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Befestigungsmaterial, 10.03.2012

ZIEL: MARKTGERECHTE QUALITÄT, WENIGER ARBEIT

Wer einen neuen Weinberg anlegen will, legt sich in der Regel für die nächsten 30 Jahre fest. Entscheidungen sind momentan nicht einfach.
Entscheidungen sind momentan nicht einfach. Gestiegene Kosten für die Materialien, sich immer schneller ändernde Marktanforderungen sowie der Klimawandel sind wichtige, aber längst nicht alle Faktoren, die einbezogen werden müssen. Vor allem für die Basisqualitäten steigen dieHerausforderungen.

Einen kompletten Systemwechsel vollzieht die Zweidrahtanlage (Hochdrahtanlage) – im Bild und als Zeichnung mit den wesentlichen Abmessungen. Gegenüber der Standardspalieranlage ergibt sich eine erhebliche Einsparung an Arbeitszeit (siehe Tabelle)  Bilder/Grafiken: Ochßner

Ist eine Anlage abgängig, muss zunächst eine Marktanalyse für das Unternehmen durchgeführt werden. In dieser Planungsphase werden die wichtigsten Zukunftsentscheidungen für den Betrieb getroffen. Wie stabil ist der Trend nach fruchtigen Weißweinen?  Wo bestehen die größten Marktchancen innerhalb der einzelnen Segmente? Wie verändern sich die Marktsituationen und die  gesetzlichen Rahmenbedingungen? Mit der relativ genauen Beantwortung dieser Fragen entscheidet sich der Betriebserfolg des weinbaulichen Unternehmens.
Aufgrund der sehr unterschiedlichen Weinbaubetriebe können bei einer solchen Analyse je nach Betriebstyp die unterschiedlichsten Ergebnisse herauskommen. Allgemein kann festgestellt werden, dass in den meisten Fällen viel mehr auf den „veröffentlichten“  Trend als auf die ermittelten Verkaufszahlen und Kostenberechnungen (falls sie überhaupt vorliegen) der eigenen Vermarktung geachtet wird.
Nach der Marktanalyse, welche die Anforderungen an das Produkt wie Sorte, Klon, gewünschte Qualität und Menge definiert, geht  die Planung für eine Neuanlage in die zweite Phase: Kann das vom Markt geforderte Produkt gewinnbringend in der vorhandenen oder zu schaffenden Betriebsstruktur produziert werden?
In dieser Realisationsphase müssen die Produktionsverfahren betriebswirtschaftlich beurteilt werden. Besonders zu beachten sind  die Faktoren Arbeitszeit, Herstellungskosten und Kosten der laufenden Produktion. Jedes neue Produkt kann langfristig nur Erfolg  haben, wenn es für das Unternehmen durch einen positiven Einkommensbeitrag und von der Arbeitsverfügbarkeit produzierbar ist und bleibt. Da aber gerade bei der Traubenproduktion höhere Qualität oftmals mit sehr viel höherem Kapital- und Arbeitseinsatz  erkauft werden muss, ist eine Kostenabschätzung vor Einführung des Produktes zwingend notwendig. Ist das Produkt mit den  vorhandenen Systemen nicht produzierbar, so muss über einen Bewirtschaftungssystemwechsel nachgedacht werden.
Wichtig bei einer Kostenbetrachtung sind die Bezugsgrößen. Die Kosten bei der Traubenproduktion werden in der Regel pro Hektar  betrachtet. Dies bedeutet automatisch, dass bei einer Reduzierung der produzierten Menge der Preis für die produzierte Einheit (kg Trauben) steigen muss, wenn die Kostensituation gleich bleibt. Werden durch die Produktion von geringeren Mengen noch höhere  Kosten pro Hektar ausgelöst, wird der Unterschied des Preises pro Kilogramm Trauben noch größer. Umgekehrt wird es für den  Betrieb interessanter, eine größere Menge Trauben mit gleichen oder sogar verminderten Kos-ten zu produzieren. Immer  vorausgesetzt, die Qualität stimmt für den angedachten Vermarktungsweg.
 

KOSTEN

Betrachtet man nur die Kosten der Traubenproduktion, so wird schnell klar, dass von einem traubenproduzierenden Genossenschaftsbetrieb kostendeckend nur in den vorhandenen Standardspalieranlagen ab circa 9000 Euro Hektarerlös produziert werden kann. Produziert der Winzer 12.000 kg pro Hektar benötigt er 0,75 Euro pro Kilogramm Trauben, produziert er 10.000 kg pro Hektar, benötigt er immerhin 0,90 Euro pro Kilogramm Trauben.


Schematische Darstellung einer Nichtschnittanlage. Mit ihr ist die einschneidenste Änderung im Bewirtschaftungssystem verbunden

Die Standardspalieranlage hat sich in der Praxis aufgrund produktionstechnischer Vorteile durchgesetzt. Allerdings benötigt der Winzer, der damit arbeitet, rund 9000 Euro Erlös je Hektar. Wegen des steigenden Kostendruckes werden daher alternative Systeme überprüft

Die zurzeit in Prüfung befindlichen Systeme wie Eindrahterziehung, Nicht-Schnitt-Varianten oder Weitraumanlagen reduzieren die Kosten der Traubenproduktion nicht unerheblich und sollten bei Betriebsplanungen berücksichtigt werden.
Neuanlagen beeinflussen die Traubenproduktionskosten hauptsächlich über die infolge entstehenden Arbeitskosten und die  Anlagekosten, die über die Nutzungsdauer abzuschreiben sind. Auf jeden Fall muss den Arbeitskosten und der  Arbeitskraftverfügbarkeit besondere Beachtung geschenkt werden, da die Kosten der Arbeitserledigung in Zukunft mit Sicherheitnicht sinken werden.
Das Erziehungssystem beeinflusst sehr stark die Arbeitsbelastung. Qualitätssysteme erfordern in der Regel einen hohen Handarbeitseinsatz, Basissysteme sparen intensiv bei den Handarbeiten. In der Praxis hat sich in den vergangenen Jahren eine Standardspaliererziehung durchgesetzt.
 

STANDARDSPALIERANLAGE

Aufgrund ihrer guten Mechanisierbarkeit und der Möglichkeit, sowohl Qualität wie auch Quantität bei angemessener Stockbelastung  und relativ guter Standortausnutzung zu produzieren, haben fast alle Betriebe mit kleinen Abweichungen dieses System  angepflanzt. Allerdings benötigt der Winzer, der mit diesem System arbeitet, circa 9000 Euro Erlös pro Hektar. Einsparpotenziale gibt es innerhalb gewisser Grenzen kaum.
Wegen des immer größer werdenden Kostendruckes werden vor allem neue (alte) Systeme mit anderen Rahmenbedingungen überprüft. Diese haben hauptsächlich zum Ziel, eine Produktion im Basissegment mit positiver Kostendeckung zu ermöglichen. Hier  werden größere Zeilenbreiten, Umkehrerziehungen in verschiedenen Formen und Minimalschnittsysteme geprüft.
 

WEITRAUMANLAGE NACH DEM SYSTEM OBERHOFER

Ein interessanter Ansatz ist ein vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz mit entwickeltes Anpflanzsystem im Weitraumbereich. Hier wird der Standardspalierrahmen abwechselnd in zwei und vier Meter Zeilenabstand angepflanzt. So  entstehen zwei Meter breite Gassen und vier Meter breite Gassen. Die zwei Meter-Gassen werden mit Überzeilentechnik bewirtschaftet, die vier Meter-Gassen nur mehrmals mit breiter Landwirtschaftstechnik gemulcht oder bodenbearbeitet. Hier ergeben sich wesentliche Einsparungen im Aufbau der Anlage und in den Arbeitskosten für die Weinbergspflege. Ergeben sich andere Rahmenbedingungen, so kann die Anlage durch das Nachpflanzen der fehlenden Zeile notfalls zur Standardspalieranlage umgewandelt werden.
 

ZWEIDRAHTANLAGEN

Einen kompletten Systemwechsel vollzieht die Zweidrahtanlage. Mit größeren Zeilenbreiten wird die Rebe auf 1,30 Mete
gezogen und ausreichend befestigt. Im Gegensatz zu der früher praktizierten Umkehrerziehung wird in diesem (nicht ganz so hoch aufgebauten) System mit einer ganz normalen Tragrute geschnitten und gebogen. Ansonsten entfallen die weiteren Laubarbeiten.  Der Stammbereich wird – wenn die Zulassung besteht – chemisch ausgebrochen. Auch hier ergeben sich große Einsparpotenziale. Das System dürfte aber zunächst nur für die Produktion von Basisqualitäten geeignet sein und kann leider nicht umgestellt werden, falls sich die Rahmenbedingungen ändern.


 

NICHTSCHNITTANLAGEN

Die einschneidenste Veränderung im Bewirtschaftungssystem bringt die Nichtschnittanlage mit sich. Bei Zeilenbreiten ab drei Meter wird die Anlage mit extrem guten Materialien auf circa 1,70 Meter aufgebaut und danach nur noch eindämmend geschnitten. Hier fallen die wenigsten Folgearbeiten an. Leider bestehen im Moment noch einige Probleme bei den notwendigen Folgearbeiten, denn  Pflanzenschutzgeräte, Mittelberechnung und Pflegeschritte sowie Erntetechnik (Traubenerntemaschine) müssen noch etwas angepasst werden. Diese Variante der Bewirtschaftung bringt außerdem noch Mengensteuerungsprobleme mit sich, hat allerdings schon zu überraschend guten (betriebswirtschaftlichen) Ergebnissen geführt.
 

ARBEITSKOSTEN UND ARBEITSZEIT

Warum muss für die Zukunft die Arbeitszeit im Weinbau so intensiv betrachtet werden? Zum einen wird der Kostendruck bei der Produktion immer mit der Arbeitskraft des Betriebsleiters und der mithelfenden Familienarbeitskräfte kompensiert. Dies erklärt sich daraus, dass der weinbauliche Unternehmer das bekommt, was nach Abzug aller Kosten (auch der eingesetzten Fremdarbeitskräfte) übrig bleibt. Dieser Gewinn ist der Bruttoentlohnung eines Arbeitnehmers vergleichbar.
Der Gewinn des Betriebes geteilt durch die vom Betrieb erbrachten Arbeitsstunden ergibt den Bruttoarbeitslohn des Winzers und der mithelfenden Familienarbeitskräfte. Davon sind die Sozialversicherungen wie LAK und LKK, der Urlaubsanspruch (falls vorhanden) und die (hoffentlich) zu entrichtenden Steuern abzuziehen, um zum vergleichbaren Nettolohn zu gelangen.
Ob und in welcher Form sich neue Bewirtschaftungssysteme durchsetzen, bleibt im Moment noch offen. Vor allem um die Produktion von Basisqualitäten muss man sich Gedanken machen: Sie sind im Markt stark vertreten, jedoch herrscht hier immenser Preisdruck. Ziel muss es sein, dass weniger arbeitsintensive Systeme marktkonforme Weinqualitäten hervorbringen. Hier sind mit den neu angedachten Systemen interessante Ansätze gemacht, welche noch weiter überprüft und verfeinert werden müssen, auch in Bezug auf qualitativ etwas suboptimale Ergebnisse


 

ANLAGEKOSTEN

Die Anlageform beeinflusst über die Anzahl der Pfropfreben und den Materialbedarf die Kostenseite. Für die Standardspalieranlage müssen derzeit ungefähr 18.000 Euro angesetzt werden. Die Anlagekosten werden in Zukunft sicher nicht geringer werden. Allerdings relativieren sich die Beträge, wenn man – was üblich ist – auf 30 Jahre Nutzungsdauer abschreibt. 600 Euro pro Hektar und Jahr stehen hier betriebswirtschaftlich betrachtet zu Buche.
Wichtig bei den Anlagekosten ist die Auswahl des Materials. Reparaturkoten in der Folge sollten den Betriebsleiter eher dazu veranlassen, optimales Material bei der Neuanlage einzusetzen und die Folgekosten zu minimieren.
Aufgrund der sich schnell ändernden Rahmenbedingungen kann es aber auch interessant werden, sogenannte Kurzlaufanlagen vorzusehen. Bei diesem Absatz wird die Neuanlage nur mit geringem Materialeinsatz erstellt. Hier geht man davon aus, dass der Markttrend sich sehr schnell ändert, die Anlage also nach kürzeren Laufzeiten wieder gerodet werden muss. Ein weiterer Vorteil dieser Anlagen dürfte die aufgrund der geringeren Laufzeit geringere Esca-Problematik sein. Es besteht allerdings die Gefahr, dass bei stabilem Markt die Anlage zu früh abgängig wird.
 

ANZAHL DER PFLANZEN

Für Betriebe, die ihre Weine ausschließlich im Premium-Bereich ansetzen, konkurrieren die Standardspalieranlagen mit Dichtpflanzungen, die bis zu 10.000 Stock pro Hektar aufweisen. Bei Letzteren geht es um das Ziel, extrem geringe Stockbelastungen für sehr dichte Weine mit hohem Verkaufspreis zu kreieren. In diesem sehr hochpreisigen Verkaufssegment spielt der Faktor Arbeit in den Weinbergen und dem Keller nicht die entscheidende Rolle. Bei einer solchen Betriebssituation macht dieses arbeitsintensive System auch betriebswirtschaftlich Sinn.


Bei der Weitraumanlage nach dem System Oberhofer wird der Standardspalierrahmen abwechselnd in zwei und vier Meter Zeilenabstand angepflanzt. Die schmäleren Gassen werden mit Überzeilentechnik bewirtschaftet, die breiteren nur mehrmals mit breiterer Landtechnik gemulcht oder der Boden bearbeitet
 

LAGEEIGENSCHAFTEN

Nahezu jeder Winzer kennt die Vorzüge und Nachteile seiner Lagen. Aufgrund vorgegebener Marktanforderungen können die räumlichen Vorraussetzungen nicht negiert werden. Der beste Garant für einen guten Wein sind die gute Lage und die standortgerechte Pflanzung. Auch die „vielleicht“ eintretenden Veränderungen des Klimas sollten bei den Überlegungen eine Rolle spielen.

 

Eine zentrale Frage vor der Neuanlage eines Weinbergs: die Wahl der richtigen Rebsorte. Das hier ist allerdings eine nicht  pflanzrelevante Laune der Natur

Ist die Entscheidung nach reiflicher Überlegung für die Neuanlage gefallen, so gilt es, die neuen Reben nach den bekannten Grundsätzen zu pflanzen. Hier hat es sowohl beim Rigolen, der Brache oder den Pflanzverfahren in den vergangenen Jahren kaum Änderungen gegeben. Lediglich bei den Pflanzmaschinen für Reben haben sich Innovationen ergeben, so laufen zurzeit GPS-gesteuerte Setzmaschinen und es ist in flacherem Gelände möglich, den Pflanzstab gleichzeitig mit den Reben auszubringen.


 

Medium

Rebe & Wein ist ein Fachmagazin für Weinbau und Weinwirtschaft mit  Kernverbreitungs-gebiet Württemberg und Franken. Erscheinungsweise monatlich, verbreitete Auflage rund 5800, verkaufte Auflage rund 5400 (IVW). Das Magazin bietet Fachinformationen für Winzer und Weinerzeuger, von der Anbautechnik der Reben bis zum Verkauf der Flaschen. Daneben gibt es Brancheninformationen von regional bis weltweit. Jährlich mehrere Sonderpublikationen zu ausgewählten Fachthemen ergänzen das Angebot des Monatsheftes. Rebe & Wein ist zudem Organ der Weinbauverbände in Württemberg und Franken.
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