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Software, 11.03.2012

PRÄZISIONSWEINBAU IM BLICKFELD

Wie in vielen anderen Bereichen auch, werden wir im Weinbau mit Anglizismen konfrontiert. „Precision Viticulture“ kann mit Präzisionsweinbau übersetzt werden.
Wie in vielen anderen Bereichen auch, werden wir im Weinbau mit Anglizismen konfrontiert. „Precision Viticulture“ kann mit Präzisionsweinbau übersetzt werden. Für manchen Leser beinhaltet der englische Ausdruck mehr als in der deutschen Ausdrucksweise zur Geltung kommt.
Wie könnte der Begriff in seiner Gesamtheit übersetzt, oder, besser noch, verstanden werden? Gemeint ist eine informationsgesteuerte Traubenproduktion. Dahinter stehen Techniken, mit denen es möglich ist, einen teilflächenspezifischen, standortangepassten Weinbau zu betreiben. Mit Betriebsmitteln jeglicher Art wird sparsam umgegangen, ökologische Aspekte werden berücksichtigt und gleichzeitig verbessert sich die Wirtschaftlichkeit. Im Weinbau bedeutet dies natürlich das Finden der besten Partien in einer inhomogenen Lage beziehungsweise gleichartige Bereiche zusammenzufassen und entsprechend der Bedürfnisse zu versorgen und zu bearbeiten.
 

Wo kommen wir her?

Die Ausgangslage im Weinbau ist vielerorts verschieden. Durch Flurbereinigungen in der Vergangenheit wurde die Grundlage für die Mechanisierung geschaffen. In Bild 1 ist zu
sehen, wie 1967 vom AID darauf hingewiesen wurde, Mauern in den Weinbergen zu entfernen. Etwas über 60 Jahre später machen wir uns gänzlich andere Gedanken. Da der Weinbau stark von der Agrarpolitik beeinflusst wird, könnte die Weinbergslandschaft in zehn Jahren anders aussehen als heute. Wird sich der Weinbau aus den Steillagen zurückziehen, bedeutet dies auch eine gute Ausgangslage für den Präzisionsweinbau.
 
[Bildtext zu Abbildung 1 - „Mauern bilden für die Mechanisierung ein Hindernis. Sie sind daher dort zu entfernen, wo Geländegestaltung und Erosionsgefahr dies zulassen", stand unter diesem Bild in einer AID-Information Ende der 60er-Jahre zu lesen: So wurden damals Winzer in Richtung Mechanisierung motiviert. Ohne befahrbare Weinberge ist an vollmechanisierten Präzisionsweinbau nicht zu denken]
 

Um was geht es eigentlich?

Was kann ein Winzer zum jetzigen Zeitpunkt unter Präzisionsweinbau verstehen? Zunächst
gilt es eine Reihe von Informationen zu sammeln. Angefangen beim Standort der Rebe. Anhand von Bodenproben kann eine Bodenkarte für einzelne Flächen erstellt werden. Je nachdem, auf welche Bestandteile hin der Boden untersucht wird, ist mehr oder weniger an Aussagekraft in verschiedenen Karten zu dokumentieren. Weiter geht es mit kleinklimatischen Messungen. Hier wird mit Wetterstationen beziehungsweise einer Vielzahl unterschiedlicher Sensoren gearbeitet. Selbstverständlich können in der Vegetationsperiode mit Blattgrünmessungen und Bodenfeuchtesensoren weitere Daten gewonnen werden. So entsteht nach und nach mehr Kartenmaterial mit unterschiedlichen Informationen.
Natürlich ist bei der Informationsgewinnung auch Handarbeit möglich. Mit einem GPSGerät kann der Winzer Bonituren im Weinberg durchführen, die dann bestimmten Koordinaten zugeordnet werden können. Mit modernen Geoinformationssystemen ist es möglich, diese elektronischen Karten übereinander zu legen. An diesem Punkt ist viel Erfahrung und Fachwissen erforderlich.
Wie können welche Informationen miteinander verrechnet werden, um welchen Sachverhalt daraus abzuleiten? An dieser Stelle ein einfaches Beispiel: Bei der Ernte wird auf einer Fläche von 20 Quadratmeter kein Ertrag bonitiert – was ist die Ursache? Es könnte ein massiver Schädlingsbefall sein, vielleicht ist aber auch dort eine sehr flachgründige Stelle, die nie einen guten Ertrag zulässt? Wenn jedoch „nur“ Wildschweine oder Rehe ihr Unwesen getrieben haben, ist im Folgejahr alles wieder anders. Hieraus wird klar, dass die Interpretation der Ergebnisse nicht immer einfach ist. Auch über das Zusammenfassen von Einzelinformationen ist wissenschaftlich noch nicht in allen Bereichen Einigkeit erzielt. Neben den vielen Herausforderungen gibt es auch jetzt schon sehr erfolgreiche Konzepte, wie Informationen genutzt werden können.
Das kleine Weingut „Bein Private Cellar“ in Stellenbosch setzt auf Informationen aus einem Vegetationsindex. Eine zusammenhängende Fläche von zwei Hektar wird mit einem Flugzeug überflogen. Dabei kann mit einer speziellen Kamera die Absorption beziehungsweise Reflexion der Fläche gemessen werden. Für jeden Bildpunkt wird das Ergebnis einzeln berechnet. Um die Ergebnisdarstellung zu erleichtern, wird das Resultat farblich dargestellt. Wenn die Messwerte jetzt noch in drei Bereiche eingeteilt werden, entsteht vom Weinberg ein Bild in drei Farben. So sind die Zonen mit kräftigem, mäßigem und geringem Wuchs eindeutig erkennbar.
In der Folge werden gleichartige homogene Managementzonen zusammengefasst. Die Bewirtschaftung kann jetzt den kleinräumig unterschiedlichen Bedürfnissen angepasst werden.
Die Reaktion bezieht den Anschnitt, die Düngung, die Bewässerung, den Erntezeitpunkt und letztendlich auch die Weinbereitung mit ein. Das Resultat ist verblüffend.
Mit dieser Methode werden aus einem zusammenhängenden zwei Hektar großen Weinberg drei verschiedene Weine erzeugt. Obwohl eine Zweiteilung schon ein Erfolg gewesen wäre, ist es glücklicherweise gelungen, einen erstklassigen kleinen Bereich zu finden, aus dem sich regelmäßig Premiumqualitäten produzieren lassen.
 

So könnte es anfangs auf dem Betrieb laufen

Zunächst erscheint es sinnvoll, Karten zu erstellen, die in den Folgejahren auch genutzt werden können. Was im Weinberg weitgehend unverändert jedes Jahr eine bedeutende Rolle spielt, ist der Boden. Von der Firma geocarta wird ein Bodenkartierungssystem angeboten. Auf Basis elektrischer Widerstandsmessungen können Informationen über das Bodengefüge, den Bodenaufbau, die Bodenbeschaffenheit, die Korngrößenverteilung, den Salzgehalt und die verfügbaren Bodenwasservorräte gewonnen werden. Dazu wird in bestehenden Weinbergen mit dem eigens dafür entwickelten Gerät durch die Zeilen gefahren (siehe Bild 2).
[Bildtext zu Abbildung 2 - Mit diesem Gerät der Firma geocarta wird der Boden einer elektrischen Widerstandsmessung unterzogen. Die Fahrgeschwindigkeit kann bis zu 13 km/h betragen und lässt eine tägliche Kartierfläche von bis zu 50 Hektar zu. Die Messung ist in drei verschiedenen Bodentiefen möglich. Für die Verarbeitung der Daten wird eine spezielle Software angeboten]

Theoretisch sind 100 Messungen pro Sekunde möglich. Diese Intensität spielt für die Praxis keine Rolle. Eher interessant ist es, drei verschiedene Bodentiefen zu untersuchen. Es wird eingeteilt in null bis 50 cm, null bis 100 cm sowie bis maximal sechs Meter Tiefe. Für die Verarbeitung der Daten wird eine spezielle Software angeboten. Um weitere Parameter zu erfassen, pflegt geocarta die Zusammenarbeit mit ForceA. Von ForceA ist ein optischer Sensor entwickelt worden, der wesentliche Inhaltsstoffe der Traube berührungslos messen kann. Nach erfolgter Kalibrierung können der Zuckergehalt und die Säure bestimmt werden. Zudem kann eine weitere wichtige Erkenntnis für die Rotweinbereitung gewonnen werden:
Ein wichtiger Faktor für die Rotweinbereitung ist die Phenolreife beziehungsweise die Zusammensetzung der Phenole. Im ersten Schritt liefert diese Information dem Winzer eine wichtige Information über den Erntezeitpunkt. Werden gleichzeitig mit der Bestimmung des Multiplex-Index – so nennt ForceA das Ergebnis seiner Messung – die GPS-Daten erfasst, kann eine Reifekarte erstellt werden (siehe Bild 3).
[Bildtext zu Abbildung 3 - Mit dem optischen Sensor der Firma ForceA können wesentliche Inhaltsstoffe von Trauben bestimmt werden. Im Hintergrund sichtbar die Karte eines Weinbergs, erstellt aus Messergebnissen des Sensors und Geodaten]
Im Anschluss daran ist es nur konsequent, wenn verschiedene Reifezonen zusammengefasst werden. Wer eine solche Karte besitzt, hat beispielsweise die Möglichkeit, mit einem Traubenvollernter der Firma New Holland zwei verschiedene Qualitäten maschinell zu ernten. Auf dem Vollernter wird in zwei Behälter getrennt (siehe Bild 4). In Kombination mit der Precision Farming-Software kann die Selektionsgrenze frei gewählt werden. Das heißt, der Anteil von Qualität A und B kann stufenlos von null bis 100 Prozent gewählt werden. Messungen im Weinberg zufolge ist der Unterschied der zwei Chargen unter Praxisbedingungen größer zehn Prozent. Die Verkostung der ausgebauten Weine hat das Arbeitsergebnis deutlich untermauert.
[Bildtext zu Abbildung 4 - Ein Traubenvollernter, der das Lesegut in zwei Qualitäten unterscheiden kann. In Kombination mit der Precision Farming-Software kann die Selektionsgrenze frei gewählt werden. Für die mechanische Ernte ein Meilenstein]
 
[Bildtext zu Abbildung 5 - Auch aus der französischen Innovationsschmiede Pellenc steht
ein Gerät zur Bestimmung von Ernteparametern zur Verfügung. Zerstörungsfrei wird innerhalb von zwei Sekunden der Gehalt an Zucker, Gesamtsäure, Wasser und Anthocyanen bestimmt. Kombiniert mit GPS-Daten kann eine Reifekarte des Weinbergs erstellt werden]
 

Medium

Rebe & Wein ist ein Fachmagazin für Weinbau und Weinwirtschaft mit  Kernverbreitungs-gebiet Württemberg und Franken. Erscheinungsweise monatlich, verbreitete Auflage rund 5800, verkaufte Auflage rund 5400 (IVW). Das Magazin bietet Fachinformationen für Winzer und Weinerzeuger, von der Anbautechnik der Reben bis zum Verkauf der Flaschen. Daneben gibt es Brancheninformationen von regional bis weltweit. Jährlich mehrere Sonderpublikationen zu ausgewählten Fachthemen ergänzen das Angebot des Monatsheftes. Rebe & Wein ist zudem Organ der Weinbauverbände in Württemberg und Franken.
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