Technik Plattform der Fachgruppe Technik

Besucher: 298038
 

Einsatzbereich


Kategorien

Traktoren, 29.03.2013

DER COMPUTER AM STEUER

Precision Farming halten verstärkt Einzug in Weinbaubetriebe. Hierzu zählen auch Systeme zur automatischen Lenkung landwirtschaftlicher Fahrzeuge.
Viele Verfahren des Precision Farming halten verstärkt Einzug in Weintaubetriebe. Hierzu zählen auch Systeme zur automatischen Lenkung landwirtschaftlicher Fahrzeuge. Im Fachgebiet Technik der Forschungsanstalt Geisenheim wurde eine praxisbezogene Studie zu Einsatzmöglichkeiten automatischer Lenksysteme im Weinbauschlepper durchgeführt.
 
Im Bereich der Flächenlandwirschaft werden automatische Lenk- und Spurführungssystem bereits erfolgreich und in zunehmendem Maße eingesetzt. Diese nutzen Signale des Global Positioning Systems (GPS) oder verschiedene Sensoren zur Lenkung des Fahrzeugs.
Die computergestützten Systeme errechnen erforderliche Lenkbewegungen durch Vergleich der tatsächlichen mit einer einzuhaltenden Fahrzeugposition. Durch fortwährenden Abgleich zwischen beiden Positionen kann das Fahrzeug entlang eines virtuellen Kurses oder einer Leitstruktur manövriert werden.
Nach entsprechender Adaption können diese Lenksysteme zur Spurführung der im Weinbau verbreiteten Schmalspur-und Spezialschlepper herangezogen werden. Hier ermöglichen diese, durch Abtastung der Laubwandstruktur oder des Unterstützungsgerüstes, eine autonome Spurführung des Schleppers entlang der Rebzeile. Lediglich Wendemanöver am Zeilenende sind manuell auszuführen.
 

Zielsetzung der Praxisstudie

Um erste Erfahrungen und Erkenntnisse für den Praxiseinsatz zu gewinnen, wurde im Fachgebiet Technik der Forschungsanstalt Geisenheim ein Weinbauschlepper mit einem entsprechenden Lenksystem ausgerüstet.
Wesentliches Ziel war hierbei die Klärung der Fragestellung, in wieweit diese, aus der Flächenlandwirtschaft stammenden Systeme, dazu geeignet sind, die Spurführung innerhalb der Rebzeilen zu gewährleisten. Besondere Berücksichtigung fanden die Kriterien Betriebssicherheit und Präzision der Spurführung.
Darüber hinaus galt es zu klären, ob im Zusammenhang mit dem Einsatz des Lenksystems günstige Auswirkungen auf ergonomische Kriterien des Schleppereinsatzes nachweisbar sind. Gleiches gilt für eine gesteigerte Effizienz des Maschineneinsatzes beziehungsweise Verbesserung der Arbeitsqualität.
Um ein erstes Meinungsbild der Praxis einzuholen, wurde zusätzlich eine Umfrage unter Besuchern von Ausstellungen und Fachtagungen durchgeführt.
 

Material und Methode

Im Rahmen der Untersuchung wurde ein mit Ultraschallsensoren ausgestattetes System des Herstellers Reichhardt Elektronik verwendet. Das Basissystem trägt die Typenbezeichnung Reichhardt Ultra Guidance PSR Basic. Die integrierte Ultraschallsensorik wird unter den Typenbezeichnungen Ultra Guidance PSR Sonic vertrieben (siehe Bilder).
Als Versuchsfahrzeug diente ein Schmalspurschlepper der Marke Fendt, Typ 209 V. Dieser entspricht in seiner technischen Ausstattung im Wesentlichen der handelsüblichen Serienausstattung. Die Ultraschallsensoren wurden an verschiedenen Positionen auf der Motorabdeckung und der Schlepperfront montiert.
Um eine Bewertung des Spurführungssystems vornehmen zu können, erfolgten Versuchs- und Messfahrten mit verschiedenen Fahrern und in Weinbergen mit unterschiedlicher Zeilenbreite sowie Laubwandgeometrie.
Die einschlägige Literatur nennt neben einer Verbesserung der Arbeitsqualität eine merkliche Entlastung des Fahrers als wesentlichen Effekt eines automatischen Spurführungssystems.
Zu erwartende physische und psychische Entlastungseffekte sind nicht unmittelbar einer wissenschaftlichen Messung zugänglich und erfordern somit eine indirekte Bestimmung.
Diese kann näherungsweise durch Messung der Herzschlagfrequenz der Versuchsfahrer erfolgen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Herzschlagfrequenz von einer Vielzahl verschiedener Faktoren beeinflusst wird.
Im Rahmen der Versuchsdurchführung wurde ausschließlich der Faktor Fahrzeuglenkung zwischen automatischer und manueller Bedienung variiert. Demzufolge sollte eine reproduzierbare Aussage zu Veränderungen der Be- oder Entlastungserscheinungen möglich sein.
Vor diesem Hintergrund wurden ausgewählte Weinberge von verschiedenen Fahrern jeweils mit automatischer und manueller Lenkung durchfahren. Dabei wurde deren Herzschlagfrequenz durch eine Elektrode kontinuierlich aufgezeichnet und danach ausgewertet. Parallel hierzu wurden die Versuchsfahrer zu ihrem subjektiven Empfinden während beider Fahrvarianten befragt.
Im Zuge dieser Versuchsdurchführung war zu erkennen, dass notwendige Kurskorrekturen zum Beibehalten der Soll-Fahrspur durch das Lenksystem mit schnellen und intensiven Lenkbewegungen ausgeführt werden. Hierdurch wurde die Frage aufgeworfen, ob daraus eine ergonomisch ungünstige Beeinflussung des Fahrzeugschwingverhaltens resultiert. Zur Klärung erfolgte im Weiteren eine vergleichende Messung der mechanischen Fahrzeugschwingung in beiden Lenkvarianten.


Was nutzen automatische Lenksysteme?

Anhand der durchgeführten Versuche konnte die zuverlässge Funktion des untersuchten Lenksystems unter typischen Einsatz- und Umgebungsbedin-ngen im Weinberg nachgewiesen werden. Die Ultraschallsensorik ermöglicht eine sichere Abtastung der Laubwand als Leitstruktur. Eine sichere Spurführung ist sowohl während der Sommermonate entlang einer homogenen und geschlossenen Laubwand als auch in den Wintermonaten entlang des unbelaubten einjährigen Rebholzes gegeben.
Nach erfolgter Installation und Konfiguration ist die Qualität der automatischen Spurführung als gleichwertig zur manuellen Referenzvariante zu bezeichnen. In einzelnen Fällen ist durch optimierte Sensor-und Softwarekonfiguration gegenüber der manuellen Variante eine gesteigerte Präzision der Spurführung möglich.
Die vergleichend durchgeführte Messung des mechanischen Fahrzeugschwingverhaltens lässt einen Zusammenhang zwischen Anordnung der Ultraschallsensorik am Schlepper und der effektiven Schwingungsbelastung erkennen. Zu Beginn der Untersuchung war eine in der automatischen Variante leicht erhöhte mechanische Schwingungsbelastung festzustellen.
Durch eine angepasste Montage der Sensoren am Traktor kann diese deutlich bis auf das Niveau der manuell gelenkten Referenzvariante verringert werden.
Die durchgeführte Umfrage konnte Interesse und Akzeptanz der Praxis gegenüber dem Einsatz automatischer Spurfüh-"Mgssysteme im Weinbergschlepper nachweisen.
Erwartungsgemäß ist eine enge Korrelation zwischen Alters- und Betriebsstruktur der Befragten und deren Einstellung gegenüber innovativer Technik zu belegen. Insbesondre dynamische, groß strukture Weinbaubetriebe lassen eine Nachfrage nach Spurführungssystemen zur Steigerung der Produktivität erkennen.
Automatische Spurführungssysteme gelten als besonders geeignet zur Etablierung
schlagkräftiger Über- und Mehrzeilentechnologie zur effizienten Bewirtschaftung der Weinbergsanlagen.


Entlastung des Schlepperfahrers

Die vorliegenden Messergebnisse zum untersuchten Indikator Herzschlagfrequenz erlauben es nach Auswertung derzeit nicht, eine signifikante Fahrerentlastung innerhalb der automatischen Lenkvariante nachzuweisen. Einzelne Messwerte lassen jedoch eine entsprechende Tendenz erkennen.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sämtliche Messfahrten nur mit dem Weinbergschlepper als Solofahrzeug ohne Anbau- und Arbeitsgeräte durchgeführt wurden. Eine erhöhte Aufmerksamkeit und Sachzuwendung des Fahrers auf den Arbeitsprozess war somit nicht erforderlich. Gegebenenfalls ist die potenzielle Entlastung über den gewählten Indikator erst bei insgesamt anspruchsvollerer Tätigkeit nachzuweisen.
Demgegenüber zeigt die Auswertung der durch Befragung der Versuchsfahrer erhobenen Daten eine deutlich wahrnehmbare Entlastungswirkung des automatischen Lenksystems. Die Versuchsfahrer bestätigen einheitlich einen deutlich gesteigerten Fahrkomfort. Durch die Freistellung vom eigentlichen Vorgang des Lenkens steht eine erhöhte Aufmerksamkeit zur Bedienung und Überwachung von Anbaugeräten, beispielsweise im Über- und Mehrzeilenbereich zur Verfügung.
 

Fazit

Welche Entwicklung ist zu erwarten?
Im Rahmen der Studie konnte die grundsätzliche Eignung des untersuchten Spurführungssystems für die Weinbaupraxis bestätigt werden. Hinsichtlich Spurführungsqualität und mechanischer Fahrzeugschwingung bestehen zwischen automatischer und manueller Lenkvariante nur unwesentliche Unterschiede. Die erwartete Entlastung des Fahrers konnte anhand des Datenmaterials zwar weniger deutlich als erwartet nachgewiesen werden - tendenziell, Insbesondere unter Berücksichtigung der subjektiv geprägten Aussagen der Versuchsfahrer, ist diese aber deutlich erkennbar.
Praktiker erkennen in der Nutzung automatischer Lenksysteme durchaus großes Potenzial zur Stelgerung der Schlagkraft und Bewirtschaftungseffizienz. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Intensivierung und Mechanisierung des Weinbaus.
Zur abschließenden Beurteilung sind weitergehende Untersuchungen erforderlich. Hierbei sind typische Bewirtschaftungsmaßnahmen und Arbeitsgerätekombinationen auszuwählen und einem detaillierten Vergleich zwischen automatischer und manueller Fahrzeuglenkung zu unterziehen. Eine Wiederholung der Beanspruchungsmessung unter modifizierten Versuchsbedingungen und unter kritischer Prüfung des herangezogenen Indikators ist anzuraten.
Unter Berücksichtigung des kontinuierlich fortschreitenden technologischen Fortschritts erscheint der Einsatz automatischer Spurführungssysteme als logische Weiterentwicklung bestehender Zugmasch nen im Weinbau. Die konsequente Umsetzung über-und mehrzellig arbeitender Technik, auch durch verstärkten Einsatz von Überzeilenschleppern oder selbstfahrenden Geräteträgern, erfordert zunehmen de Fahrerunterstützung durch elektronische Asslstenzsysteme. In diesem Zusammenhang erlangen Spurführungssysteme zentrale Bedeutung.
Sie sind ein wichtiger Baustein in einer Kette von Steuer- und Regelvorrichtungen, deren übergeordnete Ziel die ganzheitliche Automatisierung des landwirtschaftlichen Produktionsprozesses ist. Vor dem Hintergrund beschriebener Auswirkungen des Einsatzes automatischer Spurführungssysteme sind diese als zukunftsweisendes Instrument eines ergonomisch und ökonomisch optimierten Weinbaus zu verstehen.
Die Technologie automatischer Spurführungssyste me ist darüber hinaus als wichtiger Entwicklungsschritt zur Etablierung autonom arbeitender Feldrobo tik zu betrachten. In Anlehnung an Entwicklungen aus dem Pflanzenbau ist die Möglichkeit einer selbstständigen und fahrerlosen Steuerung von Fahrzeugen und Arbeitsmaschinen besonders zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund könnten autonom agierende Fahrzeuge zukünftig im arbeits- und personalintensiven Sonderkulturbau einen wesentlichen Beitrag zur Effiz enz und Rentabilitätssteigerung leisten. Gerade der Bereich der Mechanisierung von Weinbausteillagen lässt hier großes Entwicklungspotenzial erkennen.

Medium

 
  • Die Forschungsanstalt Geisenheim ist eine der ältesten Forschungseinrichtungen des Wein- und Gartenbaus im deutschsprachigen Raum.
  • Im Rahmen einer engen Verknüpfung mit der Hochschule RheinMain werden in Geisenheim rund 1000 Studierende der Fachrichtungen Weinbau und Oenologie, Getränketechnologie, Gartenbau sowie Landschaftsarchitektur von den Mitarbeitern der Forschungsanstalt in Vorlesungen und Übungen mit betreut.
  • Ziel unserer Arbeit ist es, innovative Forschungen in anwendbare Handlungsansätze für die Praxis umzusetzen und anzubieten, um deren Konkurrenzfähigkeit zu stärken. Die zukünftigen Diplomingenieure, Bachelors und Masters sollen sowohl national als auch international Leitungsfunktionen in den von uns vertretenen Industrien übernehmen können.
Werbung