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Sprühgeräte, 09.03.2022

Welche Ausbringtechnik führt zu den geringsten Pflanzenschutzmittel-Einträgen auf Nicht-Zielflächen?

Teil I
 
Es ist notwendig, das brisante Thema „Pflanzenschutz“ stärker in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit zu stellen. Den kritischen Stimmen muss gezeigt werden, wie viel den Betrieben abverlangt wird - sowohl fachlich als auch finanziell – um die notwendigen Behandlungen gegen Krankheiten und Schädlinge umweltfreundlich durchzuführen. Das gilt sowohl im Bio- als auch im konventionellen Anbau.
Dazu ist es wichtig zu wissen, wie hoch der Beitrag einer verlustarmen Ausbringtechnik für geringere Einträge auf Nicht-Zielflächen ist. Aus diesem Grund wurde 2021 ein umfangreiches Versuchsprogramm im Weinbau durchgeführt, welches nicht nur die Abdrift nach außen, sondern auch die Abdrift nach innen in Form von Bodeneinträgen untersucht.
An diesem Versuchsprogramm waren die Hochschule Geisenheim University, Institut für Technik (D), die Versuchsstation für Obst- und Weinbau Haidegg (A) und die steirische Fachgruppe Technik im Obst- und Weinbau beteiligt.
 
Abdrift und Bodeneintrag
Um die unerwünschte Sprühwolke (Abdrift nach außen) in den Griff zu bekommen, wird in einigen Regionen Europas die grobtropfige Ausbringung forciert. Eine grobtropfige Ausbringung erfordert eine hohe Wassermenge, um einen guten Bedeckungsgrad auf den Blättern zu erreichen. Dass mit dieser hohen Wassermenge jedoch auch ein hoher „Run-Off“ – also Abrinnen in den Boden – akzeptiert wird, wird häufig außer Acht gelassen.
Gleichzeitig werden im Rahmen des Zulassungsverfahrens durch die Bodeneinträge immer weniger Pflanzenschutzmittel (PSM) zugelassen.
Auch aus diesem Grund – und weil in steilen Lagen hohe Wassermengen zu Gewichtsproblemen und Bodenbelastung führen - wird in der Steiermark schon seit vielen Jahren das wassersparende „Verlustarm Sprühen“ von der Fachgruppe Technik empfohlen.
 
Nach welchen Kriterien kann eine Ausbringtechnik beurteilt werden?
Die Frage, wie zielgenau eine Ausbringtechnik ist und wie viel „daneben“ geht, kann durch folgende Messungen beurteilt werden:
1. Messen des Bedeckungsgrades (qualitative Messung)
Bei dieser Messung wird statt einem Pflanzenschutzmittel ein UV-Tracer in das Wasser des Spritzbehälters gegeben und wie üblich über die Düsen ausgebracht.
Nach Ausbringung der Spritzflüssigkeit wird die Tropfenverteilung (meist auf den Blättern, es könnte auch eine Folie sein) unter UV-Licht fotografiert, mit einer Spezialsoftware die Tropfenfläche gemessen und daraus der Bedeckungsgrad berechnet. Dieser ist eine wichtige Kennzahl zur Beurteilung der PSM-Verteilung auf der Zielfläche. So kann mit einer Brühe-Aufwandmenge von z.B. 250 l/ha feintropfig mit einer geringeren Belagsmasse ein besserer Bedeckungsgrad erreicht werden als mit 250 l/ha grobtropfig. Daher muss bei grobtropfiger Applikation die Wasseraufwandmenge stark erhöht werden (mind. 500 l/ha), um zu einem vergleichbar guten Bedeckungsgrad zu kommen. Gleichzeitig nehmen mit zunehmender Wasseraufwandmenge die Abtropfverluste (run off) bzw. die Bodeneinträge zu.

2. Messen der Belagsmasse auf Blättern und auf Folien (quantitative Messung).
Hier wird ebenfalls mit UV-Tracer gearbeitet. Nach erfolgter Spritzung wird der Belag von jeder Probe (Blätter, Folie) abgewaschen und fluorometrisch gemessen. Das Ergebnis ist die Menge an UV-Tracer, die von der jeweiligen Probe abgewaschen wurde, angegeben in µg/g Blattgewicht oder µg/cm² Fläche der Probe.
Die quantitative Belagsmessung ist einfach in der Durchführung und auch kostengünstig. Der Nachteil ist, es kann keine Aussage über die Tropfenverteilung auf der Blattfläche getroffen werden. So kann z.B. ein großer Tropfen die gleiche Belagsmasse ergeben, als mehrere kleinere Topfen mit der gleichen Masse, die gleichmäßig auf der Zielfläche verteilt sind.
Für eine umfassende Beurteilung der Spritzbeläge auf der Zielfläche (Blätter) ist daher eine quantitative und qualitative Belagsmessung erforderlich.
Für die Beantwortung der Fragestellung, wie viel PSM am Boden anstatt auf der Zielfläche landet, wurden in der Steiermark erstmals handelsübliche Abdeck-Baufolien als Testfolien verwendet. Diese wurden auf den Boden aufgelegt und bei der Versuchsspritzung vom Traktor überfahren (siehe Abbildung 1).

3. Messen der Abdrift – amtliche Messung und vereinfachtes Verfahren
Für amtliche Messungen gibt es genaue Vorschriften. So ist bei der amtlichen Methode nach JKI (Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Deutschland) die Windgeschwindigkeit und Windrichtung genau vorgegeben, die während der Versuchsdurchführung herrschen muss. In der Praxis trifft diese Vorgabe nur ganz selten zu. Außerdem ist es oft schwierig, die richtige Anordnung der Freifläche zur Kultur zu finden (siehe JKI-Richtlinie).
Die in der Steiermark praktizierte verlustarme Ausbringtechnik wurde in Deutschland nach den JKI-Abdriftkriterien gemessen und in Österreich für Obstanlagen unter Hagelnetz mit 95% Abdriftminderung eingestuft. In Österreich gibt es keine autorisierte Stelle, die amtlich anerkannte Abdriftmessungen durchführt.
Für eine rasche Abklärung, ob eine Applikationstechnik zur Abdrift neigt, braucht es eine einfache Methode. Daher wurde erstmalig im Rahmen dieser Versuche eine Abdriftmessung mit vertikalen Folien durchgeführt. Im Vergleich zur amtlich anerkannten Methode kann die Messung mit Folien bei Windstille jederzeit rasch durchgeführt werden (siehe Abbildung 2).


Versuche ohne Belaubung

Bei der Versuchsdurchführung für die Abdriftmessung kamen die gleichen Folien wie bei der Bodeneintragsmessung zum Einsatz. Sie wurden auf ein Gerüst vertikal 3,5 m hoch aufgespannt (insgesamt 14 m²). Für den gewählten Abstand der vertikalen Folie bis zur ersten Rebzeile stand folgende Überlegung: 3 m Abstand von der letzten Rebzeile als Vorgewende und weitere 4 m bis zum Beginn der nächsten Nachbarkultur. Wenn in diesem Abstand von 7 m die Tropfen auf der senkrechten Folie auftreffen, dann kann von einem Abdriftpotential zur Nachbarkultur ausgegangen werden.
Gefahren wurde mit einem Sprühgerät mit Rundgebläse - ohne Querstromluftverteilung. Das Gerät war nur mit feintropfigen Düsen ausgestattet. Für diese Abdriftmessung wurde die „worst case“- Einstellung gewählt, d. h.
  • herkömmliches Rundgebläse
  • wenig Wasser mit feinen Tropfen (340 l/ha) und
  • viel Luft (540 U/min Zapfwellendrehzahl).         
Versuchsergebnisse
Die Auswertung der Folien mittels Fluorometrie in Geisenheim ergab Folgendes:
Wie im Diagramm (Abbildung 3) ersichtlich ist, gibt es ein eindeutiges Messergebnis für den Bodeneintrag und für die Abdrift. Damit konnte die Messbarkeit der Abdrift mit vertikalen Folien nach 7 m Abstand gezeigt werden. Mit diesem Verfahren kann das Abdriftpotential von Geräten und Geräteeinstellungen relativ einfach ermittelt werden, was zukünftig zur Schlichtung von Nachbarschaftskonflikten beitragen kann. Das ist eine wertvolle und rasch umsetzbare Ergänzung zur amtlichen Abdrift-Messung.
 

Versuche bei voller Belaubung

Ausgangspunkt der Versuche war ein kommerzielles Weinbau-Sprühgerät, das für das verlustarme Sprühen geeignet ist. Dieses Gerät ist mit einem Querstrom-Gebläseaufsatz ausgestattet. Die Luftverteilung wurde vorher am Prüfstand optimiert.
 
Kern dieser Versuche war die Ermittlung von Blattbelag und Bodeneintrag bei unterschiedlicher Geräteeinstellung mit folgenden Versuchsvarianten (V5 – V8):
V5: wenig Wasser (340 l/ha) mit gemischter Düsenbestückung , d.h. die obersten 4 Düsen abdriftmindernde
      grobtropfige und die Düsen darunter abtropfmindernde feintropfige Düsen bei wenig Gebläseluft 
      (Zapfwellendrehzahl 380 U/min) 
V6:  wenig Wasser bei viel Gebläseluft (540 U/min)
V7: viel Wasser (680 l/ha) mit abdriftmindernden grobtropfige Düsen (V7) bei wenig Gebläseluft (Zapfwellendrehzahl
       380 U/min)
V8: viel Wasser bei viel Gebläseluft (540 U/min)
 
Versuchsergebnisse
Bei diesen Versuchen wurde nur die quantitative Messung angewendet, da die qualitative Messung aufwändiger ist und für dieses Projekt keine zusätzlichen Informationen liefert.
Die gesamte Folienfläche für die Ermittlung der Bodeneinträge betrug für die 4 Versuchsvarianten 66 m².
Für die Messung der Belagsmassen auf den Blättern wurden bei jeder Versuchsvariante jeweils 3 x über die gesamte Kulturhöhe 1 m breit alle Blätter genommen.
 
Wie wirkt sich die Gebläseluft bei luftoptimierten Geräten auf den Blattbelag und auf den Bodeneintrag aus?
Auch mit einem „Verlustarm Sprühgerät“ gibt es bei der Ausbringung von PSM Bodeneinträge (siehe Abbildung 4). Wie zu erwarten war, ist der Bodeneintrag bei viel Wasser deutlich höher. Der Beitrag der Gebläseluft fällt weniger stark aus, obwohl der Blattbelag bei V8 etwas höher als bei V5 und der Bodeneintrag mit viel Luft (V8) höher als mit wenig Luft (V7) ist (siehe Abbildung 5). 

Luftoptimierte Sprühgeräte, wie das Versuchsgerät, haben eine gleichmäßige Luftverteilung für den Tropfentransport über die gesamte Laubwandhöhe. Das dürfte die Ursache sein, dass die Gebläseluft weniger Einfluss auf Blattbelag und Bodeneintrag hat als die Wassermenge.
Der höhere Blattbelag bei viel Wasser (V7 u. V8) ist nur ein scheinbarer Vorteil, da es bei grobtropfiger Ausbringung eine ca. doppelt so hohe Wassermenge gegenüber feintropfigeren Varianten (V5 u. V6) braucht, um zu einem vergleichbar guten Bedeckungsgrad zu kommen. Ein hoher Bedeckungsgrad ist besonders bei hohem Infektionsdruck entscheidend für den Behandlungserfolg.
 

Resümee

Die Abdriftmessung mit vertikalen Folien zeigt, wie das Abdriftpotential einer Ausbringtechnik rasch und kostengünstig festgestellt werden kann.
Mit der Versuchsserie bei voller Belaubung wurde der Status quo der verlustarmen Sprühtechnik dokumentiert. Dabei geht es um die Minimierung der Abdrift und der Bodeneinträge durch luftoptimierte Querstromgebläse mit gemischter Düsenbestückung. Mit dieser Technik kann die Pflanzenschutzarbeit Wasser, Gewicht und Zeit sparend durchgeführt werden. Die Versuchsergebnisse zeigen das bestmögliche Messresultat, das mit einem Verlustarm-Sprühgerät derzeit erreichbar ist. Damit gibt es eine Messlatte für den Vergleich, ob mit der Abdrift- und Recyclingtechnik noch weniger PSM-Einträge auf Nicht-Zielflächen erreicht werden können. 
 

Ausblick

Im Mittelpunkt des nächsten Beitrages (Teil II) steht ein innovativer Abdrift- und Recyclingschirm mit den Versuchsergebnissen, die mit der verlustarmen Sprühtechnik verglichen werden. Schlussendlich geht es um die Frage, welche Vorteile die neue Technik für die Umwelt und für die Betriebe bringt.
 
 
Autoren:
Mag. Regina Lind, Mag. Karl Lind (Fachgruppe Technik e.V.)
Email: info@obstwein-technik.eu
 

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Die Fachgruppe Technik ist Ansprechpartner für Aktivitäten in Technik-Fragen. Sie nutzt die unterschiedlichen Qualifikationen und Praxiserfahrungen zur Entwicklung neuer Projektideen zur bestmöglichen Aufbereitung praxisrelevanter Informationen für den Obst- und Weinbau. Als Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis bietet die Fachgruppe Technik mit dem Netzwerk den Landwirten und Landwirtinnen hilfreiche Inputs zur innovativen Bewirtschaftung.

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