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Sonstiges 1, 01.04.2013

CO2 WIRD AUF NULL GESTELLT

Was können wir tun, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren?
Jeder Betrieb lebt davon, dass unterm Strich erheblich mehr als eine schwarze Null steht. Wie groß diese Ziffer ist, hängt entscheidend von den Erträgen und den Kosten ab. Auf beides hat der Winzer erheblichen Einfluss.
 
Eine Voraussetzung für den Erfolg ist beispielsweise die Dokumentation sämtlicher Arbeitsschritte im Wein­berg, wobei jeder Parzelle detaillierte Kosten zugeordnet werden. Ein erheblich unterschätzter Posten ist dabei der Ver­brauch von Primärenergie in Form von Diesel, Benzin oder Strom. Gerade hier lohnen sich die Herstellung von Transpa­renz und die Einführung energiesparen­der Alternativen. „Wie lange fährt der Schlepper durch den Weinberg?" „Wie lange ist die Pflanzenschutzspritze im Einsatz?" „Was können wir tun, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren" oder absolut auf der Höhe der Zeit: „Welche Rolle spie­len regenerative Energien in meinem Betrieb?"
Aus dem Stegreif kann nicht jeder Praktiker darüber Auskunft geben. Neu­este Technik hilft der Kostendisziplin auf die Sprünge, indem in modernen Schleppern automatische Kraftstoffverbrauchs­erfassung installiert und mit GPS-Daten gekoppelt ist. „Runtergerechnet auf den Liter Wein den Primärenergieverbrauch zuordnen", sagt Prof. Dr. Hans-Peter Schwarz, Forschungsanstalt Geisenheim, „darauf kommt es heute an."
 

Verlockendes Nullsummenspiel

Schrittweise entwickelt der Hoch­schullehrer seine Ideen. Mit Rapsöl oder Motoren schonendem und nach DIN Norm hergestelltem Rapsmethylester steigt er ein. Für Winzer sei der Anbau auf eigenen oder benachbarten Flächen durchaus von Interesse, rät Schwarz. Raps auf den Hektar, ob nun selbst oder von einem Landwirt in die Frucht­folge gestellt, bringt etwa 1 500 Liter Rapsmethylester. Der reicht bei einem mittelgroßen Betrieb immerhin für gut 90 Prozent der Schlepperfahrten im Weinberg.
Diese Energiekostenersparnis ist ein verblüffendes Nullsummenspiel: der ge­erntete Raps wird verkauft, der daraus hergestellte Rapsmethylester wiederum zurückgekauft. Natürlich funktioniert die Veresterung nicht ohne Energie, aber die ist unerheblich. Daraus kann anbautech­nisch eine richtige Ölpflanzenfruchtfolge werden, denn im darauf folgenden Jahr sind Sonnenblumen an der Reihe und danach Öllein. Mit dem Zusatznutzen, dass der Boden verbessert wird.
 

Kostengünstiger und umwelt­schonender Verbrauch

Der nächste Tipp ist simpel, aber immens wichtig. Auf der Straße brauchen die Traktoren zur Verschleißminderung hart aufgepumpte Reifen, im Weinberg niedrigen Druck. „Der Winzer macht das aber nicht", beklagt Schwarz. Das Gros fahre mit einer Mischkalkulation von 0,8-0,9 bar. Hart aufgepumpte Reifen bringen aber weniger Zugkraft auf den Boden. Mit Druckminderung würde auch ein leistungsschwächerer Trecker genügen, rührt Schwarz an ein landwirtschaftliches Tabu und vergleicht den 50 kW- mit dem 70 kW-Schlepper: für
eine kWh Arbeit werden 250 Gramm Sprit gerechnet. Der 50 kW-Schlepper punktet draußen mit ein bis zwei Liter Spritersparnis pro Stunde, und bei 300 Arbeitsstunden im Weinberg sind das bis zu 900 Liter eingesparter Dieselkraftstoff - die Umwelt freut's und den Winzer sollte es erst recht freuen.
Moderne Schlepper mit weniger PS kosten auch weniger in der Anschaffung und können mit einem elektronischen Traktor-Management aufgerüstet werden, das stets den kostengünstigsten Verbrauch wählt. Bei Großschleppern sind stündlich erkleckliche zwei Liter Ersparnis drin, die zugleich der Emissionsminderung zugute kommen. Raupenlaufwerke stehen energetisch noch besser da, indem sie die Traktion um 300 Prozent erhöhen und den Bodendruck auf ein Drittel senken. Der ist niedriger als der Druck des Winzers, der mit Straßenschuhen durch den Weinberg geht. In jedem Fall zeigen sich positive Effekte für den Bodenschutz, und damit werden sogar die Anforderungen des geplanten Erosionskatasters mit seinen Bewirtschaftungsauflagen vorweggenommen.
 

CO2 fährt eine Null-Linie

Mit hehren Postulaten allein will sich das Geisenheimer Team um Professor Schwarz aber nicht aufhalten und rechnet ein praktisches Beispiel vor. In einem Pfälzer 7 ha-Betrieb sind übers ganze Jahr kumuliert 280 g CO2- Emission pro Liter Wein derzeit Stand der Dinge, und die Energiekosten liegen bei 14 Cent. „Wir haben versucht, mit der Bündelung aller Maßnahmen, CO2 auf Null zu stellen. Und das geht", erklärt er überzeugen^ Auch das Drehen an kleinen Schräu.. chen bringt etwas, wenn etwa 1-Zylinder-Viertakt-Rebschneidgeräte eingsetzt werden oder eine Elektroschere mit Ökostrom betrieben wird. Der Ökostrom könnte vom Wasserkraftwerk in Österreich kommen, von einer Windkraftanlage an der Nordsee oder weinbergnah photovoltaisch erzeugt werden. Willkommene Zugabe ist, dass das Weingut ein positives Image erhält, wenn es in dieser Weise C02-schonend wirtschaftet.


Den Stromverbrauch auf den Prüfstand stellen

Damit sind die Energiereserven noch längst nicht ausgereizt. Im Keller sind Überlegungen anzustellen, wie viel Energie für die Kühlung und die Maischa^ erhitzung gebraucht wird. Ist-Zustar,. ist, dass für 100 Liter Rotwein 10 kWh und für die gleiche Menge Weißwein 3 bis 8 kWh eingesetzt werden. „Hier tut sich ein Optimierungspotenzial auf", sagt Hans-Peter Schwarz. Den üblichen Wärmeverlusten, „Kältebrücken", bei Isolation und Entlüftung kommt man mit Infrarotkameras auf die Spur. Heute wirken sich die Sünden der Vergangenheit aus: in den 70er Jahren wurden schlechte, wasserdurchlässige Betonqualitäten ohne Beschichtung verbaut mit der Folge verschwenderischer Wärmeverluste und Schimmelbildung.
Wirksame Korrekturmaßnahme ist eine 8-10 cm starke isolierende Styroporschicht auf die Außenhaut oder ein Verputz. Wird zu stark isoliert, werden Luft-Schadfracht und CO2 nicht abgeleitet. Die Lösung sind abteilweise geregelte Entlüftungssysteme mit Sensoren, die den Schadstoffgehalt detektieren. Hier kommt es sowohl auf den Stromverbrauch als auch auf hohen Wirkungsgrad an, denn die Ventilatoren laufen rund um die Uhr. Schwarz: „Was im Keller mit Elektro zu tun hat, gehört auf den Prüfstand."


Energetische Selbstversorgung bis zur Autarkie

Interessant wird es immer, wenn der Hochschullehrer vom Ideenreichtum seiner Diplomanden und Doktoranden spricht und den praxisnahen Alternativen seines Teams: Da ist eine große baden-württembergische Kellerei mit jährlich 6 000 Tonnen anfallendem Trester. Der wird pelletiert und in einer Pelletbrennanlage verfeuert. Das heizt das Haus, wärmt das Flaschenspülwasser und deckt die Maischeerhitzung ab. Nachgeschaltete Stirlingmotoren erzeugen sogar Strom, der ins Netz fließt und Geld bringt. Auch aus phytosanitären Gründen ist zu empfehlen, das Rebholz aus dem Weinberg herauszuholen und zu verheizen. Jährlich sind das auf den Hektar gerechnet immerhin 1,5 bis 2 Tonnen (1,3 kg Rebholz entspricht1,5 Liter Diesel).
Damit kann ein Weingut bei thermischer Verwertung von 1,5 t/ha Rebschnitt jährlich 1 500 Liter Heizöl einsparen. Über das Prinzip des Gefrierschranks lässt sich Wärme in Kälte wandeln, die Gärung steuern und die Lagerung bei 8 bis 9 Grad Celsius kühl halten. „Für 15-Hektar-Betriebe", wartet Professor Schwarz mit einer generellen Aussage auf, „haben wir absolute Energie-Autarkie durchgerechnet."


Bestens versorgt im Energie-Mix

Das schlummernde Energiepotential ist damit noch längst nicht ausgeschöpft. Weingüter haben Dachflächen, und darauf lässt sich die Photovoltaik nutzen. Optimal sind Süd-Südwest-Ausrichtung und Dachneigungen zwischen 15 und 45 Grad. „Jetzt ist der beste Zeitpunkt", sagt Schwarz, denn das installierte KiloBuche (2008: 5 000 EU), mit kräftigen öffentlichen Subventionen. Nach zehn Jahren ist der „Return-On-Investmenf erreicht, bis dahin hat sich die Investition selbst verdient. Je weiter südlich der Weinbaubetrieb, je länger die Sonnenscheindauer ist, umso höher sind die zwischen 1 200 und 1 300 Kilowattstunden pro installiertem kW prognostizierten Erträge einer solchen Anlage. Für die Einspeisung ins öffentliche Netz gibt es derzeit immerhin 40 Cent/ kWh.
Die Instrumente liegen auf dem Tisch, und jetzt kommt es „nur" auf deren gezielten Einsatz an. Konzeptionell einfach mutet die Kombination von Photovoltaik mit ErdStellen" wärme an. Grundwasser gilt als das Temperatur-Austauschmedium par excellence. Fußbodenheizungen können damit gespeist werden, die Wand könnte umfunktioniert werden zur Wärmeaustauschfläche, die im Winter wärmt und im Sommer kühlt. Trester, Rebschnitt, Solar, Photovoltaik, Grundwasser und Erdwärme - „das lässt sich alles modular aufbauen". Insoweit klingt alles positiv.


Energiereserven vom Stickel bis zum Kunden

Das Weinausfahren mit eigenem Fahrzeug ist eine verbreitete Vertriebsart. Gerade sie ist Energieverschwendung mit dem größten C02-Ausstoß im gesamten Weingeschäft. Deshalb bedarf es hier einer dringenden Änderung in Richtung Kosten senkender und umweltfreundlicher Versandarten. (Siehe dazu auch InnoVino 2/2008: „Die Vertriebskosten gehören auf den Prüfstand").
Ein eher erstaunliches Forschungsergebnis ist die Aussage, dass verzinkte Stickel große Energiefresser sind. Der Alternatiworschlag ist gleich zur Hand: Ein neues Verfahren zum Einsatz von vollernterfesten Schwachhölzern, die nach 30 Jahren kein Sondermüll sind und verheizt werden können. „Es lohnt sich", fasst Professor Schwarz zusammen, „alle Elemente im Betrieb energetisch zu überdenken, die im Einflussbereich des Winzers liegen."
Und das sind nicht wenige. 
 

"Energetische Gewissenserforschung"

 
  •  "Was kann ich tun, um den C02-Ausstoß zu reduzieren?"
  • "Welche Rolle spielen regenerative Energien in meinem Betrieb"
  • "Es lohnt sich, alle Elemente im Betrieb energetisch zu überdenken"
  • "Den Stromverbrauch auf den Prüfstand stellen"
  • "Den Energieverbrauch pro Liter Wein zuordnen, darauf kommt es heute  an!"
 
 

Medium

 
  • Die Forschungsanstalt Geisenheim ist eine der ältesten Forschungseinrichtungen des Wein- und Gartenbaus im deutschsprachigen Raum.
  • Im Rahmen einer engen Verknüpfung mit der Hochschule RheinMain werden in Geisenheim rund 1000 Studierende der Fachrichtungen Weinbau und Oenologie, Getränketechnologie, Gartenbau sowie Landschaftsarchitektur von den Mitarbeitern der Forschungsanstalt in Vorlesungen und Übungen mit betreut.
  • Ziel unserer Arbeit ist es, innovative Forschungen in anwendbare Handlungsansätze für die Praxis umzusetzen und anzubieten, um deren Konkurrenzfähigkeit zu stärken. Die zukünftigen Diplomingenieure, Bachelors und Masters sollen sowohl national als auch international Leitungsfunktionen in den von uns vertretenen Industrien übernehmen können.
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