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Erntemaschinen, 06.04.2013

MECHANISIERUNG DER TRAUBENERNTE

Vor-und Nachteile gezogener und selbstfahrender Maschinen, sowie einige technische Neuerungen

Zusammenfassung

Die hohe Arbeitszeitbelastung bei der Traubenernte und damit einhergehend die eingeschränkte Schlagkraft führten Ende der siebziger Jahre zu ersten Versuchen mit Erntemaschinen. Seit dieser Zeit hat sich, anfänglichen Qualitätsproblemen zum Trotz, die Mechanisierung der Traubenlese in den Weinbauregionen der Welt immer weiter durchgesetzt. Die ökonomischen Vorteile, die ständige Weiterentwicklung der Maschinen und letztendlich auch die intemationale Standardisierung der Testmethoden zur vergleichenden Beurteilung der Leseverfahren führten zu einer weltweiten Etablierung der mechanisierten Weinlese. Im folgenden sollen die Voraussetzungen für diese Technik, die Vor-und Nachteile, gezogene und selbstfahrende Maschinen sowie einige technische Neuerungen vorgestellt werden.
 

Voraussetzungen für den Einsatz

Erste Voraussetzung für den Vollerntereinsatz sind passende Erziehungsarten und Unterstützungsvorrichtungen. Die Spaliererziehung ist sehr gut geeignet, dabei ist der Halbbogen gegenüber dem Flachbogen vorzuziehen, da die Trauben über eine größere Höhe verteilt sind. Auch Umkehrerziehung können und Minimalschnittsysteme müssen mit dem Vollernter gelesen werden. Als Unterstützungsvorrichtung haben sich Drahtrahmen mit Metallpfählen in einer Stärke von 5 -7 mm am besten bewährt. Hartholzpfähle sind nur in runder Ausführung geeignet, da sie sonst die Schüttierstäbe zu stark beanspruchen. Kunststoffpfähle dürfen nicht zu elastisch sein, Betonpfähle sind ungeeignet.
Der optimale Reifegrad des Leseguts liegt zwischen 75° und 900 0e. Geringe Reife verlangt mehr Trennenergie, was zu vermehrter Beschädigung der Trauben führt, und mit höherer Reife nehmen die Saftverluste zu. Ernteverluste treten häufig am Pfahl bereich auf (300 -400kg/ha), da der Pfahl die Schüttelimpulse schluckt. Bei Sorten, die eine geringe Abtrennkraft benötigen, sind mehr Einzelbeeren im Lesegut vorhanden, dies kann ebenfalls zu einer Zunahme der Saftverluste durch Verletzung der Beeren führen. Dasselbe gilt für edelfaules Lesegut, da die hier die Beerenhaut sehr dünn ist.
Das Lesegut sollte so schnell wie möglich verarbeitet werden (10 -30% freier Saftablauf), da es sonst zu starker Oxidation und Gerbstoffauslagerung kommt. Dabei sollte es am besten ausgekippt werden, das Pumpen beim Maischewagen ist zu unterlassen
Zur adäquaten Maschineneinstellung gehört, neben der geometrischen Anpassung' des Lesekopfes an die Rebreihe, eine sachgerechte Einstellung der Schüttierfrequenz und -Amplitude, der Fahrgeschwindigkeit, der Gebläsedrehzahl sowie die passende Anzahl von Schüttlerstabpaaren.
 

Vor-und Nachteile der Maschinenlese

Für den Einsatz der maschinellen Lese sprechen, neben der Problematik nur begrenzt verfügbarer Arbeitskräfte, die hohe Schlagkraft. So ist es mit dem Vollernter möglich, den Lesezeitpunkt nach der optimalen Reife des Leseguts zu richten und die Lese zur optimalen Tageszeit (Temperatur) in kurzer Zeit durchzuführen. Sei adäquater Maschineneinstellung, sind keine Qualitätsunterschiede zur Handlese festzustellen, auch bei zahlreichen verdeckten Kostproben ergaben sich, bei gesundem Lesegut, keine statistisch abgesicherten Qualitätsunterschiede zwischen Weinen aus Hand-und Maschinenlese. Die Vorteile der Hand-und Maschinenlese sind der folgenden Tabelle aufgezeigt.
[siehe Tabelle 1]
Die Investitionskosten für die Mechanisierung der Weinl'ese sind allerdings erheblich, so ist bei einem Selbstfahrer mit Anschaffungskosten von € 150.000 bis €
250.000 zu rechnen, was eine Mindesteinsatzfläche von ca. 60 ha erfordert, bei gezogenen Maschinen liegt der Anschaffungspreis im Bereich von € 75.000 bis €
85.000 und die Mindesteinsatzfläche bei ca. 20 ha.
[siehe Tabelle 2]
 

Entwicklung der Erntemaschinen

Die Entwicklung von Traubenerntemaschinen begann in den 50er Jahren in den USA, in den 70er Jahren erfolgte die Einführung in Europa. Die ersten Maschinen arbeiteten noch mit vertikalen SchOttlern, wobei der Unterstotzungsdraht in Schwingung versetzt wurde. Die Maschine von Chrisholm-Ryder, die in [siehe Abbildung 1] dargestellt ist, arbeitete mit horizontalen SchOUelaggregaten, wobei die Stahlschläger die Trauben abschlagen sollten [siehe Abbildung 2]. Das Lesegut wurde mittels einer Förderschnecke kontinuierlich auf ein nebenherfahrendes Transportfahrzeug überladen. Dieses nicht besonders schonende Verfahren wurde im Laufe der Zeit immer weiter entwickelt, um der Verletzung der Beeren während des Erntevorgangs entgegenzuwirken.
 
Aktuell auf dem Markt käufliche Traubenvollernter gibt es als gezogene oder selbstfahrende Variante. In Abbildung 3 ist ein gezogener Vollernter, in Abbildung 4 ein selbstfahrender ERD SF 200 gezeigt.
Der gezogene Vollernter (Nachläufer) kommt für mittlere und größere Weinbau betriebe in Frage. Die wichtigsten Kriterien sind Gewicht, Schwerpunktverteilung, Bauweise, Bereifung, Triebachse und Größe der Traubenbunker. Nachteilig gegenüber den Selbstfahrern sind die schlechte Manövrierfähigkeit und die geringe Arbeitsgeschwindigkeit. Vorteilhaft bei modernen gezogenen Vollerntern sind die gute Steigfähigkeit von etwa 35 % Hangneigung durch die hydrostatisch angetriebenen Triebachsen . Ein zugkräftiger Traktor von mindestens 60 PS bzw. im Hang mindestens 70 PS ist erforderlich.
Selbstfahrer sind überwiegend allradgetriebene und sehr leistungsfähige Maschinen. Sie werden in Großbetrieben, in Betriebsgemeinschaften sowie von Lohnunternehmern eingesetzt. Als Antriebsaggregat kommen Dieselmotoren von 80 190 PS zum Einsatz. Selbstfahrer besitzen im Vergleich zu gezogenen Vollerntern eine größere Flächenleistung, bessere Wendigkeit, größere Einsatzsicherheit, mehr Fahrkomfort, größere Traubenbehälter und hydrostatische Fahrantriebe die eine optimale Geschwindigkeitsanpassung und Drehmomentverteilung garantieren. Nachteilig ist allerdings das hohe Arbeitsgewicht von bis zu 10 t.
Zeitgemäße Vollernter verfügen über ein exzentergetriebenes Schlagwerk, welches aus zwei Trägerleisten mit je 4 -8 zylindrischen Glasfiberstäben besteht. Bei den heutigen Schlagsystemen werden die Schläger ( Bananenschläger, Tropfenschläger ) vorne und hinten. Dadurch ist ein freies Durchschwingen der Schlägerenden in die Laubwand nicht mehr möglich, was eine weitere Reduzierung der Ernteverluste und der Beschädigungen an den Trieben mit sich brachte.
Der Ablöseprozess des Ernteguts basiert darauf, dass die komplette Laubwand in Schwingung versetzt wird, und die Beeren-bzw. Traubenstiele aufgrund der Massenträgheit abreißen. Verletzungen des Ernteguts durch direkte Schläge werden so weitestgehend vermieden. Das abgeschüttelte Erntegut wird von Bechern oder Schuppenplatten aufgefangen und über Stabförderer öder Becherwerke in die Sammelbehälter transportiert. Zwei bis vier Gebläse reinigen das Lesegut von Blättern, Stielen und Triebteilen. Die Entleerung der Trauben in das Erntebehältnis geschieht durch Kippen der Behälter, seitlich oder nach hinten. Zur Verteilung des Erntegutes sind die Behälter mit Verteilerschnecken ausgestattet.
 

Technische Neuerungen

Die Firma ERO in Niederkumbd entwickelt in Zusammenarbeit mit der Hochschule Wädenswil und Gea Westfalia einen Traubenvollernter mit Separator. Bei dieser Maschine befindet sich, wie Abbildung 5 zeigt, ein Dekanter anstelle des Traubentanks, und das Lesegut wird direkt zu Most verarbeitet. Die Pressrückstände verbleiben im Weinberg, und der gewonnene Most kann mittels Pumpe auf ein Transportfahrzeug umgeladen werden [siehe Abbildung 6]. Ein Prototyp dieser Maschine ist seit 2004 in Deutschland und Chile im Einsatz.
Sowohl Braud (New Holland, Bild 7) als auch Pellenc (Bild 8) [siehe Abbildung 7 u.  8] bieten ihre Vollernter als Geräteträger mit Ernteaufsatz an. Hierdurch wird es möglich, durch diverse Aufbauten andere Arbeiten wie Pflanzenschutz, Laub-oder Rebvorschnitt oder Bodenbearbeitung im Überzeilenverfahren durchzuführen. Dies ermöglicht durch ein erweitertes Einsatzspektrum eine bessere Maschinenauslastung über das Jahr.
Für die Steillagenbewirtschaftung wurde in den vergangenen Jahren der Prototyp eines seilunterstützten Vollernters realisiert [siehe Abbildung 9], der an der Mosel im Testeinsatz ist. Ein weiteres Forschungsprojekt befasst sich aktuell mit der Erweiterung des Einsatzspektrums dieser Maschine durch den Aufbau eines Pflanzenschutzgerätes für die überzeilige Behandlung im Steilhang. Durch die Seilunterstützung soll die Maschine Steigungen bis 60% bewältigen können.
 
 

Medium

 
  • Die Forschungsanstalt Geisenheim ist eine der ältesten Forschungseinrichtungen des Wein- und Gartenbaus im deutschsprachigen Raum.
  • Im Rahmen einer engen Verknüpfung mit der Hochschule RheinMain werden in Geisenheim rund 1000 Studierende der Fachrichtungen Weinbau und Oenologie, Getränketechnologie, Gartenbau sowie Landschaftsarchitektur von den Mitarbeitern der Forschungsanstalt in Vorlesungen und Übungen mit betreut.
  • Ziel unserer Arbeit ist es, innovative Forschungen in anwendbare Handlungsansätze für die Praxis umzusetzen und anzubieten, um deren Konkurrenzfähigkeit zu stärken. Die zukünftigen Diplomingenieure, Bachelors und Masters sollen sowohl national als auch international Leitungsfunktionen in den von uns vertretenen Industrien übernehmen können.
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