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Hagelschutz, 23.06.2021

Flächendoppelnutzung von Apfelanbau und Photovoltaik – geht das?

Das allererste Projekt dieser Art deutschlandweit startete im Mai 2021 in der Obstanlage des Bio-Betriebs Nachtwey in Gelsdorf
Im Mai wurde die erste Agri-Photovoltaik-Anlage im Apfelanbau in Deutschland aufgebaut.

Sie steht auf der Fläche des Bio-Obsthofes Nachtwey in Grafschaft-Gelsdorf in Rheinland-Pfalz. Bis zum März 2025 wollen Fachleute vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und vom DLR Rheinpfalz an dieser Anlage erforschen, ob und wie das System in Praxisbetrieben zum Einsatz kommen kann.
Neben der Analyse pflanzenbaulicher Aspekte und Umweltparameter werden unter anderem energiewirtschaftliche, sozialwissenschaftliche, gesellschaftspolitische und ökonomische Aspekte beleuchtet. Alle Beteiligten am Projekt „Agri-PV Obstbau“ sind in Abb. 5 dargestellt. Das Projekt wird gefördert durch das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz (MUEEF) und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

Das erste Projekt dieser Art

Projektleiter Andreas Steinhüser vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE begrüßte Projektteilnehmer und Interessierte am 21. April 2021 zum (Pandemie-bedingt) virtuellen ersten Spatenstich. „Dies ist das erste wissenschaftliche Projekt in Deutschland, bei dem eine Flächendoppelnutzung von Apfelanbau und Photovoltaik untersucht wird“, erklärte er stolz. Seit April läuft Teilprojekt 2 und im August 2020 startete Teilprojekt 1. Ende Mai 2021 wird nun endlich die Pilotanlage in Gelsdorf/Rheinland-Pfalz in der Obstanlage von Johannes Nachtwey in Betrieb gehen. „Wir alle betreten hier völliges Neuland“, betonte er, „und lernen jeden Tag etwas Neues hinzu.“

Gelobt wurde in diesem Zusammenhang Wolfgang Schlagwein, der die Kontakte zwischen Johannes Nachtwey, dem DLR Rheinpfalz und dem Fraunhofer-Institut hergestellt hatte. „Ich wurde 2017 darauf angesprochen, ob ich bei so einem Projekt mitmachen wolle“, berichtete Johannes Nachtwey. „Und da brauchte ich nicht zweimal zu überlegen. Die Möglichkeit, Energie und Nahrungsmittelproduktion auf einer Fläche zu generieren, hat mich sofort gefesselt.“ Gleichzeitig könnten die Solarmodule auch als Schutz der Äpfel vor Hagel, Regen, Sonnenbrand und evtl. auch Frost „zweitgenutzt“ werden.

Solaranlagen aufstellen, ohne Anbaufläche zu zerstören

Alle Beteiligten betonten jedoch, dass hier die Obstproduktion eindeutig im Mittelpunkt stehen soll. „Wir wollen schmackhafte, gut ausgefärbte Äpfel produzieren. Die Energieproduktion wäre ein schöner Nebeneffekt“, verdeutlichte Johannes Nachtwey. Dafür wurden von den Technikern des Fraunhofer-Instituts möglichst transparente Module ausgewählt. Andreas Steinhüser ist fest davon überzeugt, dass die Solarenergie in den nächsten Jahrzehnten einen wichtigen Teil zur Energiegewinnung beitragen wird – und die Agri-Photovoltaik sei der Garant dafür, dass durch diese Form der Energiegewinnung nicht großflächig Agrarfläche aus der Produktion herausgenommen werde.

Technik und Anbau kombiniert

Das Projekt ist in zwei Teilprojekte aufgeteilt (s. Abb 6). In Teil 1 geht es um die Technik. Hier sind
• die BayWa r.e., die mit der Planung und dem Aufbau der APV-Anlage betraut wurde,
• die EWS (Elektrizitätswerke Schönau) als Energieunternehmen und
• das Fraunhofer-Institut für das Monitoring
beteiligt. Im Teil 2 steht das DLR Rheinpfalz im Mittelpunkt, welches die agrarwissenschaftlichen Analysen durchführen wird.
Albert Schlaak von der BayWa betreut die technische Seite des Projekts. „Äpfel brauchen mehr Licht und Raum als ackerbauliche Kulturen oder Gemüse, das ist hier die Herausforderung“, erklärte er. „Deshalb mussten wir spezielle Module so designen, dass sie in Sachen Lichtdurchlässigkeit langfristig den Anforderungen des Apfels gerecht werden. Sie haben 54 % Transparenz – mehr, als jeweils zuvor bei Solarmodulen erreicht wurde.“ Er zeigte, wie die Anlage aussehen wird und erläuterte den Baufortschritt.

Jürgen Zimmer, DLR Rheinpfalz, ist für die agrarwissenschaftlichen Komponenten im Projekt verantwortlich. Untersucht werden
• Baumwachstum,
• Ertrag,
• Fruchtqualitäten,
• Schutzfunktion,
• phytosanitäre Parameter und
• Biodiversität.

Als Kontrolle wird ein Teil der Anlage mit Hagelnetz und mit Folienüberdachung ausgestattet.
In jeder Variante stehen acht verschiedene Sorten, von der Früh- bis zur Spätsorte, randomisiert auf der Fläche verteilt. Alle Bäume sind auf CG 11 veredelt, da es sich um eine Nachbaufläche handelt. Wettersensoren messen alle relevanten Parameter. „Unsere Zielvorgabe während der Planungsphase für die Lichtdurchlässigkeit der APV-Anlage mit den Solarmodulen war der maximale Beschattungsgrad von schwarzen Hagelnetzen“, erklärte Jürgen Zimmer. „Außerdem erhoffen wir uns Hagelschutz, Sonnenbrandschutz und auch einen gewissen Frostschutz – denn Wasser ist in der Region Mangelware, sodass höchstens ein Flipper-System unterhalb der Module installiert werden könnte.“ Er berichtete, dass die nach Öko-Richtlinien bewirtschaftete Anlage mit mehrjährigen Blühstreifen in der Fahrgasse und mit weiteren biodiversitätsfördernden Maßnahmen am Rand aufgewertet werden soll (s. Abb. 7).
Und das I-Tüpfelchen ist ein E-Schlepper der Marke Fendt, mit dem die Kulturarbeiten in der Anlage durchgeführt werden sollen – darauf freut sich Familie Nachtwey schon ebenso wie Jürgen Zimmer…

Über den Autor

Dr. Annette Urbanietz, Klein-Altendorf, E-Mail: urbanietz-obstbau@g-net.de

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1975 hat der Vorstand der Fachgruppe Obstbau den Beschluß gefaßt, ab Januar 1976 eine Verbandseigene Fachzeitschrift herauszugeben. OBSTBAU hat sich seitdem zu einer renommierten Fachzeitschrift entwickelt, auf die kein zukunftsgerichteter Betriebsleiter/ Betriebsleiterin verzichten kann. Mit einer Auflage von über 7000 Exemplaren ist OBSTBAU heute die größte überregionale Fachzeitschrift für Obstbau im deutschsprachigen Raum.
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