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Zubehör, 31.01.2014

KELLER & GEBÄUDE: BE- UND ENTLÜFTUNGSVERFAHREN

Wird heutzutage von Kellern und Gebäuden zur Weinherstellung und -lagerung berichtet, geht es zumeist um eine architektonisch herausragende Gebäudegestaltung.
Wird heutzutage von Kellern und Gebäuden zur Weinherstellung und -lagerung berichtet, geht es zumeist um eine architektonisch herausragende Gebäudegestaltung. Ebenso wichtig ist aber auch ein richtig dimensioniertes Belüftungsverfahren. Die Fachgebiete Technik und Kellerwirtschaft der FA Geisenheim berichten.
 
Weltweit sorgt das Thema Weinarchitektur mit spektakulären Neubauten für Gesprächsstoff. Davon profitieren auch die Berufskollegen. Wird jedoch die Investition in Gebäuden von mittleren Familienbetrieben in Europa durchgeführt, müssen meist gewachsene Gebäudestrukturen berücksichtigt und planerisch aufgearbeitet werden.
Die oenologjschen Anforderungen werden hier bevorzugt beachtet, Raum- und Funktionsprogramme angepasst und baubehördliche Auflagen erfüllt. Die Vielzahl von umweltrechtlichen Anforderungen (Freund 2011) bei der Weinherstellung sind bekannt und werden eingehalten.
Obwohl sich das neu gebaute oder erweiterte Weingut nun in einer optisch hervorragenden Weise präsentiert, kann durch bauphysikalische Mängel (Hoos 2009) in der Bauwerksausführung und die Nichtbeachtung raumlufttechnischer Anforderungen eine Qualitätsminderung des Weines durch Fehloder Mufftöne bis zur Unverkäuflichkeit des Weines entstehen.
 

Belüftungssysteme müssen maßstäblich sein

Richtig dimensionierte Belüftungsverfahren können helfen, diese Situationen deutlich zu verbessern. Um für die hier arbeitenden Menschen einen gesundheitlich unschädlichen Arbeitsplatz zu gewährleisten, müssen auftretende Schadfrachten und Schadgase an jeder Stelle im Keller und in ausreichendem Umfang entfernt werden. Darüber hinaus können so auch qualitative Verbesserungen am Endprodukt realisiert werden; laut (Schäfer 2010) kann durch eine angepasste Lüftung im Weinkeller das Auftreten von dumpf-muffigen Fehltönen in Weinen signifikant reduziert werden.
 

Wichtiger Aspekt: notwendiger Energieeinsatz

Ein weiterer Aspekt bei der Auslegung der Lüftungsanlagen ist der zur Umwälzung notwendige Einsatz von Energie. Durch Vermeidung unnötiger Strömungsverluste und richtiger Auslegung der Lüfter und Kanalquerschnitte kann dieser minimiert und damit die C02-Bilanz des Betriebes optimiert werden. Für die Dimensionierung der Anlage sind folgende zwei Parameter wichtig:
- Raumvolumina
- Luftwechselraten
Die Luftwechselrate zur Reduzierung des TCA-Gehaltes in der Raumluft wurde im Belüftungsversuch (Schäfer 2010) mit 20-fachem Luftaustausch in der Stunde durchgeführt. Nach Versuchsergebnissen der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (2002) ist eine 8-fache Luftwechselrate in Gärkellern erforderlich, um den Kohlenstoffdioxidgehalt unter 0,5 Prozent zu halten. Nach Pregizer (2008) sollte eine 10-fache Luftwechselrate in feuchten Räumen - zur Reduzierung der relativen Luftfeuchtigkeit und zur Vermeidung der Schimmelpilzbildung - mit einer mechanischen Belüftung erfolgen.
 

Bauarten nach Entlüftungsformen

Unter einer Belüftungsanlage versteht man die Zuführung von Außenluft und die Abfuhr von belasteter Raumluft. Unter belasteter Raumluft ist z.B. die Abfuhr von Luftfeuchtigkeit, Haloanisolen und des während der Gärphase entstehenden Kohlenstoffdioxids zu verstehen.
Es wird bautechnisch in Drucklüftung, Sauglüftung und Verbundlüftung unterschieden. Die Fähigkeiten von Belüftungsanlagen beschränken sich auf das Erwärmen und das Austauschen der Raumluft. Ermöglicht die Anlage zusätzlich das Kühlen, spricht man von einer Klimaanlage. Die Ausstattung einer solchen Anlage ist abhängig von den Raumluftanforderungen.
Durch das Herausdrücken (Drucklüftung) oder das Abziehen (Sauglüftung) der Raumluft wird auch die thermische Energie aus dem Gebäude befördert. Um eine konstante Raumtemperatur zu erzielen, muss die Zuluft beheizt werden. Eine Zu- und Abluftanlage kann in Verbindung mit einem Wärmetauscher die Energie der Abluft rückgewinnen.
Eine solche Anlage nutzt nicht nur die Abluft zur Erwärmung der Zuluft, sondern z. B. auch die Erdwärme mit Hilfe eines Erdreichwärmetauschers. Zudem kann nicht nur die Erdwärme genutzt werden um im Winter die kalte Außenluft als Zuluft zu erwärmen, sondern im Sommer kann auch die warme Außenluft durch das Erdreich gekühlt werden.
Wichtig ist bei allen Lüftungssystemen eine Filtration der Zuluft, denn Stäube und kleine Schmutzpartikel verunreinigen nicht nur die Anlage, sondern legen sich in den belüfteten Räumen nieder und können die Gesundheit der Arbeitskräfte schädigen.
Um die Luftwechselraten der Raumgröße anpassen zu können und über diese Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Qualität der Raumluft zu steuern, sollte eine Verteilung der Zuluft in jeden Raum einzeln erfolgen und einzeln steuerbar sein. Um dies zu ermöglichen, bedarf es einer komplexen Regelungseinheit.
Sie besteht aus:
• Sensoren in jedem Raum zur Ermittlung der Temperatur, der relativen Luftfeuchtigkeit, des Sauerstoffgehaltes und in Gärräumen des Kohlenstoffdioxidgehaltes sowie Sensoren zur Erkennung von Rauchentwicklung, um im Brandfall die Sauerstoffzufuhr zu unterbinden.
• Zentrales Regelungssystem als Schnittstelle zwischen Anwender und Anlage mit Warneinrichtung für Störfälle,
• Aktoren wie zum Beispiel Stellmotoren zur Einstellung des Luftflusses,
• ein Bussystem zur Vernetzung der Sensoren mit zentralem Regelungssystem und den Aktoren.
 

Zu beachten: das spezifische Raumklima

Das Raumklima ist abhängig von der Nutzung des Raumes. In Kellereigebäuden sind die Anforderungen der Räume stark unterschiedlich. Nach Troost (1980) sollten in Kellerräumen, die zur Lagerung von Wein in Tanks und Fässern genutzt werden, konstant kühle Temperaturen von 9 - 12° C bei Weißwein und 12 - 15° C bei Rotweinen vorhanden sein. Die relative Luftfeuchtigkeit von 86 - 98 Prozent ist nur in Holzfasskellern wichtig, um die Verdunstung des Weines so gering wie möglich zu halten. Bei Edelstahl-, GFK- und Betontanks ist die Luftfeuchtigkeit zu vernachlässigen.
Da in Problemweinlagerkellern eine hohe Luftfeuchtigkeit durch z.B. feuchtes Mauerwerk und der Verwendung von Wasser zur Reinigung existiert, ist eine Luftentfeuchtung zur Unterbindung des Schimmelwachstums von Bedeutung. Eine Senkung der relativen Luftfeuchtigkeit unter 80 Prozent ist bei Edelstahltanks und GFK-Tanks möglich. Barriquefässer müssten in einem separaten Lagerraum gelagert werden, um mit der oben genannten, optimalen relativen Luftfeuchtigkeit versorgt zu werden.
Dagegen ist in Kartonagenlager und Flaschenlager die Luftfeuchtigkeit gering zuhalten um das Aufweichen der Kartonagen und der Etiketten mit der Folge von Schimmelbildung zu vermeiden. Hier sollten 55 Prozent relative Luftfeuchtigkeit nicht überschritten werden. Im Bereich der Abfüllung, Ausstattung der Flaschen, Verpackung und Versand sind nach Arbeitsstättenrichtlinie § 6 bei mittelschwerer Arbeit in stehender und gehender Haltung min. 17° C vorgeschrieben.
In der Abfüllhalle sollte das Belüftungssystem es ermöglichen, den bei der Sterilisation der Abfüllanlage durch das Dämpfen entstehenden Wasserdampf abzuführen, damit es vor allem nicht zur Schimmelpilzbildung an der Decke kommt.
 

Gesetzlich fixiert: Gesundheitsverträglichkeit

Ein Belüftungssystem muss auch die Gesundheitsverträglichkeit für Arbeitskräfte berücksichtigen.
Dies sind in nachfolgendem Gesetzestext der in der Arbeitsstättenverordnung § 3 Abs.l Anhang Anforderungen an Arbeitsstätten Kapitel 3.6 folgende Anforderungen:
Lüftung
(1) In umschlossenen Arbeitsräumen muss unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren, der körperlichen Beanspruchung und der Anzahl der Beschäftigten sowie der sonstigen anwesenden Personen ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden sein.
(2) Ist für das Betreiben von Arbeitsstätten eine raumlufttechnische Anlage erforderlich, muss diese jederzeit funktionsfähig sein. Eine Störung muss durch eine selbsttätige Warneinrichtung angezeigt werden. Es müssen Vorkehrungen getroffen sein, durch die die Beschäftigten im Fall einer Störung gegen Gesundheitsgefahren geschützt sind.
(3) Werden Klimaanlagen oder mechanische Belüftungseinrichtungen verwendet, ist sicherzustellen, dass die Beschäftigten keinem störenden Luftzug ausgesetzt sind.
(4) Ablagerungen und Verunreinigungen in raum-lufttechnischen Anlagen, die zu einer unmittelbaren Gesundheitsgefährdung durch die Raumluft führen können, müssen umgehend beseitigt werden. Die Anforderungen an das Raumluftklima dem Arbeitskräfte ausgesetzt sind, werden in folgende Punkte unterteilt:
- Lufttemperatur,
- relative Luftfeuchtigkeit,
- Luftzug,
- max. Arbeitsplatzkonzentrationen von Stoffen.
 
Lufttemperatur
An die Raumtemperatur stellt der Gesetzgeber in der Arbeitsstättenverordnung § 3 Abs. 1, Anhang Anforderungen an Arbeitsstätten Kapitel 3.5, folgende Anforderungen:
In Arbeits-, Pausen-, Bereitschafts-, Sanitär-, Kantinen- und Erste-Hilfe-Räumen, in denen aus betriebstechnischer Sicht keine spezifischen Anforderungen an die Raumtemperatur gestellt werden, muss während der Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren, der körperlichen Beanspruchung der Beschäftigten und des spezifischen Nutzungszwecks des Raumes eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur bestehen.
Die Lufttemperaturen in Arbeitsräumen sind in Abhängigkeit von der Arbeitshaltung und der Arbeitsschwere in der Arbeitsstättenrichtlinie § 6 in Tab. 1 dargestellt.
Die Arbeitsräume im Kellereigebäude sind demnach im Abfüll-, Etikettier- und Versandbereich mit 17° C zu temperieren, da mittelschwere Arbeiten in überwiegend stehender oder gehender Haltung ausgeübt werden.
Der Kellerbereich stellt in betriebstechnischer Sicht Anforderungen an die Raumtemperatur, für die Lagerung der Weine werden nach Troost (1980) Temperaturen für Weißweine von 9 - 12° C und für Rotweine von 12 - 15° C als optimal angesehen. Somit stellen der Kellerbereich und die Flaschenlagerung aus gesundheitlicher Sicht der Arbeitskräfte eine Ausnahmeregelung dar.

Relative Luftfeuchtigkeit
Eine Luftfeuchtigkeit über 80 Prozent fördert das Pilzwachstum. Die Senkung der relativen Luftfeuchtigkeit durch Luftaustausch ist ein Grund zur Installation eines Belüftungssystems. Dabei ist aber aufgrund gesundheitlicher Aspekte der Arbeitskräfte eine Luftfeuchtigkeit unter 30 Prozent zu vermeiden, da Schleimhaut- und Augenreizungen die Folge sein können (Reichelt, 2009).

Luftzug
§ 16 Abs. 4 ArbStättV enthält nachfolgenden Gesetzestext:
Die Beschäftigten dürfen keiner vermeidbaren Zugluft ausgesetzt sein.
Luftgeschwindigkeiten von 0,1 m/s bis 0,15 m/s werden laut Reichelt (2009) als Richtwert angegeben. Deren Überschreitung wird als unangenehm wahrgenommen. Bei einer Belüftung des Kellereigebäudes ist dieser Richtwert einzuhalten.
Maximale Arbeitsplatzkonzentration von Stoffen:
Um eine Gesundheitsgefährdung am Arbeitsplatz von Beschäftigten zu vermeiden, gibt die maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK) gesetzlich festgehaltene Höchstwerte von Stoffen an. In Kellereigebäuden ist mit hohen Konzentrationen von Kohlenstoffdioxid während der Gärphase zu rechnen.
Der MAK-Wert für Kohlenstoffdioxid wird laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2009) mit 0,5 Prozent angegeben - das entspricht 9100 mg/m3.
Wichtig ist die Abfuhr der Abluft am Kellerboden, da Kohlenstoffdioxid schwerer ist als Luft und sich wie ein Teppich auf dem Boden befindet. Baulich bedeutet dies:
1. Verlegen von Absaugrohren unter den Tanks
2. Vertikale Absaugrohre zwischen den Tanks
3. Absaugrohre im Boden
Um zu entscheiden welche Entlüftungsvarianten für einen bestehenden/geplanten Keller möglich sind, bietet sich die Simulation (siehe Info-Kasten - Bild 3) an.

Fazit
Neu zu ersteilende und bestehende Weinkeller und Weinlager können hinsichtlich der Be- und Entlüftungsverfahren entscheidenden Einfluss auf die Weinqualität, die maximale Arbeitsplatz - Konzentration (MAK) und Schimmelbildung haben. Über Simulationsverfahren sind die richtige Dimensionierung der Lüfter und die exakte Positionierung der Ein und Ausgänge für die Luftführung planerisch vorzubereiten. Über die Bestimmung der Luftaustauschraten nach gesetzlichen Vorgaben lässt sich die genaue Lüfterart auswählen. Die dann folgende Auswahl des Lüfters nach energetischen Gesichtspunkten sollte Standard sein, da auch die EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz der Gebäude ab dem Jahr 2012 in nationales Recht umgesetzt werden muss.

Medium

 
  • Die Forschungsanstalt Geisenheim ist eine der ältesten Forschungseinrichtungen des Wein- und Gartenbaus im deutschsprachigen Raum.
  • Im Rahmen einer engen Verknüpfung mit der Hochschule RheinMain werden in Geisenheim rund 1000 Studierende der Fachrichtungen Weinbau und Oenologie, Getränketechnologie, Gartenbau sowie Landschaftsarchitektur von den Mitarbeitern der Forschungsanstalt in Vorlesungen und Übungen mit betreut.
  • Ziel unserer Arbeit ist es, innovative Forschungen in anwendbare Handlungsansätze für die Praxis umzusetzen und anzubieten, um deren Konkurrenzfähigkeit zu stärken. Die zukünftigen Diplomingenieure, Bachelors und Masters sollen sowohl national als auch international Leitungsfunktionen in den von uns vertretenen Industrien übernehmen können.

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