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Zubehör, 22.03.2014

UV C-BESTRAHLUNG VON REBEN

Ein neuer Bekämpfungsansatz soll dazu beitragen, den hohen Anteil an Fungizid-Applikationen im Weinbau zu reduzieren.
Ein neuer Bekämpfungsansatz soll dazu beitragen, den hohen Anteil an Fungizid-Applikationen im Weinbau zu reduzieren. Das Verfahren beruht auf einer Behandlung der Zielfläche mit UV C-Strahlen. Zur Beantwortung der Versuchsfragen arbeiten mehrere Institute der Hochschule Geisenheim mit der Firma uv-technik meyer gmbh zusammen, einer Marktführerin für UV C-Bestrahlungssysteme im Lebensmittelsektor. Als Projektträger tritt die HA Hessen Agentur GmbH auf, die im Schwerpunktprogramm «Hessen ModellProjekte» angewandte Forschungs- und Entwicklungsprojekte fördert.
 
Die qualitätsorientierte Traubenproduktion erfordert bei den in Mitteleuropa herrschenden Klimabedingungen einen intensiven Pflanzenschutz. Gegenüber anderen Pflanzenschutzmittelgruppen dominieren hier die Fungizide. Beim Vergleich verschiedener Kulturen rangiert der Weinbau an zweiter Stelle. Der intensive Pflanzenschutzmitteleinsatz kann mit Nebenwirkungen verbunden sein - dies gilt sowohl für den Integrierten als auch für den Ökologischen Weinbau. Die drei wichtigsten Problemfelder sind: unerwünschte Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Trauben und Wein, Resistenzphänomene auf Seiten der Schaderreger sowie die Anreicherung des Schwermetalls Kupfer im Ökosystem Weinberg. Unser Projekt hat zum Ziel, Wirkungen und Nebenwirkungen eines neuen physikalischen Verfahrens zu beschreiben, das daraus resultierende Einsparpotenzial an Fungiziden aufzuzeigen und auf dieser Basis eine neue, praxistaugliche Strategie zur Eindämmung von Schadpilzen zu erarbeiten.
 

Wirkung von UV C

Die natürliche Quelle von UV-Licht (Ultraviolett-Licht) ist die Sonne. Allerdings dringt - bedingt durch Absorption in der Erdatmosphäre - nur UV A- und in geringerem Umfang auch UV B-Strahlung bis zur Erdoberfläche vor. UV C-Strahlen mit Wellenlängen unter 280 nm kommen hier nicht vor. UV C-Licht kann künstlich durch UV-Niederdruck- oder UV-MitteldruckStrahler erzeugt werden. Die Wirkung einer UV C-Bestrahlung auf Mikroorganismen beruht auf der Schädigung von Teilen der Desoxyribonukleinsäure (DNA). Dabei kommt es zur Bildung sogenannter Thymin-Dimere, die zu einer Verformung der DNA führen. In der Folge können wichtige Zellfunktionen bis hin zur Zellteilung nicht mehr normal ablaufen. Der Organismus ist nicht mehr in der Lage, sich fortzupflanzen oder stirbt sogar ab. Innerhalb des UV C-Spektrums beschränkt sich dieses Schädigungspotenzial insbesondere auf den Wellenlängenbereich zwischen 240 und 270 nm (nm = Nanometer, 1 cm = 10 Mio. Nanometer). Die im Rahmen der hier präsentierten Untersuchungen eingesetzten UV C-Strahler arbeiten im Bereich von 254 nm, liegen also im optimalen Wirkungsfenster. Dabei ist die individuelle UV C-Wirkung dosisabhängig. Das heißt, eine länger andauernde niedrige Bestrahlungsstärke von beispielsweise 10 Sekunden (s) bei 8 Milliwatt/cm2 (= 80 mWs/cm2) hat die gleiche Wirkung wie eine kurze, aber starke Bestrahlungsstärke von 2 s bei 40 mW/cm2 (= 80 mWs/cm2).
 

Pilzliche Zielorganismen

Als Zielorganismen wurden die für den hohen Fungizideinsatz im Weinbau verantwortlichen Rebpathogene ausgewählt. Im Zentrum stehen damit die wirtschaftlich bedeutendsten Rebkrankheiten:
• Peronospora (Plasmopara viticola);
• Echter Mehltau (Erysiphe necator);
• Grauschimmel-Fäule an der Traube (Botrytis cinerea);
• Schwarzfäule (Guignardia bidwellii).
Bei allen vier Pathogenen handelt es sich um polyzyklische Pilze mit hohem Schadenspotenzial. Aufgrund der vorhergesagten Auswirkungen des Klimawandels (Temperaturanstieg, häufigere Starkregensituationen, generelle Zunahme extremer Wetterereignisse), ist eine Zunahme der Probleme im Pflanzenschutz zu erwarten. Dies gilt vor allem für die Entwicklung von P. viticola und Botrytis, die möglicherweise durch die genannten Wetterphänomene und Klimaänderungen gefördert werden. Jahre mit starker Traubenfäulnis beeinflussen den Lesezeitpunkt und die Qualität des Leseguts. Dies gilt auch im Zusammenhang mit den sogenannten Sekundärpilzen (Penicillium- und Aspergillus--Arten, Tricho-thecium). Hier könnte die ergänzende UV C-Bestrahlung einen Beitrag zur Gesunderhaltung der Trauben liefern, da die Behandlung auch nach dem letzten Spritztermin erfolgen kann. Es besteht sogar die Möglichkeit, wenn nötig, im kritischen Zeitraum zwischen Abschlussbehandlung und Lese die UV C-Bestrahlung mehrfach einzusetzen.
 

Experimentelle Voraussetzungen

Da keinerlei Erfahrungen mit dem Einsatz der UV C-Technologie an Reben vorliegen, musste zunächst der optimale Dosisbereich für die UV CBestrahlung gefunden werden. Hierbei sind drei wichtige Anforderungen zu berücksichtigen:
• Ausreichende abtötende Wirkung auf die Pathogene.
• Verhinderung phytotoxischer Reaktionen oder physiologischer Beeinträchtigungen der Rebe.
• Zugänglichkeit der Zielfläche, da Einrichtungen, die dem Schutz der UV C-Röhren beim „derben" Freilandeinsatz sowie dem Anwenderschutz dienen, zu wirkungsmindernden Abschattungs- und Streuungseffekten führen. Derartige Einflüsse müssen reduziert werden, da sie die Bestrahlungsstärke verringern, die letztlich die Zielflächen (Blatt, Traube) erreicht.
Die biologische Wirksamkeit (Wirkung auf Schaderreger und mögliche phytotoxische Reaktionen der Rebe) musste zunächst in Labor- und Gewächshausuntersuchungen ermittelt werden.
Projektphasen 1 und 2
In einer ersten Projektphase wurden im Labor die Keimung und weitere Pilzentwicklung in vitro (in Petrischa-len) nach UV C-Bestrahlung über einen längeren Beobachtungszeitraum festgehalten. Unmittelbar vor der Auswertung wurde das Objekt mit einem Vitalfarbstoff angefärbt. So war es möglich, differenzierte Aussagen darüber abzugeben, ob nur eine Entwicklungsverzögerung oder eine irreparable Schädigung des Erregers vorlag. Die für die einzelnen Erreger erarbeiteten Dosis-Wirkungsrelationen dienten als Grundlage für den Bau eines geeigneten Gewächshausgeräts für die zweite Projektphase. Damit konnte die Übertragbarkeit der Laborergebnisse auf Gewächshausversuche mit infizierten Topfreben untersucht werden. Ein weiterer Fokus lag auf der Erfassung möglicher Schädigungen der Wirtspflanze nach unterschiedlichen UV C-Dosagen.
 

Empfindlichkeit der Wirtsgewebe

Die Gewächshausergebnisse verdeutlichten, dass verschiedene Pflanzenteile unterschiedlich empfindlich auf die UV C-Strahlung reagieren. Während ältere Blätter nur selten unmittelbar nach der Bestrahlung Reaktionen zeigten, sind junge, gerade voll entfaltete Blätter viel empfindlicher. Der noch nicht verholzte grüne Trieb reagierte interessanterweise empfindlicher auf die UV C-Bestrahlung als die Blätter. An der Rinde zeigten sich sehr schnell Verbräunungen, die bei Dosierungen deutlich über 160 mWs/cm2 zu einer völligen Schwarzfärbung des Triebs führten.
Nach den bisherigen Ergebnissen liegt eine gute Schnittmenge zwischen den beiden Anforderungen „hohe biologische Wirksamkeit" und „geringes Ausmaß an Phytotoxizität" im Dosisbereich zwischen 80 und 160 mWs/cm2. Die Absterberaten der verschiedenen Erreger, die unterschiedlich UV C-empfind-lich sind, betrugen in diesem Dosisfenster allerdings nie 100%, sondern lagen unter Laborbedingungen für P. viticola bei 50 - 80%, für Oidium bei 90 - 99%, für Botrytis bei 50 - 70% und für G. bidwellii bei 60 - 95%.
 

Projektphase 3 -Freilandversuche

Aufgrund der Resultate wurden in der dritten Projektphase Freilandversuche an Riesling-Reben durchgeführt. Dabei wurden die technischen Lösungen soweit optimiert, dass am Ende ein freilandtauglicher UV C-Geräteprototyp erstellt werden konnte. Es wurde ein Gebläse montiert, um für eine Verwir-belung der Blätter zu sorgen. Dadurch ließ sich die Abschattung wirksam verringern und es wurde eine größere Laubwandfläche von der UV C-Strah-lung erreicht.
Erste Ergebnisse zur biologischen Wirksamkeit des neuen Verfahrens im Freiland lassen sich gut am Beispiel P. viticola (Falscher Mehltau) zeigen.
 

Versuchsglieder

Die Grafik zeigt, dass an den Trauben des Versuchsglieds „Kontrolle" eine Befallsstärke von 27,5% vorlag. Mit allen Maßnahmen konnte der Traubenbefall reduziert werden. Den höchsten Wirkungsgrad verzeichnete erwartungsgemäß das Prüfglied „Rebschutz Integriert" mit sechs Fungizid-Behandlungen (4% Befallsstärke). Die Versuchsergebnisse zeigten aber auch, dass eine Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes um 50% (Versuchsglied „Rebschutz Integriert reduziert") keine zufriedenstellenden Resultate ergab. Am zweitbesten schnitt das Versuchsglied „UV C-Behandlung solo nach Prognosemodell" ab, dessen Reben jeweils nur nach einem Aufruf des Geisenheimer Prognosemodells mit UV C-Strahlen behandelt wurden. In der Vegetationsperiode 2013 war das im relevanten Zeitraum vier Mal der Fall.
Nebenwirkungen
Im Rahmen des Projekts werden auch mögliche Nebenwirkungen der UV C-Bestrahlung erfasst. Begleitende physiologische Untersuchungen ergaben für den angestrebten Dosisbereich (80 bis 160 mWs/cm2) bisher keinen Hinweis auf markante Veränderungen, die eine Verschiebung des Inhaltsstoffspektrums oder das Auftreten von Stressreaktionen bei der Rebe andeuten. Weitere wichtige Punkte sind potenzielle Auswirkungen von UV C-Be-handlungen auf den Ertrag sowie auf die Traubenqualität. Im Fokus stehen dabei Beeinträchtigungen beim Vergären der Moste beziehungsweise sensorisch oder analytisch nachweisbare Veränderungen im Wein.
 

Zukunftsmusik?

Ziel des Forschungsvorhabens ist die Reduzierung von Fungizideinsätzen im Weinbau durch wiederholte UV C-Bestrahlung von Blättern und Trauben. Für die Untersuchungen im Versuchsweinberg wurde ein UV C-Dosisbe-reich ausgewählt, der eine Schädigung der Rebe ausschließt. Bezogen auf den Schadpilz Plasmopara viticola konnten in der Vegetationsperiode 2013 erste interessante Ergebnisse durch ausschließliche UV C-Behandlungen vorgelegt werden.
Optimierungsbedarf besteht derzeit bei der Fahrgeschwindigkeit des Zugfahrzeugs. Vorgesehen ist, dass zukünftig Lohnunternehmer eine „UV C-Bestrahlung" als Dienstleistung anbieten, womit mehrere Fungizidapplikationen eingespart werden können. Wir hoffen, mit dem vorgestellten physikalischen Pflanzenschutz-Verfahren einen Beitrag zum Umweltschutz im Rebbau und zur Verbesserung der Traubenqualität leisten zu können.
 
 

Medium


Obstbau Weinbau ist seit 1964 ein praxisorientiertes Fachmagazin des Südtiroler Beratungsrings für Obst- und Weinbau. Jährlich erscheinen 11 Ausgaben (Juli/August Doppelnummer) mit Fachartikel über Anbaumethoden, Versuche, Sorten, Forschungsergebnisse, Betriebswirtschaft, Statistiken, Züchtungsergebnisse, Pflanzenschutz, Vermarktung, Lagerung,  Studienreisen u.a. aus den Bereichen Obst-, Weinbau und Kellerwirtschaft.
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