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Sonstiges 1, 17.05.2018

Haselnussanbau in Italien

Fachstudienreise nach Perugia und Viterbo
Seit mit dem bayerischen Haselnussprojekt die Machbarkeit des heimischen Anbaus von Haselnüssen geprüft und optimiert wird, finden Studienreisen und Lehrfahrten in die verschiedenen Anbaugebiete Europas und darüber hinaus statt.
 
Neben Polen, Frankreich und Chile war Italien mit seinen unterschiedlichen Anbauregionen bereits mehrmals ein immer wieder lohnendes Ziel.
 
Die aktuelle Reise sollte ein relativ neues Anbaugebiet um die Universitätsstadt Perugia zeigen und im Vergleich dazu die Region Latium um die Vulkanseen nördlich von Viterbo, wo seit vielen Jahrhunderten Haselnussanbau betrieben wird. Und so war das erste Reiseziel auch die Haselnussversuchsfläche der Universität Perugia, wo uns Dr. Daniela Farinelli die derzeit aktuellen Fragestellungen erläuterte und die dazugehörigen Versuche zeigte.
 
Ein neues Anbaugebiet
Die Region um Perugia gehört nicht zu den großen, traditionellen Anbaugebieten für Haselnuss in Italien. Die liegen im Piemont, rund um Viterbo und auf Sizilien. Doch auf rund 200 ha werden dort seit wenigen Jahrzehnten erfolgreich die traditionellen Sorten ‘Tonda gentile delle Langhe’, ‘Tonda romana’ und ‘Tonda di Giffoni’ angebaut, und zwar in der traditionell üblichen mehrstämmigen Buschform. In diesen Anlagen können mit geringem Arbeitsaufwand ca. 2 t Haselnüsse (in der Schale) produziert werden. Durch die günstigen Lichtverhältnisse können die Sträucher im Abstand von 5 x 4 m (oder sogar 5 x 3,5 m) gepflanzt werden. Wird der Busch zu breit, werden an der Basis ältere Äste entnommen, um die Krone besser zu belichten und das Wachstum anzuregen. Üblicherweise werden die Anlagen nicht bewässert. Das führt immer wieder zu geringen Ernteerträgen, so auch im Jahr 2017.
 
Frau Dr. Farinelli versucht nun, den Anbauern in der Region zu zeigen, dass durch andere Anbauformen und Bewässerungsanlagen die Erträge in den Anlagen gesteigert werden können.
 
Veredelung auf Baumhasel
Um die Probleme mit Trockenheit und periodischer Hitze zu lösen, laufen mehrere Versuche mit Veredelungen auf der Baumhaselnuss, Corylus colurna. Die Bäume werden sehr tief veredelt, in einer Höhe von max. 30–40 cm. Die Edelreiser entwickeln sich ohne weitere Schnittmaßnahmen zu relativ steil aufwärts gerichteten Großbüschen, ähnlich den Pflanzungen auf eigener Wurzel, die ja auch in jungen Jahren nicht geformt werden. Diese veredelten Bäume werden im Regelfall ähnlich den bestehenden Altanlagen im Abstand von 5 x 5 m oder 5 x 4 m gepflanzt.
 
Ein kleiner Tastversuch zur Intensivierung des Anbaues läuft mit einer Engpflanzung auf Corylus colurna, bei der gehofft wird, den Ertrag zu verfrühen und zu erhöhen. Denn die veredelten Pflanzen tragen ja bereits in den ersten Jahren Früchte, wenn auch relativ wenige. Durch die hohe Zahl von 800–1.000 Bäumen/ha soll sich die erste Ernte schon im dritten oder vierten Standjahr lohnen. Wie die Pflanzen auf den engen Standraum reagieren soll dabei ebenfalls getestet werden. Maschineller Schnitt, Wurzelschnitt und Fertigation für den intensiven Anbau sind eingeplant. Sollten die Pflanzen sich nicht im Wuchs regulieren lassen, könne auch das Bleiber-Weicher-System angewandt und die Pflanzdichte später auf 50 % reduziert werden, erklärte Dr. Farinelli. Der Versuch steht im ersten Jahr, also konnten noch keine Aussagen getroffen werden.
 
Es handelt sich bei den derzeit gängigen Unterlagen um Sämlinge von Corylus colurna und nicht um schwachwachsende Klone. Daher kann gespannt beobachtet werden, ob die Wuchskraft der Baumhaselnuss durch Pflege- und Anbaumethoden so weit gezähmt werden kann, dass sie sich in ein intensives Obstanlagenmanagement einfügen lässt.
 
Eine neue Sorte
Da die traditionellen italienischen Sorten nur mittlere Erträge abwerfen, wurden sie vor Ort züchterisch bearbeitet und eine eigene Kreuzungssorte herausselektiert. Diese wird nun in einer der Universität Perugia nahestehenden Baumschule erhalten und für den Anbau angeboten. Sie heißt ‘Tonda Francescana’ und soll ihre Elternsorten in Ertrag und Wuchsverhalten weit übertreffen. In der Baumschule wurden auch Vergleichspflanzungen mit den Ausgangselternsorten angelegt, um den Unterschied deutlich zu zeigen. Aber auch diese Sortenanlage ist noch im ersten Standjahr. Diese Sorte wird zum einen auf C. colurna veredelt angeboten, zum anderen als meristemvermehrte Jungpflanze in kleinen Containern.
 
Erntemaschinen
Der Maschinenhersteller Facma stellt hauptsächlich Ernte- und Nacherntemaschinen, aber auch Pflegemaschinen für Haselnussanlagen her. In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt bei Facma auf den Saugmaschinen. Die Nüsse werden bei diesen Geräten durch Besen in der Spurmitte auf einen Schwad zusammengekehrt und dann mit starkem Luftsog in die Maschine weitertransportiert.
 
Da aber diese Art der Nussaufnahme bei feuchten Bodenbedingungen, Grasbewuchs und zunehmender Hangneigung an ihre Grenzen stößt, entwickelte der Betriebsinhaber nun eine Kombination aus Kehr-Pickup mit nachfolgender Luftreinigung des aufgenommenen Erntegutes. Durch die Pickup-Aufnahme werden allerdings mehr Erdreich, Gras und Holzstücke aufgenommen, die wieder entfernt werden müssen. Die Hektarleistung dieser Maschine liegt bei 8 ha/Tag und ist damit höher als die der reinen Saugmaschinen (5–6 ha/Tag). Der Chef persönlich und seine Tochter zeigten in einer ihrer eigenen Haselnussanlagen die beiden Systeme im Vergleich. So konnten Vor- und Nachteile gesehen und diskutiert werden.
 
Deutliche Standortunterschiede
Auch die Anlagen des Facma-Chefs sind im traditionellen Multistem-System aufgebaut und daher im Schnitt sehr arbeitsextensiv. Vor der Ernte müssen die Nüsse und das Laub allerdings aus der Buschbasis in Handarbeit herausgeräumt werden (Laubgebbläse). Insgesamt bewirtschaftet die Familie ca. 800 ha Haselnussproduktionsanlagen in der traditionellen Haselnuss-Region Viterbo. Mittlerweile werden auch dort Bewässerungsanlagen installiert, um die Erträge zu sichern. Die Sommertrockenheit in Italien stellt ein zunehmendes Problem dar.
Im Vergleich mit den deutschen Verhältnissen fällt auf, dass italienischen Standardsorten unter den dortigen Lichtbedingungen sehr kompaktwachsend und kleinlaubig sind. Die gleichen Sorten in der Versuchsanlage in Bayern haben wesentlich größeres Laub und einen ausladenderen Wuchs. Die hier üblichen Standweiten von 3,5 x 5 m sind für Deutschland zu eng, die Haselnüsse schieben sich auf der Suche nach Licht gegenseitig in die Höhe und produzieren nur noch Holz und keine Nüsse. Das zeigt, wie lichtabhängig das Gleichgewicht zwischen vegetativem und generativem Wachstum bei diesen Sorten ist.
 
Regionalität wird immer wichtiger
Am nächsten Tag konnten noch zwei Erwerbsanlagen nördlich von Viterbo besichtigt werden, die beide in traditioneller Weise mit Großbüschen produzieren. Auffällig war, dass beide Betriebe nicht an den großen italienischen Süßwarenhersteller Ferrero verkaufen und auch nicht vorhaben, dies zu tun.
 
Der konventionelle Betrieb setzt Facma-Erntemaschinen ein. Zum Zeitpunkt des Besuchs wurde die Ernte gerade getrocknet, kalibriert und auch zum Teil geknackt. Die Vermarktung der Nüsse erfolgt hier über regionale Händler oder sie werden von Verarbeitungsbetrieben regional aufgekauft. Der Betrieb steigt aktuell in die Selbstverarbeitung ein und bietet seit Kurzem geknackte und geröstete Nüsse an. Diese Umstellung ist mit großem Aufwand verbunden und so wurde eine eigene Mitarbeiterin dafür eingestellt. Aber regionale Verarbeitungsprodukte liegen im Trend: In jeder Anbauregion gibt es kleinere und mittlere Betriebe, die Nuss-Nougatcreme, geröstete Nüsse, Nussmehl, etc. anbieten. Von der Bevölkerung werden solche regionalen Spezialitäten zunehmend als höherwertige Alternative zur überregionalen Industrieware bewertet.
 
Der zweite Betrieb liegt an einem der vielen Vulkanseen der Region und wird nach ökologischen Richtlinien bewirtschaftet. Dabei gibt es in Italien keine Bio-Tradition für den Nussanbau und auch keine Pflanzenschutzstrategien gegen diverse Schädlinge und Krankheiten. Der Bioanbau wird daher nach Angabe der Betriebsleiter bewusst durch Betriebsneugründungen in vormals haselnussanbaufreie Regionen verlegt, um den dortigen geringen Schädlingsdruck möglichst lange zu nutzen.
 
Im Gegensatz zu dem konventionellen Betrieb kommt hier eine Erntemaschine mit Pickup System der Firma S.A.M.A.C. zum Einsatz, die sich durch die höhere Hektarleistung bewährt hat. Die Nüsse werden hauptsächlich nach Deutschland verkauft.
 
Aufbereiten der Nüsse
Die Reinigung der Nüsse erfolgt in beiden Betrieben mit luftgestützten Trockensystemen. Hier werden schwerere und leichtere Bestandteile des Erntegutes durch einen exakt eingestellten Windstrom von den Nüssen getrennt. Für die Industrienüsse genügt diese Reinigung, da es unwichtig ist, ob noch Staub auf der Nuss zurückbleibt oder nicht. Sie werden ohnehin geknackt.
 
In Deutschland hingegen ist eine Nassreinigung meist unbedingt nötig, da die größeren Nüsse mit der Schale verkauft werden und eine graue Staubschicht die Nüsse unansehnlich macht. Auch sind in Deutschland die Bodenverhältnisse meist wesentlich feuchter als in Italien und das Erntegut ist entsprechend „klebriger“.
 
Die besuchten Bio-Anlagen waren 15 bis 20 Jahre alt. Interessant wird es hier, wenn die Schädlinge und Krankheiten in die entlegene Region „nachwandern“ und für die Bekämpfung weiterhin noch keine Strategien vorhanden sind.
 
Als besondere „Schädlinge“ erwiesen sich in dem Bio-Betrieb die Wildschweine aus den umgebenden Wäldern. Die Muttertiere wälzen mit vollem Körpereinsatz gezielt einzelne Büsche in Junganlagen nieder und ernten mit ihren Jungtieren die abgebrochenen/abgeknickten Äste ab.

Zusammenfassung
Alles in allem wieder eine lohnende Fahrt, um Haselnussanbauern und Forschungsinstitutionen in anderen Anbauregionen über die Schulter zu schauen. Vieles kennen wir in ähnlicher Weise, aber es finden sich immer wieder neue Anregungen, die wir mit nach Hause nehmen können. Ein herzliches Dankeschön gilt Herbert Knuppen und seiner Frau Laura Tumiati für die tolle Organisation der Fachbesuche und die Auswahl der Unterkünfte!


Über den Autor
Carola Nitsch,
Gartenbauzentrum Bayern Mitte am AELF Fürth,
Jahnstraße 7, 90763 Fürth,
Tel.: 0911 99715-422,
E-Mail: carola.nitsch@aelf-fu.bayern.de

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1975 hat der Vorstand der Fachgruppe Obstbau den Beschluß gefaßt, ab Januar 1976 eine Verbandseigene Fachzeitschrift herauszugeben. OBSTBAU hat sich seitdem zu einer renommierten Fachzeitschrift entwickelt, auf die kein zukunftsgerichteter Betriebsleiter/ Betriebsleiterin verzichten kann. Mit einer Auflage von über 7000 Exemplaren ist OBSTBAU heute die größte überregionale Fachzeitschrift für Obstbau im deutschsprachigen Raum.
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