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Zubehör, 25.03.2012

MASCHINELLES ENTFERNEN VON SCHNITTHOLZ

Das maschinelle «Ausheben» des Rebenholzes nach dem Schnitt ist eine technische Herausforderung.
Das maschinelle «Ausheben» des Rebenholzes nach dem Schnitt ist eine technische Herausforderung. Viele versuchsweise eingeführte Verfahren vermochten nicht zu überzeugen. Eine neue Idee aus Neuseeland wurde in Deutschland weiterentwickelt und scheint nun auf Erfolgskurs: der ERO Cane Pruner. Was aber leistet dieses Gerät, das nach einem ganz neuen Prinzip arbeitet? Ein Bericht aus dem DLR Rheinpfalz verschafft Klarheit.
 
Fällt mit dem maschinellen Ausheben des Schnittholzes bald die letzte Bastion der unumgänglichen Handarbei­ten im Weinbau? Das beim ERO Cane Pruner (ECP) «VITECO» eingesetzte Verfahren zeigt einen neuen An­satz: Die aus den Drahtstationen im Stickel herausge­nommenen Drähte werden angehoben und gebündelt durch einen engen Durchlass des ECP geführt. Dabei wird das daran haftende Schnittholz nahezu vollständig abgestreift und gehäckselt (Videos zum Thema auf www.youtube.comunter Suchbegriff «Ero Viteco»).
 
Nach einer Idee aus Neuseeland bietet der ERO Cane Pruner einen neuartigen Ansatz zum maschinellen Ausheben.
a) Prototyp am Frontlader im März 2010. [siehe Abbildung 1]
b) Weiterentwickelte Maschine im Einsatz.[siehe Abbildung 2]
(Quelle: ERO)
 

Stammbaum des ECP

Der Cane Pruner wurde in Neuseeland von einem Unter­nehmen namens «Klima» entwickelt, das auch Patent­inhaber ist. Die Firma ERO Gerätebau GmbH mit Sitz in Niederkumbd (D) hat die Lizenz für Produktion, Weiter­entwicklung und den Vertrieb erworben. Ein Kernstück der Arbeit von ERO besteht darin, die Maschine von der «Down Under» besonders robusten Anlagengestaltung auf europäische Verhältnisse auch bezüglich Traktoren anzupassen.
 

Anpassung an den europäischen Weinbau

Das bedeutete zunächst eine Verringerung des Gerätege­wichts. Die Konstruktion eines neuartigen beweglichen Hubmasts (ähnlich einem Baggerarm) zählt zu den wich­tigsten Neuerungen. Weiter hat die Häckseleinheit ge­genläufige Messer erhalten, damit das Häckselgut kleinstückiger wird. Der neu seitlich angeordnete Aus­wurf verursacht eine geringere Verschmutzung des Trak­tors. Zur Verbesserung des Schnittholz-Einzugs wurde eine zusätzliche Schnecke eingebaut, was höhere Fahrt­geschwindigkeiten ermöglicht.
Das (einseitig arbeitende) Gerät mit Ausleger (Hub­mast) wiegt 450 kg. Bei der derzeitigen hydraulischen Ausstattung (50-75 L/min Ölbedarf) ist es nicht möglich, ohne zapfwellengetriebenes Hydraulikaggregat zu fah­ren, das nochmals rund 400 kg auf die Waage bringt.
 

... und so geht's

Das Einfädeln der Drähte erfolgt durch Absenken und seitliches Verschieben des ECP per Hubmast. Es geht um den Überbiegedraht und die (i.d.R.) zwei Heftdrähte auf der gleichen Seite des Stickels. Mit Einfädeln beginnt man wegen der dort geringeren Drahtspannung etwa 5 m nach Zeilenanfang. Die ersten Fahrmeter wird das Gerät in Spaliernähe geführt, dann in die Gassenmitte verschoben und angehoben. Die Fahrgeschwindigkeit beträgt 5 bis 8 km/h. Die fünfmetrigen Endstücke der Rebzeilen werden vor dem Geräteeinsatz von Hand bearbeitet.
 

Anlage und Drahtrahmen

Grundsätzlich ist erst bei Zeilen von mehr als 70 m Länge und 2 m Breite ein ECP-Einsatz sinnvoll. Vorteilhaft ist ei­ne Erziehung mit Strecker und Wickelung (s. Abb. S. 7), da das Schnittholz so am Draht gut haftet und dem Gerät op­timal zugeführt wird. Unbedingt erforderlich ist ein stabi­ler Drahtrahmen. Bestehende Anlagen müssen meist an­gepasst werden. Im Arbeitsbereich dürfen sich keine Spanner oder unförmigen Verbindungsstellen befinden. Die Drähte müssen zudem am Endpfahl gut befestigt sein.
Ausserdem sollen bei Neuanlagen die Biegedrähte nicht wie üblich jeweils auf der gleichen Stickelseite ein­gehängt werden, sondern links und rechts einer (dauer­begrünten) Gasse. So braucht es keine Leerfahrt zur nächsten Arbeitsreihe. In bestehenden Anlagen kann der Überbiegdraht nötigenfalls umpositioniert werden. Das gilt freilich nur für einseitig arbeitende Geräte. Mit der (schwereren) Zwei-Kopf-Maschine ist man bei jeder zweiten Durchfahrt auf die imWinter oft schwierig zu be­fahrende offene Gasse angewiesen.
 

Immer wiederkehrende Arbeiten

Vor dem Einsatz der ECP sind der Überbiegedraht und die auf der gleichen Seite des Stickels liegenden Heft­drähte auszuhängen. Dasselbe gilt für Heftdrahtfedern. Bei Kettchen als Drahtbefestigung am Endstickel lohnt sich aus Stabilitätsgründen oft ein Fixieren zum Beispiel mit Kabelbindern. Wenn die Drähte aber durch Klam­mern verbunden sind, müssen sie entfernt werden.
Der Rebschnitt sollte fortan nach dem Motto erfolgen: so viel Schnitte wie nötig, so wenig wie möglich. Die alte Tragrute wird nicht mehr durchgetrennt, was eine Zeit­ersparnis bringt und den Einzug verbessert. Sie muss al­lerdings vom Bindedraht gelöst sein, am besten durch Abschneiden kurz oberhalb der Bindestelle.
Ein Ausputzen (Entfernen der Ranken) bei den Fruchtruten ist vorteilhaft, aber nicht zwingend nötig. Nach vorläufigen Erkenntnissen führt dies zu weniger abgerissenen Ruten. Auf jeden Fall jedoch sind die neu­en Tragruten abzulängen/einzukürzen, damit sie nicht vom Gerät eingezogen werden.
 

Zeitersparnis und Kosten

Die berechneten Ergebnisse sind grundsätzlich stark ab­hängig von Zeilenlänge und Rebsorte (Ranken). Eine Überschlagsrechnung aufgrund der vorliegenden Mit­telwerte und einer Schätzung des Zusatzaufwands zeigt, dass bei einer Betriebsgrösse zwischen 30 und 100 ha die Gesamtkosten bei gerechneten 66 € (pro ha und Jahr) für die «variablen Kosten» von 356 auf 209 €/ha und Jahr sinken.
Die Anschaffungskosten des kompletten Systems lie­gen bei etwa 40 000 €. Der Berechnung wurden acht Jah­re Nutzungsdauer und ein Zeitaufwand von zwei Std./ha zugrunde gelegt. Daraus geht hervor, dass bei etwas über 35 ha Einsatzfläche Kostengleichheit zwischen Maschine und Handarbeit besteht. Die 40 Akh/ha manuelles Holz­ausheben kosten bei einem angenommenen Lohn von 8 €/h ebenfalls 320 €/h.
 

Lohnarbeit?

Nach den vorliegenden Werten ist das Verfahren bevor­zugt für den Einsatz in Lohnbetrieben oder Maschinen­gemeinschaften geeignet. Wenn man von den vorgängig geschätzten 320 € /ha den Zusatzaufwand von 10 Akh bei 8 € /h abzieht, ergibt sich eine Differenz von 240 €. Damit darf eine Stunde Cane Pruner im Lohneinsatz (zwei Stunden Arbeitszeit/ha) maximal 120 €/h kosten. Der Hektarpreis soll 240 € /ha nicht überschreiten, um Kos­tenneutralität zu wahren.
 

Zeitersparnis

  • Ausheben von Hand (gem. KTBL 2010) ohne Ausputzen; bei gut rankenden Sorten zirka 30 bis 50 Akh/ha
  • Bei 150 m langen Zeilen können zirka 93% bearbeitet werden. Zeiteinsparung 28 bis 46 Akh/ha
  • Zusatzaufwand für Vor- und Nacharbeiten, (Drähte aus-/einhängen, nachspannen; Restholz entfernen; Zeilenanfang/-ende von Hand bearbeitengeschätzt zirka 10 bis 15 Akh/ha
  • Zeitersparnis 18 bis 35 Akh/ha

Auswirkungen auf die Anlagengestaltung

Sollte der ECP breite Akzeptanz finden, würde dies wohl nicht ohne Auswirkungen auf die Anlagengestaltung bleiben. Sein Einsatz bedingt die Verwendung von Pfäh­len, bei denen zumindest die bearbeiteten Drähte leicht auszuhängen und auch wieder einzulegen sind. Sie soll­ten dennoch gut in ihrer Station gehalten werden. Nach­teilig sind Pfosten mit schräg geschlitzter Drahteingabe, die die Stränge nicht gut freigeben. Für Holzpfähle sind Einlagen aus Kunststoff vorzusehen, die das Aushängen des Drahts erleichtern.
 

An den Drähten werdet ihr sie erkennen ...

Edelstahl-Drähte sind für den Einsatz des ECP wegen ih­rer geringen Längenausdehnung weniger geeignet. Kunststoffdrähte dürften nicht robust genug sein, hier fehlen allerdings einschlägige Erfahrungen. Die oft ver­wendeten verzinkten Drähte sind für den Einsatz der Maschine wegen ihrer rauen Oberfläche gut geeignet. In Neuanlagen könnten farbige Drähte vorgesehen werden, die eine einfache Sortierung nach der Durchfahrt erlauben. Weil sich Drähte naturgemäss lockern, muss eine Nachsp annmö glichkeit vorhanden sein. Wie sich aus der Gerätearbeitsweise ergibt, sind Spanner nur am Zeilen­ende möglich. Die Entwicklung eines Schnellspannsys­tems, das ein Verlängern und einfaches Wiederspannen des Drahts zulässt, wäre wünschbar. Von Hand erstellte, eng gewickelte Drahtverbindungen sind gut für den en­gen Durchlass der Maschine geeignet. Jedoch dürfen keine oder nur sehr kleine Drahtverbinder in der Zeile verwendet werden. Heftdrahtklammern/Federn/Ausle­ger müssen den Draht freigeben können.
 

Nachteile/Einschränkungen, aber auch Vorteile!

Es gibt Anlageformen, die den Einsatz des Geräts nicht zu­lassen, zum Beispiel eine Dauerbindung des Stamms am (einzigen) Biegedraht. Weinberge mit Holzpfählen, an de­nen der Draht mit Agraffen befestigt ist oder solche mit Hagelschutznetzen sind nicht geeignet. Im Winter schrän­ken die Wetterverhältnisse oft die Befahrbarkeit ein.
Problematisch sind Parzellen, die vom Flachen in ei­ne Steigung übergehen. Dort tendieren die Drähte dazu, über die Pfähle zu springen. Erfahrungen aus Neusee­land zeigen überdies, dass im Durchschnitt ein bis zwei Drahtbrüche pro acht Stunden Arbeitszeit auftreten.
Diesen Nachteilen stehen die Vorteile einer Arbeitser­sparnis von 20 bis 40 Stunden pro ha und Jahr je nach Rebsorte und Anlage gegenüber. Die Maschine ist auch
prädestiniert für Rodungen. Selbst vier- bis fünfjährige Kordonarme werden problemlos entfernt.
 

Ansatz mit Fragezeichen

Es kann sein, dass der Beitrag über das maschinelle «Aushe­ben» von Schnittholz mit dem Cane Pruner bei unseren Abon­nenten Kopfschütteln hervorruft. Zum Ersten sind die wein­baulichen Voraussetzungen für einen Einsatz in der Deutsch­schweiz weder von der Topografie noch von den Anlagen her gegeben. Es braucht eine Rebfläche (im wahren Sinn des Worts) von über 30 Hektaren, bis sich ein Einsatz lohnt. Zum Zweiten wirken vielleicht auch der etwas unzimperliche Um­gang mit dem Gerüstmaterial sowie das Gewicht solcher Ar­beitssysteme störend. Sie sind für den «industriellen» Weinbau ausgelegt.
Es ist uns jedoch ein Anliegen, die Leserschaft der SZOW von Zeit zu Zeit über solche Möglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen zu informieren, auch wenn sie für lokale Verhält­nisse kaum tauglich sein dürften. Wie oft schon haben findige Köpfe sich derartiger Probleme angenommen, bestehende An­sätze weiterentwickelt und schliesslich mit schlanken Lösun­gen überzeugt? Dass das Herausreissen von Schnittholz aus den Drähten eine aufwendige und mühsame Arbeit ist - darü­ber wird es kaum Diskussionen geben!
 
Hans Peter Ruffner, Chefredaktor
 
Literatur
KTBL: Datensammlung Weinbau und Kellerwirtschaft, KTBLVerlag,
Darmstadt, 2010.
 

Medium

Die Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau (SZOW) verbreitet die Forschungsresultate von Agroscope, der deutschsprachigen Forschungsinstitute und der Fachorganisationen im Reb- und Obstbaubereich. Die wissenschaftlichen Artikel behandeln Themen im Bereich Rebbau, Önologie, Obstbau, Obstverarbeitung sowie Lebensmittelqualität und -sicherheit.
Die in deutscher Sprache erscheinende Zeitschrift enthält französischsprachige Zusammenfassungen der Fachbeiträge. Sie erscheint zweimal pro Monat und richtet sich vor allem an Produzenten, Berater, Lehrpersonen, Bibliotheken, Handelsunternehmen sowie interessierte Laien. Herausgeber der SZOW ist der Verein Publikationen Spezialkulturen (VPS) mit Sitz in Wädenswil, Schweiz.
 
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