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Mechanische Schnittgeräte , 16.01.2012

MECHANISCHER SCHNITT IN APFELANLAGEN

Der mechanische Schnitt ist derzeit ein vieldiskutiertes Thema. In einigen europäischen Obstbaugebieten wird er bereits seit einigen Jahren in der Praxis angewendet.
Der mechanische Schnitt ist derzeit ein vieldiskutiertes Thema. In einigen europäischen Obstbaugebieten wird er bereits seit einigen Jahren in der Praxis angewendet. Auch mehrere Versuchsanstalten befassen sich intensiv damit. Bei einer Studienreise im September 2011 haben wir Erfahrungen und Eindrücke in den Niederlanden sowie in Belgien und Deutschland gesammelt. Außerdem stellen wir in diesem Bericht auch erste eigene Erfahrungen vor.
 

DIE ZIELE

Vorrangiges Ziel ist die Einsparung von Arbeitsstunden beim Winterschnitt. Der Baumdurchmesser wird von ca. 1,5 m auf 80 - 100 cm reduziert, dadurch wird der Zugang der Arbeitskräfte zum Baum erleichtert. Durch effizienteres Arbeiten und einer besseren Übersicht an einer schmalen Fruchtwand soll auch bei der Handausdünnung und
Ernte Handarbeit eingespart werden. Die Erntemenge, die Fruchtgröße, die Fruchtausfärbung und Inhaltsstoffe sollen gleich bleiben wie in manuell geschnittenen Anlagen. Für eine mechanische Ausdünnung mit der Fadenmaschine ist die Fruchtwand optimal geeignet. Weitere Mechanisierungen im Anbau sollen ermöglicht werden. Die Obstbaubetriebe sind in allen europäischen Obstbaugebieten wesentlich größer als in Südtirol. Es fehlt in diesen Betrieben an Fachpersonal für den Winterschnitt und wo Fachpersonal zur Verfügung steht, ist dieses sehr teuer. In einigen Obstbaugebieten waren die Erlöse in den letzten Jahren nicht kostendeckend. Deshalb versuchen vor allem größere Betriebe, mit dem mechanischen Schnitt Arbeitsstunden und dadurch Kosten einzusparen.
 

AUFBAU EINER FRUCHTWAND

Stellt man eine Ertragsanlage um, wird das erste Mal im Winter mechanisch geschnitten, um den Bäumen die Form vorzugeben und die Belichtung sowie den Fruchtansatz im Bauminneren zu verbessern. Man sollte vor einem Jahr mit starker Blüte damit beginnen, um eine geringere Wuchsreaktion zu haben. Für den Schnitt werden Maschinen mit Mähbalken, Sägeblättern oder Flügelmessern eingesetzt. Es wird immer an beiden Seiten der Bäume geschnitten. An der Basis versucht man einen Abstand von ungefähr 40 - 50 cm vom Stamm einzuhalten, im Gipfelbereich soll der Abstand nur noch 25 bis 35 cm betragen. Man gibt den Bäumen so eine leicht pyramidale Form und reduziert den Durchmesser an der Basis auf 80 bis 100 cm und im Gipfel auf 50 bis 70 cm. Mit einem horizontalen Mähbalken oder Sägeblättern kann man auch die Gipfel schneiden und die Höhe begrenzen. Heute gibt es auch Maschinen, welche unten einen horizontalen Mähbalken angebracht haben, um zu tiefe Äste einzukürzen. In den folgenden Jahren wird nur mehr in der Vegetationszeit geschnitten. Der ideale Zeitpunkt ist nach französischen Erfahrungen dann erreicht, wenn die einjährigen Fruchttriebe ca. 12 Blätter (ohne Basalblätter) ausgebildet haben. Wird mehrere Jahre zu diesem Zeitpunkt geschnitten, erhält man eine deutliche Wuchsreduktion. Hinter dem Schnitt gibt es einen Austrieb, entweder in Form von kurzen Trieben oder Knospen, welche im Idealfall ausgereifte Blütenknospen sind. Durch die vielen Schnitte bilden die Bäume mehr und kürzere Triebe und die Bäume werden dichter. Schneidet man früher, hat man längere Neutriebe. Dies kann bei schwachwüchsigen Bäumen von Vorteil sein. Schneidet man später, hat man weniger Neutriebe, aber diese schließen oft nicht ab und bleiben krautig. Nördlich der Alpen hat man bessere Ergebnisse erreicht, wenn man zu einem früheren Zeitpunkt schneidet. Wachsen die Bäume nach Jahren zu schwach oder wird der Baum zu breit, kann es notwendig sein, wieder einmal im Winter mechanisch zu schneiden, um das Wachstum anzuregen oder den Kronendurchmesser zu reduzieren. Pflanzt man eine Neuanlage und will man eine Fruchtmauer aufbauen, sollte der Pflanzabstand zwischen 0,8 und 0,9 m in der Reihe und ca. 3 m zwischen den Reihen betragen.
 

VORAUSSETZUNGEN FÜR DEN MECHANISCHEN SCHNITT

Durch die Umstellung des Anbausystems auf eine Fruchtwand wird die Anlage noch windanfälliger, dieses System setzt also ein stabiles Stützgerüst voraus. Die Reihen sollten für eine optimale Belichtung in Nord-Süd-Richtung verlaufen, da zwischen den Bäumen nur mehr wenig Licht hindurchdringt. Die Baumhöhe sollte in unseren Breiten 3,5 m auf keinen Fall übersteigen. Bei extrem starkem Wachstum sollte man vor dem mechanischen Schnitt einen Wurzelschnitt durchführen. Durch mehrjährigen maschinellen Schnitt werden die Bäume immer dichter und vergreisen im Inneren und zwischen den Bäumen, wo die Maschine nicht hinkommt. Um eine ausreichende Fruchtgröße und Fruchtfarbe zu erzielen, ist zusätzlich ein händischer Korrekturschnitt im Winter notwendig. Dabei entfernt oder kürzt man vor allem hängendes Fruchtholz im Bauminneren ein. Zu dicht stehende oder zu starke Äste müssen ebenfalls mit der Zeit entfernt werden.
 

PRAXISERFAHRUNGEN IN BELGIEN UND DEN NIEDERLANDEN

In diesen beiden Ländern hat uns Eric Buitenhuis geführt, ein Privatberater, der sich speziell mit mechanischem Schnitt befasst. Nach eigenen Angaben hat er im Jahr 2011 Obstbaubetriebe in West- und Osteuropa mit einer Fläche von 2.500 ha beraten, in denen mechanisch geschnitten wurde. In Belgien haben wir Praxistests auf dem Betrieb von Koen Carolus sowie andere Anlagen auf verschiedenen Obstbaubetrieben besichtigt, welche mechanisch geschnitten werden. In den Niederlanden werden nach Angaben von Eric Buitenhuis 100 bis 150 ha Apfelanlagen seit mehreren Jahren mechanisch geschnitten. Im Winter 2010 wurden nochmals 500 ha auf mechanischen Schnitt umgestellt. In Belgien werden es ungefähr 300 ha sein, Tendenz steigend. Nach der Umstellung einer Ertragsanlage im Winter wird nur mehr in der Vegetationsphase zum 8. Blattstadium Ende Mai/Anfang Juni immer an beiden Seiten und im Gipfel geschnitten. Ein zusätzlicher Wurzelschnitt erfolgt nur bei der Umstellung bei extrem starkem Wachstum. Mit Regalis behandelt man mechanisch geschnittene Anlagen nur bei geringem Fruchtansatz.
 
Die mechanisch geschnittenen Anlagen bringen nach Angaben von Buitenhuis eine bis zu 10% höhere Produktion. Durch einen zusätzlichen manuellen Korrekturschnitt und eine stärkere chemische Ausdünnung erreicht man dieselbe Fruchtgröße. Ohne Korrekturschnitt bleiben die Früchte kleiner. Für den Korrekturschnitt wendet man bei Jonagold 10 bis 15-, bei Elstar ca. 25- und bei Golden 40 bis 50 Arbeitsstunden pro ha auf. Beim Korrekturschnitt wird hängendes Holz zwischen den Bäumen, das von der Maschine nicht geschnitten wird und vergreist, entfernt. Im Gipfel werden zu dicht stehende Äste entfernt. Die Bäu¬me sollten nicht zu dicht werden, es sollte möglich sein, durch die Frucht¬wand hindurch eine Person auf der anderen Seite noch zu sehen. Die Fruchtausfärbung setzt später ein und die Reife ist um ca. 5 Tage verzögert. Die Fruchtfarbe ist aber gleichmäßiger. Nach Buitenhuis sind bei zweifärbigen Sorten weniger Pflückgänge notwendig. Der Sonnenbrand soll durch den mechanischen Schnitt nicht gefördert werden. Im Betrieb Koen Carolus besichtigten wir eine Elstaranlage, welche im Jahr 2001 gepflanzt wurde. Eine Reihe wurde seit 2002 jedes Jahr Ende Mai, Anfang Juni mechanisch geschnitten. Es wurde kein Korrekturschnitt und keine chemische und Handausdünnung durchgeführt. Diese Bäume waren sehr generativ, sehr dicht, das Wachstum z.T. zu schwach, der Behang unterschiedlich und die Früchte zu klein. Die Wuchshemmung durch den mehrjährigen mechanischen Schnitt war beachtlich. Bei Elstar und Braeburn wurden einige Reihen 2011 mechanisch mit der Darwinmaschine ausgedünnt, das Ergebnis war ohne zusätzliche Handausdünnung optisch sehr gut. Nach Buitenhuis ergänzen die mechanische Ausdünnung und der mechanische Schnitt einander sehr gut, da erstere das Wachstum stimuliert und letzterer das Wachstum hemmt. In einer Braeburnanlage, welche seit 2009 immer Ende Mai mechanisch geschnitten wurde, hat man 2011 eine halbe Reihe im März vor dem Austrieb geschnitten. Hier konnte man sehr gut die starke Wuchsreaktion bei diesem Schnittzeitpunkt gegenüber den Mai geschnittenen Bäumen beobachten. Mit dem Schnittzeitraum „Rote Knospen bis Abblühen" hat man in den Niederlanden und Belgien wenig Erfahrung. Laut Buitenhuis ist es nicht besorgniserregend, wenn der Neuaustrieb nach dem mechanischen Schnitt nicht ausreift und keine Endknospe bildet, für ihn ist es wichtig, dass die Knospen auf dem Holz hinter dem Schnitt gut ausgebildet sind. Je nach Sorte und Behang war der Neuaustrieb nach dem Schnitt unterschiedlich lang und ausgereift. Insgesamt konnte man auf allen besichtigten Betrieben unabhängig von der Sorte und der Baumhöhe eine gute Wachstumshemmung feststellen. In einigen Anlagen hatte man nach dem mechanischen Schnitt etwas Probleme mit Blutlaus.
 

SCHNITTVERSUCHE IN BELGIEN

In Belgien hat uns Jeff Vercammen in der Versuchsanstalt PCFruit in St. Truiden seine Versuche zum mechanischen Schnitt gezeigt, die seit 2005 bei verschiedenen Sorten, zu verschiedenen Zeitpunkten, mit verschiedenen Schnittabständen und bei verschiedenen alten Bäumen laufen. In einem Versuch bei Jonagold hat man mit dem Zeitpunkt „8 und 10 Blätter" den gleichen Ertrag, aber die bessere und frühere Fruchtausfärbung erzielt als bei 12 Blättern. 2005 hat man auch die Gipfel (Höhenbegrenzung) mechanisch geschnitten. Die Wuchsreaktion im Gipfel war sehr stark, deshalb hat man in den folgenden Jahren in den meisten Versuchen nur mehr an den Seiten mechanisch und im Gipfelbereich mit Hand geschnitten. Bei Jonagold war der Ertrag bei verschiedenen Mutanten gleich hoch wie beim manuellen Schnitt. Die Fruchtausfärbung setzte beim mechanischen Schnitt etwas später ein, der Anteil gut gefärbter Früchte war aber gleich hoch. Auch die Fruchtgröße und die Reife wurden nicht beeinflusst. Bei Golden Delicious erreichte man mit dem mechanischen Schnitt und einem Korrekturschnitt von 2005 bis 2010 regelmäßigere Erträge, die Summe war gleich hoch wie beim manuellen Schnitt, das Fruchtgewicht um ca. 20 g geringer.
 
Ohne Korrekturschnitt war der Ertrag etwas höher als beim manuellen Schnitt, aber die Fruchtgröße war noch kleiner. Für den Korrekturschnitt wurden pro Jahr 40 bis 50 Handarbeitsstunden pro ha aufgewendet. 2005 war die Reife beim mechanischen Schnitt bei Golden Delicious um eine Woche verzögert. Der Zuckergehalt war in den meisten Versuchen beim mechanischen Schnitt über die Jahre niedriger als beim manuellen. Bei Braeburn waren die Ergebnisse schlechter. Mit dem mechanischen Schnitt war der Anteil an mangelhaft gefärbten Früchten höher und der Zuckergehalt niedriger. Bei extremem Wachstum hat man bei der Umstellung einen einseitigen Wurzelschnitt durchgeführt, um das Wachstum etwas zu bremsen. In Belgien ist Jonagold mit 61% Anbaufläche die Hauptsorte, für Winterschnitt werden ungefähr 80 Stunden pro ha aufgewendet. Mit dem mechanischen Schnitt und zusätzlichen Korrekturschnitt reduziert man die Handarbeit, nach Jeff Vercammen, auf 30 bis 40 h/ha. Laut Vercammen reagieren die Sorten Golden, Pinova, Jonagold (rote Mutanten) und Granny Smith in Belgien besser auf mechanischen Schnitt als andere Sorten. Der Neuaustrieb im Juni war vom Jahr und von den Niederschlägen abhängig, aber nie ein Problem.
 

SCHNITTVERSUCHE IN KLEIN¬ALTENDORF

Im Versuchsbetrieb Klein-Altendorf bei Bonn wurden die ersten Parzellen im Winter 2008/2009 auf den mechanschen Schnitt umgestellt. Die Parzellen wurden beim 8. Blattstadium mechanisch geschnitten, es wurde ein Korrekturschnitt von Hand durchgeführt und konsequent ausgedünnt. Bei den Sorten Collina und Delcorf stieg die Erntemenge 2009 und 2010 durch den mechanischen Schnitt an, die Fruchtgröße und die Deckfarbe gingen zurück. Bei den Sorten Gala (Galaxy) und Elstar (Elshof) war der kumulierte Ertrag 2009 und 2010 und die Fruchtgröße in etwa gleich. Die Deckfarbe war bei Gala ähnlich, während sie bei Elstar schlechter ausfiel. Bei Fuji wurden hingegen mit dem mechanischen Schnitt geringere Erträge, kleinere Früchte und weniger Fruchtfarbe erzielt. Bei den Säure- und Zuckergehalten, der Festigkeit und dem Stärkeabbau konnten bei den Sorten keine Unterschiede festgestellt werden. Nach Gerhard Baab, dem Verantwortlichen für die Versuchsanstalt Klein-Altendorf, reagieren die Bäume beim Schnitt im 8. Blattstadium mit Stress und Neuaustrieb. Auf dem Neuaustrieb siedeln sich Blattläuse an, die frische Blattmasse ist für Mehltau und Schorf empfindlich, dies erfordert zusätzliche Pflanzenschutzmaßnahmen. Um die negativen Auswirkungen des Schnitts um das 12. Blattstadium zu vermindern, hat man in Frankreich neue Schnitttermine, unter anderem auch zum Stadium „Rote Knospen" getestet. Gerhard Baab findet diesen Zeitpunkt interessant und hat 2011 ebenfalls neue Versuche zu diesem Vegetationsstadium angelegt.
Wir konnten zwei Ertragsanlagen, eine mit Jonagold und eine mit Golden Delicious bepflanzt, besichtigen, in denen 2011 mit Hand und mechanisch zum Roten Knospenstadium und zum 8. Blatt geschnitten wurde. Beim Schnittzeitpunkt „Rote Knospen" hat man längere Triebe, aber kaum Neuaustrieb im Sommer. Die Bäume sind deutlich vitaler. Beim Stadium 8. Blatt konnte man auch 2011 wenig Neuaustrieb beobachten, durch die kürzeren Triebe hat man aber ein niedrigeres Blatt-Fruchtverhältnis. Beim Schnittzeitpunkt „Rote Knospen" ist die Fruchtwand nicht so einheitlich wie beim Schnitt zu einem späteren Zeitpunkt. Baab glaubt, dass man mit diesem Zeitpunkt bei kleinfrüchtigen Sorten bessere Ergebnisse erzielen kann, die Bäume weniger stresst und keine Reifeverzögerung oder schlechtere Fruchtausfärbung bekommt. Mit diesem Zeitpunkt hat man aber noch wenig Erfahrung. Nach mehrjährigem mechanischem Schnitt lässt das ve¬getative Wachstum nach. Die Bäume werden dichter, neigen dazu, zu vergreisen und der Fruchtansatz nimmt zu. Deshalb sind ein Korrekturschnitt und eine konsequente Ausdünnung notwendig. Die Fruchtwand bietet aufgrund ihrer Struktur optimale Voraussetzungen für die mechanische Ausdünnung. Der Aufwand für den Korrekturschnitt liegt nach Baab bei 10 bis 20 Stunden pro ha. Laut Baab muss noch viel Erfahrung gesammelt werden, um das System Fruchtwand allgemein empfehlen zu können
 

MECHANISCHER SCHNITT AM BODENSEE

Einige Betriebe haben bereits vor 15 Jahren einige Anlagen im Winter mechanisch geschnitten. Durch diesen Schnitt nahm das vegetative Wachstum zu und man hat in der Folge wieder mit der Hand geschnitten. Seit ungefähr fünf Jahren steigt das Interesse am mechanischen Schnitt wieder. Meist werden nur einzelne Obstanlagen, selten ganze Betriebe mechanisch geschnitten. 2011 wurden ca. 400 ha mechanisch geschnitten. Der Großteil der Anlagen wurde bisher im Winter geschnitten, um Handarbeitsstunden einzusparen. Die Wachstumsreaktion war je nach Anlage und Wachstumshemmung (Wurzelschnitt und Regalis) unterschiedlich, von optimal bis zu stark. In der Regel wurden die Anlagen nicht jedes Jahr, sondern nur alle 2 bis 3 Jahre mechanisch geschnitten. Einige Betriebe haben auch nur die Seiten mechanisch und den Gipfel mit Hand geschnitten. 2011 wurde in einigen Fuji-, Gala-, Braeburn- und Cameo-Anlagen beim Stadium „Grüne bis Rote Knospen“ und Anfang Juni beim 12. Blatt mechanisch geschnitten. In einigen Anlagen wurde zusätzlich ein einseitiger Wurzelschnitt durchgeführt. Beim ersten Termin konnte man längere Triebe und mehr Blattmasse beobachten. Beim späteren Zeitpunkt hatte man nach dem Schnitt etwas mehr Neuaustrieb. Die meisten Triebe haben aber wieder abgeschlossen. Durch die hohen Niederschläge im Sommer ist man am Bodensee vom Schnittzeitpunkt „8. bis 10. Blatt" nicht überzeugt, da man befürchtet, viel Neuaustrieb und unausgereiftes Holz zu bekommen. Schneidet man mehrere Jahre mechanisch und führt keinen Korrekturschnitt durch, wird die Fruchtwand sehr dicht und die Fruchtgröße geht zurück. Für den Korrekturschnitt rechnet man am Bodensee mit ca. 25 Arbeitsstunden pro ha. Am Bodensee wollen die Obstbauern keine geschlossene, sondern eine lockere Fruchtwand aufbauen. Das Interesse für den mechanischen Schnitt ist auch am Bodensee groß und im Winter 2011/2012 wird wieder mehr mechanisch geschnitten. Man will vor allem mehr Erfahrung mit dem Schnittzeitpunkt „Rote Knospen" sammeln.
 

ERFAHRUNGEN IN DER VA SAN MICHELE

In San Michele laufen seit 2007 Versuche zum mechanischen Schnitt. Zum einen wird in Ertragsanlagen experimentiert und zum anderen werden Neuanlagen mit zwei und mehreren Achsen als Fruchtwand erzogen. Der Versuchsansteller Alberto Dorigoni sieht die Fruchtwand als System, um den Obstbau zu mechanisieren. Bei Ertragsanlagen wird bei der Umstellung auch schon nach der Ernte mechanisch geschnitten. Dorigoni glaubt, dass man damit weniger Wuchsreaktion bekommt als im Winter. In der Vegetationszeit wurde immer um das 12. Blatt geschnitten. Es wird immer ein Korrekturschnitt durchgeführt, dabei werden steile Triebe und schwaches Fruchtholz im Bauminneren entfernt oder eingekürzt. Man wendet dafür ungefähr 50 Stunden pro ha auf. Die Sorten Fuji, Cripps Pink, Renette, Red Delicious und Braeburn haben sehr gut auf den mechanischen Schnitt reagiert, Golden und Gala hingegen nicht so gut. Bei Gala sind die Erträge etwas gesunken und bei Golden hat man mehr Neuaustrieb und mehr unausgereiftes Holz bekommen. Mit dem mechanischen Schnitt hat man bisher bei der Umstellung, durch die Reduktion des Volumens je nach Sorte bis zu 25% Ertrag verloren, auch die durchschnittliche Fruchtgröße ist leicht zurückgegangen. Die Fruchtfarbe, der Erntezeitpunkt und die Inhaltsstoffe sind hingegen gleich geblieben. Die Handarbeit für den Winterschnitt konnte man von 100 auf ca. 40 bis 50 Stunden/ha reduzieren. Auch bei der Handausdünnung und Ernte spart man durch den geringeren Kronendurchmesser und die bessere Übersicht etwas an Zeit ein, dazu gibt es aber keine Daten.
 

ERFAHRUNGEN IN SÜDTIROL

In Südtirol haben einige Betriebe erstmals im Winter 2009/2010 mechanisch geschnitten. Geschnitten wird nach der klassischen Variante das erste Mal im Winter und dann im Sommer um das 10. bis 12. Blattstadium. Im Winter wird der mechanische Schnitt mit dem Korrekturschnitt ergänzt. Im Vinschgau wurde heuer erstmals mechanisch geschnitten und zwar nur im Winter. Die Wachstumsreaktion war in ruhigen Anlagen, in denen der Kronendurchmesser nur geringfügig reduziert wurde, gut, in starkwachsenden Anlagen hingegen zu stark. Im Unterland wurde neben den klassischen Terminen auch noch vor der Ernte ein sogenannter Belichtungsschnitt durchgeführt.
In den vom Beratungsring in Zusammenarbeit mit verschiedenen Obstbauern angelegten Praxistests hielt man sich an die klassische Methode: erstmals einen Schnitt im Winter und ein zweiter im Sommer. Im Winter wurde zusätzlich ein Korrekturschnitt mit Hand (40 - 50 h/ha) durchgeführt. Die Bäume reagierten sehr gut auf den mechanischen Schnitt. Es gab sehr wenige unreife Nachtriebe oder gar Schossbildung. Eine Ausnahme war eine starkwüchsige Golden Delicious-Anlage, die 2011 einen zu geringen Ertrag brachte. In dieser Anlage hatte man auf den mechanischen Schnitt eine starke Wuchsreaktion und viel unausgereiftes Holz, vor allem im Gipfel. Der Ertrag war in etwa gleich wie bei den manuell geschnittenen Bäumen.
In einer Fuji-Anlage wurden die Früchte getrennt geerntet. Anhand des Sortierergebnisses können eventuelle Unterschiede in Größe und Farbe zur „Handgeschnitten"-Variante aufgezeigt werden. Am Versuchszentrum Laimburg wurden im Winter 2010/2011 auch einige Versuche zum mechanischen Schnitt angelegt.
 

ZUSAMMENFASSUNG

In unseren Praxistests zum mechanischen Schnitt konnten wir erste Ergeb¬nisse sammeln. Die so geschnittenen Praxisanlagen werden wir sicherlich noch einige Jahre beobachten, bis wir eine endgültige Aussage zum mechanischen Schnitt treffen können. Zusammenfassend kann man sagen, dass in den Niederlanden und Belgien der Ertrag durch den mechanischen Schnitt ansteigt, während er in Deutschland je nach Sorte unterschiedlich ausfällt und in San Michele bestenfalls gleich hoch bleibt. Die Fruchtgröße geht in der Regel zurück und die Fruchtausfärbung kann auch vermindert werden. Der mechanische Schnitt ist sicher eine gute Variante, um eine Anlage, die viel zu breit ist, mit wenig Aufwand wieder schmal zu bekommen. Für eine allgemeine Empfehlung des mechanischen Schnitts sind noch zu viele Fragen unter unseren Bedingungen nicht abgeklärt. Es fehlen mehrjährige Daten aus Versuchen. In Südtirol sind die Erwartungen bezüglich Ertrag und der Fruchtqualität sehr hoch. Der mechanische Schnitt muss mindestens dieselben Ergebnisse wie der manuelle Schnitt bringen, um sich auch bei uns durchzusetzen.
Dank: Wir danken Eric Buitenhuis, Raf Rutten, Jeff Vercammen, Gerhard Baab und Matthias Günthör für die Führungen und wertvollen Informationen.

Medium


Obstbau Weinbau ist seit 1964 ein praxisorientiertes Fachmagazin des Südtiroler Beratungsrings für Obst- und Weinbau. Jährlich erscheinen 11 Ausgaben (Juli/August Doppelnummer) mit Fachartikel über Anbaumethoden, Versuche, Sorten, Forschungsergebnisse, Betriebswirtschaft, Statistiken, Züchtungsergebnisse, Pflanzenschutz, Vermarktung, Lagerung,  Studienreisen u.a. aus den Bereichen Obst-, Weinbau und Kellerwirtschaft.
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