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Erntemaschinen, 10.08.2013

SELBSTFAHRENDE ARBEITSBÜHNEN

Der Beitrag soll einen Überblick über die angebotenen Bühnen und deren technischen Details bieten
In den letzten Jahren hat die Anzahl der Anbieter für selbstfahrende Arbeitsbühnen für den Obstbau deutlich zugenommen. Dies beruht auf einem neuen Trend, ausgehendvon Südtirol, mit der Baumhöhe auf bis zu3,80 m zu gehen. Denn um auf seinen Betriebsflächen den größtmöglichen Gewinn zu erwirtschaften, muss der Obstbauer eine strikte Kostenreduzierung in der Bewirtschaftung der Betriebsflächen bei gleichzeitiger Maximierung der Erträge erreichen. Die Erntefenster werden immer kleiner und die Beschaffung motivierter und qualifizierterArbeitskräfte immer schwieriger. Gleichzeitig nimmt die Anzahl der Hagelereignisse zu, so dass der Anteil mit Hagelnetzen geschützter Anlagen stetig steigt. Dies führt zwar in erster Linie zu höheren Produktionskosten, sichert jedoch die Qualität der Früchte. Sorgt man in den hohen Baumformen füreine ausreichende Belichtung der Früchte auch bis in die unteren Baumregionen hinein mit einer schlanken, geradlinigen Wuchsform, so sind Ertragszuwächse von 30 bis 40 % zu realisieren. Durch die gesteigerten Erträge können die Mehrkosten u. a. für Hagelnetze abgepuffert werden. Jedoch ist es kaum möglich, solche Anlagen effizient von Hand zu pflücken. Hier setzt die neue Technik moderner selbstfahrender Arbeitsbühnen an. Der Artikel soll einen Überblick über die angebotenen Bühnen und deren technischen Details bieten.
 

Vielseitigkeit

Der besondere Vorteil einer selbstfahrenden Arbeitsbühne liegt in erster Linie in ihrer unübertroffenen Vielseitigkeit. Jegliche Art von anfallenden Arbeiten ist mit Hilfe dieser Maschinen zu bewältigen. Neben der Ernte und dem Schneiden von Bäumen können damit sowohl Anbindearbeiten und das Aufhängen von Dispensern als auch das Öffnen und Schließen von Hagelnetzen bequem erfolgen. Insbesondere das maschinenunterstützte Ernten der Obstanlage schafft deutliche Kostenvorteile. Eine selbstfahrende Arbeitsbühne benötigt in der Regel für das Geradeausfahren keinen Fahrer mehr. Ultraschallsensoren oder seitliche Tastarme machen dies möglich. Das Erntepersonal auf der Plattform steht optimal zur Frucht, hat dadurch eine höhere Leistungsfähigkeit und kann länger ermüdungsfrei und damit sehr effektiv arbeiten. Mit selbstfahrenden Arbeitsbühnen können deshalb durchschnittliche Pflückleistungen von etwa 160 bis 200 kg je Stunde und Erntehelfer realisiert werden. Das erlaubt eine deutliche Reduzierung der Arbeitskräfte. Gleiches gilt für Anbinde- und Schnittmaßnahmen sowie für Arbeiten an der Überdachungskonstruktion. Voraussetzung für den Einsatz solch moderner Maschinen ist allerdings eine geeignete Obstanlage. Es sollte besonders auf einen ausreichend großen Reihenabstand von mindestens drei Metern und eine gute Befahrbarkeit der Fahrgassen und Quartierwege geachtet werden. Zusätzlich darf ein bestimmter Grad an Hangneigung nicht überschritten werden, damit die Plantage noch sicher mit Arbeitsbühnen befahren werden kann. Aber auch der gesamte Ernteablauf sowie der Maschinenpark sollte neu auf dieses System abgestimmt werden. Für eine möglichst effiziente Ernte werden zunächst die oberen Baumregionen mit Hilfe einer selbstfahrenden Arbeitsbühne gepflückt, da hier die Früchte auf Grund einer intensiveren Sonneneinstrahlung früher reif sind. In einem zweiten, zeitlich nachgelagerten Arbeitsgang werden anschließend die unteren Baumregionen abgeerntet.
 
Selbstfahrende Arbeitsbühnen eignen sich auf Grund ihrer Bauart und der niedrigen Geschwindigkeit nicht für einen effektiven Kistenabtransport. Generell ist eine Straßenzulassung für Österreich nicht immer problemlos möglich, da es oftmals an sicherheitsrelevanten Details wie beispielsweise einer vorgeschriebenen Beleuchtung mangelt. Für längere Straßenfahrten können daher kleinere Arbeitsbühnen mit einem Traktor und Heckstapler angehoben und flexibel transportiert werden. Größere Maschinen werden durch eine Zugdeichsel mit dem Schlepperheck verbunden und, ähnlich einem Anhänger, hinterher gezogen. Bei großen Obstanlagen und bei weitenHof-Feld-Entfernungen bietet sich deshalb das Einrichten eines Kistenumschlagplatzes an. Hier werden die vollen Großkisten für einen schnelleren Transport auf Anhänger umgeladen.Selbstfahrende Arbeitsbühnen sind in der Regel mit Front- und Heckstaplern ausgerüstet um Großkisten aufzunehmen und zu transportieren. Dabei reicht die Hubkapazitätder Stapler bei allen Modellen zum Heben mindestens einer vollen und circa 350 kg schweren Großkiste aus. Je nach Maschinengröße finden weitere ein bis vier Kisten auf der Plattform Platz. Bei kurzen Reihenlängen verbleiben die Großkistenauf der Maschine und werden so direktaus der Anlage gefahren. Arbeitsbühnen mit einer großen Kapazität und Traglast haben hier deutliche Vorteile, vergrößern aber zugleich die Gefahr in Hanglagen schneller ins Rutschen zu geraten oder umzukippen. Bei längeren Reihen dagegen müssen kontinuierlich neue, leere Kisten mit dem Frontstapler aufgenommen werden, die zuvor in einem vorgelagerten Schritt in der Reihe abgestellt wurden. Die gefüllten Großkisten werden dann von Hand über einen Rollenboden zum Heckstapler geschoben und hinter der Maschine abgelassen. Das Mitführen eines Spezialanhängers, von dem die Arbeitsbühne zwischendurch leere Kisten aufnehmen und volle Kisten abgeben kann, ist sinnvoll, scheitert jedoch häufig an der zu geringen Zugkraft der Arbeitsbühne oder aber an zu steilem Gelände.
Der technische Aufbau einer selbstfahrenden Arbeitsbühne kann generell in die drei Segmente Fahrgestell, Hubgerüst und Plattform unterteilt werden.
 

Fahrgestell

Das erste Segment ist das Fahrgestell, welches sich aus Rahmen, Motor, Antriebsstrang und den Rädern zusammensetzt. Die meisten selbstfahrenden Arbeitsbühnen verfügen über vier gleichgroße Räder, wobei je nach Modell nur zwei oder alle vier angetrieben werden. Es gibt jedochauch Ausnahmen. Manche Hersteller konstruieren ihre Fahrzeuge mit nur drei Rädern oder sogar mit zwei Bandlaufwerken (s. Tabellen). Aus diesem Grund ist auch die Wendigkeit von Modell zu Modell unterschiedlich, wobei der Wenderadius von besonderer Bedeutung ist. Alle gängigen Lenkungsarten wie zum Beispiel die Vorderrad-, Hinterrad-, Allrad- oder Knicklenkung werden in den verschiedenen selbstfahrenden Arbeitsbühnen je nach Hersteller und Kundenwunsch verbaut. Des Weiteren kann die Wendigkeit der Maschinen durch das Anklappen der Staplerzinken beziehungsweise durch den Abbau beider Stapler nochmals erhöht werden, die beispielsweise beim Öffnen und Schließen der Hagelnetze überflüssig sind.
 

Hubgerüst

Das Hubgerüst ermöglicht durchschnittliche Arbeitshöhen von zwei bis drei Metern. Somit ist es auch kleineren Personen möglich, bis in vier Metern Höhe bequem arbeiten zu können. Der Hangausgleich für die Plattform kann entweder über das Fahrwerk oder über das Hubgerüst geregelt werden. Dieser ermöglicht zu jeder Zeit eine waagerechte Position der Plattform. Je nach Modell und Ausführung erfolgt diese Niveauregulierung manuell oder vollautomatisch mittels Lagesensoren. Darüber hinaus verfügen einige Arbeitsbühnen über eine Warneinrichtung, die den Bediener visuell oder akustisch davor warnen soll mit dem Fahrzeug in zu steilem Gelände umzukippen. Bei den Hightech-Erntebühnen greift dieses System sogar vollautomatisch  in die Fahrzeugsteuerung ein. Dies führt dazu, dass die Maschine entweder sofort stehen bleibt oder aber selbstständig die Plattform und somit den Schwerpunkt absenkt um ein Umstürzen zu verhindern.
 

Plattform

Das dritte Segment ist die Plattform, welche in verschiedenen Abmessungen angeboten wird. Hohe abklappbare Geländer umranden die gesamte Plattform, so dass der Benutzer vor ungewolltem Herabstürzen geschützt ist. Eine Vielzahl an Zusatzausrüstungen soll das Arbeiten mit diesen Maschinen komfortabler machen. Dazu zählen unter anderem Druckluftanschlüsse und Steckdosen an jeder Seite der Geländer, um Schneidgeräte zu betreiben.
 

Antriebssysteme

Generell können die selbstfahrenden Arbeitsbühnenin zwei Gruppen eingeteilt werden. Die einen verfügen über einen leistungsstarken aber technisch aufwendigeren Elektroantrieb, die anderen über einen einfachen Antrieb mit Verbrennungsmotor (s. Tabelle).  Zusätzlich kann man diese Gruppen dann noch einmal nach ihrer Größe einteilen sowie in Modelle mit und ohne Hangausgleich. Arbeitsbühnen mit Elektroantrieb überzeugen vor allem durch ihre besondere Laufruhe und dem Fehlen von störenden Vibrationenund Abgasen. Allerdings haben elektrisch angetriebene Arbeitsbühnen auch ihre Nachteile. In regelmäßigen Abständen ist die Maschine an die Steckdose zu führen, um die Batterien wieder aufzuladen. Laut Herstellerangaben beträgt die durchschnittliche Akkulaufzeit je nach Einsatzart mindestens einen Arbeitstag (8 Stunden). Dabei führen unterschiedliche Arbeiten zu unterschiedlichen Entladezeiten. Bei hoher Fahrgeschwindigkeit, weiten Wegstrecken und häufigem Heben und Senken der Plattform ist der Akkuverbrauch demnach besonders hoch. Bei kurzen Wegstrecken und langsamer Fahrt kann sich die Betriebsdauer jedoch deutlich verlängern. Auf Grund des hohen Gewichts der Akkus ist ein Austausch außerhalb der Betriebsstätte nicht möglich. Daher muss die Erntebühnedie Obstanlage in regelmäßigen Abständen verlassen, was zusätzlich Zeit kostet. Selbstfahrende Arbeitsbühnen mit Verbrennungsmotor dagegen können immer wieder vor Ort nachgetankt werden. Sie sind auf Grund ihrer einfacheren Bauart auch weniger störanfällig. Die Wartungsintensität von selbstfahrenden Arbeitsbühnen ist der von Schleppern gleichzusetzen. Eine Kontrolle der Betriebsmittel und des Reifendrucks sowie eine ausgiebige visuelle Überprüfung sollten regelmäßig durchgeführt werden. Alle weiteren Arbeiten, vor allem an sicherheitsrelevanten Bauteilen, sollten nur von einer Fachfirma durchgeführt werden. Im Falle einer Reparatur ist es von besonderem Vorteil, ein Fabrikat zu besitzen, dessen Ersatzteilversorgung nicht nur gesichert, sondern auch schnell und gut strukturiert ist.
 

Wirtschaftlichkeit

Die Wirtschaftlichkeit einer solchen Arbeitsbühne steigt mit zunehmender Betriebsgröße und einem möglichst vielseitigen Einsatzspektrum. Die Kaufentscheidung und die Auswahl der richtigen Maschine sollte daher sehr sorgfältig überlegt werden. Als groben Anhaltspunkt kann man folgende Werte in Betracht ziehen: Kleinere Arbeitsbühnen mit bis zu vier Pflückern erreichen je nach Anlage ihre maximale Auslastung bei etwa 7–9 ha Anbaufläche. Größere Bühnen mit bis zu sechs Arbeitskräften erreichen erst bei 8–13 ha ihre Auslastungsgrenzen. In Hanglagen kann sich die Investition in solch eine Arbeitsbühne aber auch schon bei kleineren Flächenleistungen rentieren, da mit herkömmlicher Technik diese Flächen oftmals überhaupt nicht befahren werden können. Die Anschaffungskosten solcher Hightech-Erntelösungen können zum Teil sehr stark variieren. Technisch voll ausgereifte Arbeitsbühnen mit Elektroantrieb und einer umfangreichen Zusatzausstattung, wie zum Beispiel Hangausgleich, automatische Niveauregulierung der Plattform, Autopilot, Druckluftkompressor und Notstromaggregat, erreichen schnell Preise von bis zu 60.000 €. Weniger gut ausgestattete Modelle, vornehmlich mit Verbrennungsmotor und einer einfacheren Technik, können dagegen ab einem Preis von 18.000 € erworben werden. Die Nutzung von selbstfahrenden Arbeitsbühnen mit Hangausgleichstechnik kann in Österreich attraktiv sein, sofern sich Baumsysteme mit bis zu 3,80 m Höhe durchsetzen werden und das Gesamtverfahren daraufabgestimmt wird.
 
Weitere Typentabellen sowie die Kontaktdaten der einzelnen Herstellerfirmen finden Sie unter folgendem Link: http://www.landtechnik-alt.uni-bonn.de/obstbau_201302_arbeitsbuehnen.zip
 

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„Besseres Obst“  ist die Fachzeitschrift für Erwerbsobstbauern und alle am Obstbau Interessierten. Neben Beiträgen zur Technik bringt das Fachmagazin zielgerichtete Informationen und Fachartikel zu Produktion, Pflanzenschutz, Sorten, Ernte, Lagerung und Vermarktung von Tafelobst sowie zur Obstverarbeitung.
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