandseigene Fachzeitschrift herauszugeben. OBSTBAU hat sich seitdem zu einer renommierten Fachzeitschrift entwickelt, auf die kein zukunftsgerichteter Betriebsleiter/ Betriebsleiterin verzichten kann. Mit einer Auflage von über 7000 Exemplaren ist OBSTBAU heute die größte überregionale Fachzeitschrift für Obstbau im deutschsprachigen Raum.

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