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Mechanische Schnittgeräte , 03.03.2012

INNOVATIVER BAUMSCHNITT

Über den neuen mechanischen Schnitt nach dem Vorbild von ‚Le Mur Fruitier‘, wurden Informationen eingeholt und eigene Erfahrungen gesammelt.

MECHANISCH VORSCHNEIDEN UND HÄNDISCH KORRIGIEREN

Über den neuen mechanischen Schnitt nach dem Vorbild von ‚Le Mur Fruitier‘, wurden Informationen eingeholt und eigene Erfahrungen gesammelt. Die Vorteile dieser Schnitttechnik hat das Interesse der Obstbauern geweckt, und es sind schon etliche Geräte in Südtirol im Einsatz. Wir möchten in diesem Artikel unseren Informationsstand und Erfahrungen an interessierten Obstbauern weitergeben.
Mit mechanischem Schnitt wurde im Obstbau schon in den letzten Jahrzehnten öfters experimentiert, aber nach einigen Jahren wurde er stets wieder aufgelassen. Beim reinen mechanischen Schnitt wird das Baumvolumen zu dicht, und die Fruchtqualität sinkt folglich sehr stark ab. In Frankreich wurde eine neue Variante des mechanischen Schnitts, ‚Le Mur Fruitier‘ entwickelt, die aus einer Kombination von mechanischem Vorschneiden und händischem Korrigieren besteht.
 
Le Mur Fruitier’
  • Die Baumhecke wird mechanisch geschnitten und nach Bedarf im Winter händisch korrigiert
  • Der Durchmesser der Hecke beträgt 40 + 40 cm oder 50 + 50 an der unteren Baumkrone und 30 + 30 cm am Wipfel
  • Nur im Umstellungsjahr, bzw. wenn die Wand nach etlichen Jahren an Breite zu nimmt, wird im Winter die Wand vorgeschnitten.
  • Jährlich wird im Sommer beim 10. bis 12. Blattstadium der Triebe mechanisch geschnitten, um die Blütenknospeninduktion zu fördern.
 
These von ‚Le Mur Fruitier‘
 Im Vegetationsstadium von 10 bis 12 Blättern pro Trieb ist die Blütenknospeninduktion an den Obstbäumen am stärksten. Die Triebspitzen aber produzieren Hormone, welche die Bildung der Blütenknospen hemmen. Durch den Schnitt zu diesem Zeitpunkt werden die hemmenden Triebspitzen zum Teil entfernt. Dieser Termin wird nicht einheitlich angewandt, sondern den örtlichen Klimabedingungen und Sorten angepasst.
 
Mechanische Schnittgeräte
Das mechanische Schnittgerät kann mit einem Kreissägen- oder Fingersystem (Mähbalken) ausgestattet sein. Das Fingersystem ist billiger und beim Sommerschnitt vor allem fruchtschonender.


Gerät für den mechanischen Schnitt: Fingersystem mit drei getrennten Mähbalken
 
1.  Informieren
In den letzten zwei Jahren haben wir in Versuchsanstalten und Praxisbetrieben in Frankreich, Katalonien (E), Belgien, Zeeland (Nl), Bodensee (D), Trient und Südtirol Informationen eingeholt. Vor allem in einigen Praxisbetrieben wurde uns deutlich vorgezeigt, dass ein Korrekturschnitt mit der Hand unbedingt notwendig ist. Betriebe, die kaum oder keinen Korrekturschnitt durchführten, produzierten nur kleine und schlecht ausgefärbte Früchte 

2.  Eigene Erfahrungen
In einer Fujianlage (alternierend tragende Sorte) testeten wir 2009 verschiedene Schnitttermine im Sommer bei wechselnden Mondphasen. Um die Förderung der Blütenknospeninduktion zu erfassen, wurden im Schnittjahr vor der Handausdünnung die Früchte an den Bäumen geschätzt und im Folgejahr die Blühintensität aufgezeichnet. Die Beschreibung der Auswertung bezieht sich auf Bäume, die mehr als 85 Früchte trugen (Handausdünnung war bei diesen Bäumen notwendig). An den Bäumen, die im 6. bzw. 10. Blattstadium mechanisch geschnitten wurden, war die Blühintensität deutlich schwächer als an jenen, die nur händisch geschnittenen wurden (Kontrolle). Im 12. Blattstadium blühten die Bäume im Folgejahr gleich stark wie in der Kontrolle. Auch in der Red Chief-Anlage, in der die gleichen Schnitttermine getestet wurden, verbesserte der mechanische Sommerschnitt die Blühstärke im Folgejahr nicht. In vier verschiedenen Fuji-Anlagen und in einer Gravensteiner-Anlage wurden alle Triebspitzen am Baum zum Termin des 12. Blattstadiums entfernt (siehe These). Die Wiederblüte im Folgejahr war nicht besser als an den unbehandelten Bäumen. Im 10. bis 12. Blattstadium sind in unserem Gebiet die Apfelbäume im stärksten Trieb- und Fruchtwachstum. Vermutlich ist dies der Grund, dass die Blütenknospeninduktion zu diesem Schnitttermin bei unserem Klima nicht gefördert wird.


Nicht mechanisch geschnittene Bäume: viele Langtriebe mit unreifen Triebspitzen und dominanter Astverlängerung
 
2010 haben wir in zwei Fuji-Anlagen in einer Red Chief-Anlage und einer Golden Delicious-Anlage folgende mechanische Schnitttermine angefangen zu getestet.
 
Termine des mechanischen Schnittes ​Datum 2010 Blätter pro Trieb 2010 Schnittziele
Händischer Winterschnitt         
Nur Winter 25.02.      
* + T-Stadium +
31.05
15 Förderung der Blütenknospen bei Alternanzsorten im Tragjahr
* +
längste Tag
+
28.06.
19 Zur Wachstumshemmung in zu stark wachsenden Anlagen
*+
Neuaustrieb im Sommer
+
(03.09)
2010 kein Neuaustrieb Den ‚Augusttrieb‘ (Johannestrieb) entfernen
*+
Belichtungsschnitt
+
03.09
2 Wochen vor der Ernte Die Fruchtausfärbung fördern

* 2010 wurde bei allen geplanten mechanischen Schnittterminen der Winterschnitt zur Wandformierung ausgeführt. Bei der Fortführung der in der Tabelle angeführten Schnittbehandlungen wird 2011 nur einmal zum entsprechenden Termin (Sommerschnitt) mechanisch geschnitten.
Nach den Erfahrungen von 2009 überlegten wir, erst nach der Zellteilungsphase (T-Stadium) mit dem Sommerschnitt zu beginnen um die Blütenknospeninduktion bei alternierenden Sorten im Tragjahr (Fuji) zu fördern. Bei regelmäßig tragenden Sorten (Golden Delicious), bei denen jährlich die Früchte auszudünnen werden müssen, würden wir andere Schnittziele zuordnen (siehe Tabelle Spalte 4).
Beobachtungen 2010: Beim mechanischen Schnitt im T-Stadium entstand kein Neuaustrieb; beim Termin um den längsten Tag hingegen bildeten sich an den Schnittstellen frische Blattrosetten. Da in dieser Anlage die Bäume im Sommer 2010 nicht neu ausgetrieben haben, wurde der geplante Schnitt ‚Entfernung des Augusttriebes‘ nicht durchgeführt, sondern mit dem Belichtungsschnitt zusammen gelegt. Der Belichtungsschnitt förderte die rote Deckfarbe, so dass bei der ersten Pflücke deutlich mehr Äpfel abgeerntet werden konnte und im Vergleich zu den anderen Varianten entfiel der letzte Pflückgang. Bei den Fruchtmessungen konnte kein Unterschied zwischen den Varianten nachgewiesen werden. Die Wiederblüte 2011 müssen wir noch abwarten.


Mechanisch geschnittene Bäume: kürzere abgeschlossene Triebe und bessere Garnierung der Fruchtäste
 
Händischer Korrekturschnitt
  • Aufbau einer lockeren Hecke (keine Mauer): diffuses Licht fördert die Photosynthese sehr, die pralle Sonne direkt auf die Blätter hemmt sie hingegen
  • Die hängenden Äste sollen in waagrechte umgeformt werden
  • Das Fruchtholz soll durch Zapfenschnitt immer wieder erneuert werden
  • In Anlagen mit ‚Zapfenschnitt’ sollen waagrecht gewachsenen Trieben die Endknospen entfernt werden, damit diese Triebe nicht durchs Fruchten zu hängenden Ästen werden
  • Den Hausverstand gebrauchen und beim Umstellen von bestehenden Ertragsanlage den notwenigen Korrekturschnitt im ersten Jahr nicht zu radikal durchführen, sondern auf folgende Jahre aufteilen. Der hier beschriebene mechanische Schnitt ist eine Schnitttechnik und die Schnittstärke (mechanisch und händisch) muss jeder an seine Anlagen anpassen!

Die Wachstumsgesetze sind für die Pflanze gemacht und nicht für die Mode


Mechanisch geschnittene Fuji-Bäume
 
Die folgenden beschriebenen Vor- und Nachteile sind eine Zusammenfassung von gelesener Literatur, gesammelten Informationen und eigenen Erfahrungen.

Vorteile
  • Geringeres Wachstum: weniger Langtriebe und kaum Dominanz der Astverlängerung, sowie bessere Garnierung der Äste zum Stamm hin
  • Folglich mehr Ertrag nach der Umstellung
  • Regelmäßige Erträge bei Alternanzsorten
  • Einheitliche Fruchtgröße und bessere Fruchtausfärbung
  • Weniger Sonnenbrand (stabile Äste)
  • Schnelleres und leichteres Pflücken (kaum hängende Äste)
  • Die Kombination mit der mechanische Fruchtausdünnung ist ideal
  • Leichtere Anpassung der Luftmenge beim Sprühen (weniger Abdrift)
  • Einsparung an Schnittstunden (in der Umstellungsphase 0 bis 30 %, anschließend 30 bis 70 %)


Mechanisch geschnittene Red Chief-Bäume
 
Nachteile
  • Ernteeinbußen im Umstellungsjahr, wenn das Baumvolumen zu stark reduziert wird (vor allem bei weiten Pflanzabständen) bzw. wenn im Winter ein normaler Baumschnitt durchgeführt und erst im Sommer mechanisch geschnitten wird (auch Früchte werden mit abgeschnitten).
  • Kleine Früchte bei Unterlassung des händischen Korrekturschnittes bzw. Störung des Blatt/Fruchtverhältnisses
  • Verzögerung der Fruchtreife um 3 bis 7 Tage bei frühen Terminen des Sommerschnittes
Wir wissen über diese Schnittart noch zu wenig, deshalb können negative Überraschungen nicht ausgeschlossen werden.


Mechanisch geschnittene Golden Delicious-Bäume
 
Schlussfolgerung
Diese mechanische Schnittweise ist eine Herausforderung für den Obstbauern! Er kann ihn aber, je nach Bedarf, für unterschiedliche Schnittziele anwenden. Zuerst gut informieren und nicht zu radikal alles umstellen. Da wir noch zu wenig über diese Schnittart wissen, ist ein Erfahrungsaustausch zwischen den Anwendern sehr sinnvoll und zielführend.

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