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Software, 23.11.2017

Smartphone-gestützte Analyse der Fruchtgrößenentwicklung zur Ernteterminbestimmung bei Süßkirschen

Die Größe bestimmt den Marktpreis. Die Smartphone App „Cherry Harvest Size“ liefert eine sorten- und anlagenangepasste Auswertung der Kirschenwachstumsraten als Orientierung für die Ernteterminbestimmung.
Auf die Größe kommt es an
Je größer die Frucht, desto höher ist der Preis, der am Markt erzielt werden kann. Mit der Verweildauer am Baum steigt jedoch nicht nur der Größenzuwachs, sondern auch das Risiko des Ernteausfalls. Die Abschätzung dieses optimalen Erntetermins erfordert viel Erfahrung und stellt eine große Herausforderung an den Produzenten dar. Um den Mindesteigenschaften der UNECE-Vermarktungsnorm für Kirschen zu entsprechen, müssen die Früchte ganz, sauber und gesund sein. Geplatzte oder durch Fruchtfäule geschädigte Süßkirschen sind nicht mehr vermarktungsfähig. Die am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) entwickelte App liefert technische Unterstützung, um den effektiven Zuwachs der Früchte zu bestimmen. Sinkt das Wachstum unter einen kritischen Wert, steigt das Verderbsrisiko ohne möglichen Nutzen. 
 
Technische Umsetzung
In der mobilen App für das Betriebssystem Android legt man individuell ein Feld an, unter dem die Daten lokal im Gerät gespeichert werden. Auf eine Cloud-Lösung wurde bewusst verzichtet, jedoch besteht die Möglichkeit, Daten per E-Mail zu versenden. Im Anschluss an die Festlegung der Kirschensorte, welche aus einer Liste gewählt oder spezifisch eingefügt werden kann, und der Eingabe des Tags der Vollblüte können Größeneingaben erfolgen. In einer neuen beta-Version der im vergangenen Jahr erstmals im Praxiseinsatz erprobten App kann die Smartphone-Kamera für die Größenmessung verwendet werden, wodurch die aufwändige händische Messung entfällt (s. OBSTBAU 6/2016, S. 339). Erste Labortests zur Erprobung der App vor den Kirschenfeldversuchen in diesem Jahr erfolgen mit zwei unterschiedlichen am Markt erhältlichen Smartphonetypen (Xperia X compact F5321, Sony, Japan; iPhone 6s A1688, Foxconn, USA) mit integrierten RGB-Kameras (iSight-HD-Kamera, Apple, USA). Die vereinzelte Frucht wird mit einem Referenzhintergrund aufgenommen. Insbesondere Fehler durch Schattenbildung der Frucht konnten durch Farberkennung und Kantenfilter behoben werden. Auf Grundlage dieser aus dem Bild gewonnenen Daten kann unter Einbeziehung des Tages der Vollblüte eine sofortige Aussage zur Wachstumsrate in mm Tag-1 liefern. 
 
Fruchtentwicklung als Basis der Ernteterminbestimmung
Für die regelmäßigen Messungen der Süßkirschen in den Anlagen müssten die Früchte bei Verwendung der neuen App nicht mehr geerntet werden. Erreichen die Süßkirschen die Fruchtreife am Ende der dritten Wachstumsphase, sinken die Wachstumsraten unter einen Schwellenwert von 0,2 mm Tag-1. Sowohl die sortenspezifische Wachstumsrate als auch dieser kritische Wachstumswert werden in der App grafisch dargestellt. Nach Unterschreiten des Schwellenwertes ist kein erneuter Anstieg der Wachstumsrate zu erwarten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist eine zügige Ernte anzuraten, da das Risiko des Ernteverlustes durch Platzen und daraus resultierender Fäulnis den Größenzuwachs und damit die Gewinnmaximierung übersteigt. Als Unterstützung für die größenselektive Ernte stellt die App eine grafisch aufbereitete prozentuale Verteilung der erfassten Früchte in handelsübliche Größenklassen bereit. 
 
Um Aussagen über die Anwendbarkeit bei Süßkirschen machen zu können, wurde sowohl im Jahr 2014 als auch im Jahr 2016 in der Forschungsstation des ATB, Marquardt, die Entwicklung des Fruchtdurchmessers engmaschig gemessen. Die Langzeitwachstumsdaten aus dem Jahr 2014 der Süßkirschensorte ‘Schneiders Späte Knorpel’ lassen den für Steinobst wie Süßkirschen typischen dreiphasigen doppelsigmoiden Wachstumsverlauf erkennen (s. Abb. 1, oben). Gezielte Beprobungen in der dritten Wachstumsphase im Jahr 2016 von ‘Regina’, ‘Schneiders Späte Knorpel’ und ‘Katalin’ erfolgten, um die Messunsicherheit der Methode im relevanten Zeitraum kurz vor der Ernte zu untersuchen. Erst die Darstellung des Größenzuwachses über die Fruchtentwicklung als Wachstumsrate in mm Tag-1 lässt die für die Vermarktung relevanten Unterschiede erkennen (s. Abb. 1, unten). Im Jahr 2014 wurde der Schwellenwert von 0,2 mm Tag-1 von der Sorte ‘Schneiders Späte Knorpel’ 75 Tage nach Vollblüte unterschritten, wohingegen im Jahr 2016 dieser Schwellenwert schon 58 Tage nach Vollblüte erreicht wurde. Die Früchte der Sorte ‘Katalin’ und ‘Regina’ unterschritten den kritischen Wert 69 Tage nach Vollblüte. 
 
Des Weiteren war im Jahr 2016 ein zeitlich begrenzter Einbruch der Wachstumsrate kurz vor dem dauerhaften Unterschreiten des Schwellenwertes zu verzeichnen. Dieses Absinken fiel mit dem Ende eines ausgeprägten Wassermangels aufgrund ausbleibender Niederschläge zusammen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Entwicklung der Fruchtgröße und somit auch die Ausprägung der Variabilität nicht nur von der Sorte, sondern auch vom Anbaujahr und der Witterung stark beeinflusst wird. Ob es sich um eine Unterschreitung des Schwellenwertes bedingt durch die Trockenheit handelt und man auf eine Wiederansättigung wartet oder trotzdem erntet, um das Platzrisiko zu minimieren, muss individuell abgewogen werden.
 
Genauigkeit der Messung
Für die Sorten ‘Schneiders Späte Knorpel’, ‘Katalin’ und ‘Regina’ wurden Beprobungen mit drei unterschiedlichen Wiederholungsraten durchgeführt. Es ist zu erkennen, dass die Genauigkeit der Schwellenwertunterschreitung abhängig von der Beprobungsmenge und der Sorte ist. Werden mehr Früchte gemessen, steigt nicht nur die Genauigkeit mit welcher der Tag der Unterschreitung des Schwellenwertes angegeben werden kann, sondern auch die Präzision der Messung. Bei der gleichmäßiger abreifenden Sorte ‘Katalin’ ist jedoch bereits bei einer geringen Beprobungsmenge eine hohe Genauigkeit festzustellen. 
 
Allerdings sollte man mehrere Bäume beproben! Ergebnisse zeigen, dass die Abweichung in Tagen vom kritischen Schwellenwert einer geringen Probenmenge von neun Früchten bei Beprobung der Süßkirschensorte ‘Schneiders Späte Knorpel’ bei der Analyse von jeweils drei Früchten unterschiedlicher Bäume deutlich geringer ist (1,88 Tage), als bei Beprobung von neun Früchten eines Einzelbaums (2,43 Tage). 
 
Die Aufschlüsselung der prozentualen Verteilung der Fruchtgrößen zeigt, dass 70 Tage nach Vollblüte, kurz vor dem Unterschreiten des kritischen Schwellenwertes, kein signifikanter Unterschied in der Verteilung der Früchte in den Größenklassen besteht, unabhängig davon, ob 30 oder 90 Kirschen der Vermessung zugrunde gelegt wurden (s. Abb.2).

Zusammenfassung

Fazit
Der Einfluss von Witterung und Sorte auf die Unterschreitung des Schwellenwertes für den Fruchtzuwachs ist deutlich. Somit ist die Messung in jedem Jahr sinnvoll. Die Beprobung einer großen Anzahl an Früchten erhöht zwar die Genauigkeit des einzelnen Messtags, optimiert jedoch lediglich die Aussagefähigkeit der gesamten Messreihe. Häufigere Messungen im Verlauf der Fruchtentwicklung, welche durch die Kamerafunktion zukünftig einfach und schnell durchzuführen sind, mit einem realistischen an die Anlage angepassten Probenumfang sind zu empfehlen, wo bei im Versuch bereits die Messung von jeweils zehn Früchten von drei Bäumen (n = 30) die Bestimmung der Schwellenwertunterschreitung mit einem Fehler von lediglich 0,5 Tagen zuließ. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren stellt die App eine effiziente sowie praxisnahe Unterstützung zur Verringerung der Ernteverluste und gleichzeitiger Erhöhung der Gewinne dar.


Autoren
  • Birgit Seifert
  • Nicole Brandes
  • Christian Regen
  • Manuela Zude-Sasse
Arbeitsgruppe Präzisionsgartenbau, Abteilung Technik im Gartenbau
Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB),
Max-Eyth-Allee 100,
14469 Potsdam,
E-Mail: mzude@atb-potsdam.de

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1975 hat der Vorstand der Fachgruppe Obstbau den Beschluß gefaßt, ab Januar 1976 eine Verbandseigene Fachzeitschrift herauszugeben. OBSTBAU hat sich seitdem zu einer renommierten Fachzeitschrift entwickelt, auf die kein zukunftsgerichteter Betriebsleiter/ Betriebsleiterin verzichten kann. Mit einer Auflage von über 7000 Exemplaren ist OBSTBAU heute die größte überregionale Fachzeitschrift für Obstbau im deutschsprachigen Raum.
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